Wachsende wirtschaftliche Ungleichheit: Das ist demokratiegefährdend
Die Ungleichheit nimmt weiter zu – global wie national. Es sind Zahlen, die auch die gesellschaftlichen Fundamente unterspülen.
D ie Vermögen der Superreichen in den größten Industrie- und Schwellenländern sind im vergangenen Jahr laut der NGO Oxfam um obszöne Summen gestiegen. Und in Deutschland haben Einkommensungleichheit und Armutsquote neue Höchstwerte erreicht, zeigt der Verteilungsbericht der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Solche Nachrichten wiederholen sich seit Jahren in unschöner Regelmäßigkeit. Alle wissen es, niemand tut etwas: Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst auf der ganzen Welt und – wenn auch auf einem anderen Niveau – in Deutschland. Und diejenigen, die etwas dagegen tun könnten, verschärfen die Lage immer weiter.
Union und Sozialdemokrat:innen streichen Entwicklungsgelder und sie unternehmen keine Anstalten, die Kluft im eigenen Land zu verkleinern. Statt Vermögensabgaben für Superreiche oder höhere Steuern für Einkommensmillionäre zu erwägen, haben sie eine Diskussion über den Sozialstaat losgetreten. Den will sich Kanzler Friedrich Merz nicht mehr in der bisherigen Form leisten; für Steuergeschenke an Unternehmen ist aber genug Geld da. Wohlhabende wie er brauchen keinen Sozialstaat, Menschen mit wenig Geld aber durchaus.
Armut ist sehr viel mehr als ein statistisches Phänomen. Unter ihr leiden Millionen von Menschen. Wer arm ist, hat geringere politische Teilhabe, wird schneller krank und stirbt früher als Wohlhabende. Ein Ergebnis der Hans-Böckler-Studie überrascht nicht: Je geringer das Einkommen, desto geringer ist das Vertrauen in Demokratie und in staatliche Institutionen. Kein Wunder. Ein Staat, der nichts für eine:n tut, von dem wendet man sich ab.
Die große Ungleichheit unterspült das gesellschaftliche Fundament. Während die einen nicht wissen, wohin mit ihrem vielen Geld, fragen sich die anderen, wie sie über die Runden kommen sollen. Diese Unwucht ist ein krasses Dementi des Gleichheitsversprechens dieses Staates. Die Bundesregierung muss etwas gegen diese Unwucht tun, wenn sie nicht riskieren will, dass die Demokratie in Deutschland erodiert.
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