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Wachsende wirtschaftliche UngleichheitDas ist demokratiegefährdend

Anja Krüger

Kommentar von

Anja Krüger

Die Ungleichheit nimmt weiter zu – global wie national. Es sind Zahlen, die auch die gesellschaftlichen Fundamente unterspülen.

Während die einen nicht wissen, wohin mit ihrem vielen Geld, fragen sich die anderen, wie sie über die Runden kommen sollen Foto: Carsten Koall/getty images

D ie Vermögen der Superreichen in den größten Industrie- und Schwellenländern sind im vergangenen Jahr laut der NGO Oxfam um obszöne Summen gestiegen. Und in Deutschland haben Einkommensungleichheit und Armutsquote neue Höchstwerte erreicht, zeigt der Verteilungsbericht der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Solche Nachrichten wiederholen sich seit Jahren in unschöner Regelmäßigkeit. Alle wissen es, niemand tut etwas: Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst auf der ganzen Welt und – wenn auch auf einem anderen Niveau – in Deutschland. Und diejenigen, die etwas dagegen tun könnten, verschärfen die Lage immer weiter.

Union und So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen streichen Entwicklungsgelder und sie unternehmen keine Anstalten, die Kluft im eigenen Land zu verkleinern. Statt Vermögensabgaben für Superreiche oder höhere Steuern für Einkommensmillionäre zu erwägen, haben sie eine Diskussion über den Sozialstaat losgetreten. Den will sich Kanzler Friedrich Merz nicht mehr in der bisherigen Form leisten; für Steuergeschenke an Unternehmen ist aber genug Geld da. Wohlhabende wie er brauchen keinen Sozialstaat, Menschen mit wenig Geld aber durchaus.

Armut ist sehr viel mehr als ein statistisches Phänomen. Unter ihr leiden Millionen von Menschen. Wer arm ist, hat geringere politische Teilhabe, wird schneller krank und stirbt früher als Wohlhabende. Ein Ergebnis der Hans-Böckler-Studie überrascht nicht: Je geringer das Einkommen, desto geringer ist das Vertrauen in Demokratie und in staatliche Institutionen. Kein Wunder. Ein Staat, der nichts für ei­ne:n tut, von dem wendet man sich ab.

Die große Ungleichheit unterspült das gesellschaftliche Fundament. Während die einen nicht wissen, wohin mit ihrem vielen Geld, fragen sich die anderen, wie sie über die Runden kommen sollen. Diese Unwucht ist ein krasses Dementi des Gleichheitsversprechens dieses Staates. Die Bundesregierung muss etwas gegen diese Unwucht tun, wenn sie nicht riskieren will, dass die Demokratie in Deutschland erodiert.

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Anja Krüger
Parlamentskorrespondentin
Schwerpunkte Wirtschaft- und Energiepolitik
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2 Kommentare

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  • Wirtschaftliche Ungleichheiten und hierarchische Machtverteilung zu bewahren, dafür wurde die Wahlrepublik, die heute als repräsentative Demokratie bezeichnet wird, erfunden. Gelebte emanzipatorische Demokratie kann wirtschaftliche Ungleichheiten nicht unbedingt beseitigen, sie stellt diesen aber eine egalitäre Machtverteilung gegenüber, die verhindern kann, dass Wirtschaftsmacht zur politischen Macht wird. Im Gegensatz dazu führt eine Republik durch Wahlen zur Ausbildung von Parteien und BerufspolitikerInnentum und so zu einer Hierarchisierung politischer Macht. Diese politische und andere Eliten, darunter die der Wirtschaft, suchen die Nähe, um im Wechsel- und Zusammenspiel eigen Privilegien zu sichern. Die echte Demokratie sehen sie als Feind, denn ihr Anspruch auf egalitäre Mitbestimmung stellt jeden Führungsanspruch und jede Hierarchie, auch die in der Wirtschaft, permanent in Frage. Darum verteidigen unsere Eliten und alle, die sich in unserer Republik eingerichtet, die liberale hierarchische Ordnung so vehement als Demokratie, meinen damit aber etwas ganz anderes: ihren Staus als Eliten.

  • Die Autorin hat recht, wenn Sie sagt, dass Ungleichheit die Demokratie gefährdet.



    Aber mit dem letzten Satz zeigt sie, dass sie das Ausmaß des Problems noch nicht verstanden hat: "Die Bundesregierung muss etwas gegen diese Unwucht tun, wenn sie nicht riskieren will, dass die Demokratie in Deutschland erodiert."

    Die Demokratie in Deutschland wird längst erodiert. Seit mindestens 10 Jahren. Das ist daran erkennbar, dass inzwischen mehr als 20% im Bund die AfD wählen, und im Osten im nächsten Jahr teilweise mehr als 40% die AfD wählen werden.

    5-10% davon wählen die AfD, weil sie selbst rechtsextrem sind. Aber der Rest hat früher einmal etablierte Parteien gewählt. Und wählt sie nicht mehr, weil sie immer unzufriedener mit der Politik sind und immer mehr Angst vor der Zukunft haben. Und beides hat ursächlich damit zu tun, dass die Ungleichheit in den letzten 30-40 Jahren immer weiter gewachsen ist. Soweit, dass die reichsten 500 Deutschen alleine von 2020-2024 ihr Vermögen um 500 Mrd. € steigern konnten, während die 80% ärmeren froh waren, irgendwie über die Runden gekommen zu sein und die Regierung sich im Streit um ein paar Mrd. € zerlegt hat. So ist die Demokratie 2029 kaputt.