Anklage gegen Neonazis: Es sollte zu Toten kommen

Die rechtsextreme Schlägertruppe "Knockout 51" wollte im Thüringer Eisenach einen "Nazi Kiez" etablieren. Nun klagt die Bundesanwaltschaft die Männer an.

Zwei Polizisten stehen im Hintergrund, im Vordergrund eine Säule mit dem Aufkleber "Nazi Kiez"

Unter einem Deckmantel sollen Nazis Angriffe auf Polizisten oder Linke vorbereitet haben Foto: Martin Wichmann/dpa

BERLIN taz | Leon R. strotzte vor Selbstbewusstsein. Im Thüringer Eisenach fungierte er als Anführer der rechtsextremen Kampfsporttruppe „Knockout 51“, als Ziel gab er die Schaffung eines „Nazi Kiez“ an. Immer wieder soll der 25-Jährige zugeschlagen haben, attackierte vermeintlich Linke oder Polizisten. Bis die Bundesanwaltschaft ihn im April 2022 mit drei Kumpanen festnehmen ließ. Nun folgt die Anklage.

Am Montag gab die Bundesanwaltschaft bekannt, dass sie bereits Anfang Mai vor dem Thüringer Oberlandesgericht Anklage gegen das Quartett erhob hat. Der Vorwurf: Bildung einer kriminellen und terroristischen Vereinigung.

Spätestens ab März 2019 habe sich „Knockout 51“ zusammengefunden, Leon R. sei der „Rädelsführer“ gewesen, so die Bundesanwaltschaft. Unter dem Deckmantel von Kampfsporttrainings habe die Gruppe junge Männer „bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktriniert“ und für Angriffe auf Polizisten oder Linke vorbereitet. Trainiert wurde in der Thüringer NPD-Zentrale in Eisenach, dem „Flieder Volkshaus“. Ziel sei auch „die Tötung von Personen der linksextremen Szene“ gewesen.

Die Festnahme von Leon R. und den drei weiteren Führungskräften von „Knockout 51“ – Bastian A., Maximilian A. und Eric K. – war im April 2022 im Rahmen einer größeren bundesweiten Razzia in der rechtsextremen Szene erfolgt. Damals wurden auch Neonazis der Atomwaffendivision oder des verbotenen Combat18 durchsucht.

Opfer wurden bewusstlos geprügelt

Die härtesten Vorwürfe aber trafen „Knockout 51“. Die Anklage listet eine Vielzahl an Übergriffen. Hauptaugenmerk lag zunächst auf Eisenach. Dort führte „Knockout 51“ selbsternannte „Kiezstreifen“ durch, sicherte Veranstaltungen im „Flieder Volkshaus“ ab.

Vor einer Eisenacher Sporthalle sollen Leon R. und Maximilian A. vier Personen als Randalierer beschuldigt und verprügelt haben, ein Opfer erlitt Knochenbrüche im Gesicht. In einem Lokal wurde eine Person bewusstlos geprügelt, um die Vormachtstellung im „Nazi Kiez“ zu unterstreichen. Auch eine Eisenacher Silvesterparty soll die Gruppe attackiert haben, da sie dort Drogenkonsumenten vermutete. Eine Person wurde bewusstlos geprügelt. Auf einer anderen Feier wurde ein vermeintlich Linker mit Quarzsandhandschuhen so ins Gesicht geschlagen, dass er diverse Brüche erlitt. Eine andere Person sollen die Nazis für eine Beleidigung verprügelt haben.

Die Gruppe soll auch das Eisenacher Büro der Linkspartei attackiert haben. Mit Steinwürfen wurde eine Fensterscheibe zerstört, es entstand ein Schaden von knapp 3.000 Euro. Verantwortlich soll Eric K. gewesen sein.

Immer wieder verübte die Gruppe laut Anklage auch bei Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen Angriffe auf Polizeibeamte oder vermeintliche Linke. So wurde im August 2020 in Berlin ein Polizist von Gruppenmitgliedern in den Bauch getreten, ein zweiter zur Seite gestoßen, um einen Festgenommenen zu befreien. Auf einem Leipziger Aufzug soll Bastian A. eine Glasflasche in Richtung Polizeibeamte geworfen haben. Bei einer späteren Demonstration in der Stadt kam es laut Anklage zu drei Übergriffen der Gruppe. Und auf einer Coronademo in Kassel soll die Gruppe angeblich Linke gejagt und einen Mann Schläge ins Gesicht versetzt haben.

Tödlicher Angriff auf Linke vorbereitet

Für die Bundesanwaltschaft war Leon R. bei allen Aktivitäten die zentrale Figur. Er habe die Aufnahmebedingungen bei „Knockout 51“ diktiert, die Kampftrainings und ideologischen Schulungen geleitet und die Gruppe über seine Kontakte auch überregional vernetzt.

Eine Radikalisierung von „Knockout 51“ habe nach zwei Angriffen auf Leon R. Ende 2019 stattgefunden. Die Angriffe werden der Gruppe um die inhaftierte Leipziger Autonome Lina E. vorgeworfen. Nach den Angriffen hätten Leon R. und die anderen gezielt die Auseinandersetzung mit Linksextremen gesucht, „um unter dem Deckmantel der Selbstverteidigung tödlich wirkende Gewalt anwenden zu können“, so die Bundesanwaltschaft.

Dafür habe die Gruppe Messer, Schlagringe, eine manipulierte Gaspistole und Teile für eine halbautomatische Schusswaffe besorgt. Auch Schießtrainings hätten stattgefunden. Ziel sei ein „tödlich wirkender Gegenschlag“ gewesen – aber es sei zu keinem linken Angriff mehr gekommen.

Leon R. und Maximilian A. sagte im März 2022 schließlich auch als Zeugen und Geschädigte im Lina E.-Prozess in Dresden aus – und spielten dort ihre rechtsextremen Aktivitäten herunter. Wenig später erfolgte ihre Festnahme. Eine Nacht zuvor aber noch soll Bastian A., einen weiteren Zeugen verprügelt haben. Dessen vermeintliches Vergehen: Er hatte im Lina E.-Prozess über „Knockout 51“ detailliertere Aussagen gemacht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.