Angriffe auf Moschee-Neubau: Immer wieder Scherben

Ende März soll in Husum die erste Moschee Nordfrieslands öffnen. Doch schon zweimal wurde das Gebäude beschädigt. Wer steckt dahinter?

Ein Mann geht über eine Baustelle, im Hintergrund ist ein eingerüstetes Gebäude zu sehen.

Ist immer wieder Ziel von Angriffen: die neue Moschee in Husum Foto: Anaïs Kaluza

HUSUM taz | Es ist schon wieder passiert: An sechs Stellen ist das Glas aufgeplatzt und zersplittert, in tausende kleine Kristalle. „Sieht fast aus wie letztes Mal“, sagt Danish Ahmad. Er steht auf einer Baustelle: planierte Erde, Baggerspuren, ein Gerüst um einen Flachbau. Die Dämmung ist fast fertig, die Kuppel auch. Drinnen sind Wände gezogen, nur die Zierminarette fehlen.

Ende März soll die Mahmood-Moschee in Husum öffnen. Es wird die erste Moschee Nordfrieslands sein. Doch ihr Bau läuft nicht reibungslos: Zweimal wurden die Scheiben eingeschlagen. Erst im Dezember und nun, Anfang Februar, schon wieder.

„Es ist erschreckend und bedauernswert“, sagt Danish Ahmad. Er ist Mitglied der Ahmadiyya Muslim Jamaat, einer muslimischen Gemeinschaft mit rund 50.000 An­hän­ge­r*in­nen und 52 Moscheen in Deutschland. Nach Husum kamen die ersten von ihnen 1985. Sie migrierten aus Schweden, wo sie vergeblich Asyl beantragt hatten. Heute leben hier 130 Mitglieder, die Gemeinde wächst. Und wird immer wieder angefeindet.

2014 pflanzen einige Ahmadis im benachbarten Mildstedt einen Ginkgo-Baum – als Symbol der Freundschaft und Verwurzelung. Die Krone wird abgesägt. Zweimal lässt der Bürgermeister einen neuen Baum eingraben. Zwei weitere Male wird der Stamm zerteilt.

2015 schlägt jemand die Frontscheibe des Gemeindezentrums ein – mit einem Holzbalken. Die neue Scheibe wird 2017 mit Farbe beschmiert. Hakenkreuze und Nazi-Parolen ziehen sich über das Glas: „Sieg Heil“, „Refugees not welcome“, „RAUS“. Der Staatsschutz ermittelt, ohne Ergebnis. Und nun: die Moschee. Zwei Anschläge in drei Monaten. Schaden: bis zu 8.000 Euro.

1889 entstand die AMJ als muslimische Reformbewegung in Indien. Ihren Gründer Mirza Ghulam Ahmad verehren die Ahmadis als Propheten.

In Pakistan werden sie deshalb verfolgt. Viele Muslim*innen erkennen die AMJ nicht als muslimisch an.

Als erste islamische Religionsgemeinschaft wurde die AMJ 2013 in Hessen als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt. Sie bekam dadurch denselben Rechtsstatus wie Kirchen.

Danish Ahmad stapft über die aufgewühlte Erde. Auf seine blankgeputzen Leder-Schnürschuhe hat sich Staub gesetzt. „Die müssen einmal um das Gebäude rumgelaufen sein“, sagt er und geht den Weg nach: zwei Einschläge in den Scheiben am östlichen Eingang. Zwei in den Fenstern, die nach Südosten, Richtung Mekka, zeigen. Und zwei in den Türen am westlichen Eingang. Der ist blockiert von Gerüst­streben und Brettern. Ahmad bückt sich und sagt: „Die müssen da durchgeklettert sein.“

Wer es war, wie viele, und womit sie das Glas zerschmetterten, ist unklar, heißt es von der Polizei. „Vielleicht war es ein Vorschlaghammer. Oder ein Geschoss“, sagt Danish Ahmad. „Durch die zweite Attacke ist mir bewusst geworden: Jemand hat das gezielt getan. Mein erster Gedanke war: Wieso macht jemand so etwas?“

Der Bau einer eigenen Moschee war schon lange geplant. Zehn Jahre lang trafen sich die Männer und Frauen in einem alten Drogeriemarkt zum Gebet. Von der Stadt haben sie das Grundstück gekauft, auf dem nun gebaut wird. Bei der Grundsteinlegung 2019 sagte Schleswig-Holsteins Landtagspräsident Klaus Schlie über die Gemeinde: „Sie sind ohne Einschränkung Teil unserer Gesellschaft.“ Er richtete sich damit wohl auch an diejenigen, die das anders sahen.

Die AfD hatte für den Tag eine Demo angemeldet – wie so oft, wenn Mus­li­m*in­nen den Bau einer Moschee ankündigen. „Es kamen aber nicht genug Leute zusammen“, sagt Danish Ahmad. Die Demo fiel aus.

Ablehnung spürten er und die anderen trotzdem. „Als die Bauarbeiten anfingen, fuhren Männer zur Baustelle“, erzählt er. „Sie fragten die Arbeiter, warum sie Muslimen helfen würden. Und gelegentlich gibt es negative Kommentare, im Netz, von Bekannten. Leute sagen: Warum braucht Husum eine Moschee? Die passt doch gar nicht ins Bild.“

103 Angriffe auf Moscheen meldete das Bundeskriminalamt zuletzt für 2020. Und insgesamt 1.026 islamfeindliche Straftaten. Neun von zehn Fälle stuft die Polizei als rechts motiviert ein. Die Dunkelziffer ist vermutlich höher, weil Betroffene nicht alle Fälle anzeigen. Weil Behörden nicht alle Fälle eindeutig zuordnen können.

Auch bei den Anschlägen auf die Husumer Moschee gibt es kein Bekennerschreiben, keine rechte Symbolik wie 2017. Die Staatsanwaltschaft ermittelt „in alle Richtungen“, wie sie sagt. Die Ermittlungen sind im Bereich des Staatsschutzes angesiedelt. Ein Signal: Denn der ist zuständig für politisch motivierte Kriminalität.

Danish Ahmad, Mitglied der Husumer Ahmadiyya-Gemeinde

„Uns ist der Dialog wichtig. Wir wollen zeigen, dass wir Teil dieser Gesellschaft sind: Ingenieure, Pfleger, Mütter, Väter“

Am 10. Februar, sieben Tage nach dem Anschlag, lud die Ahmadiyya-Gemeinde zum Bürgerdialog ein, via Zoom. Mitten im Meeting teilte jemand seinen Bildschirm: Hakenkreuze und Penisse zu lauter Musik. Ein Bekenntnis? Befürwortung? Randale?

„In diesem Fall kann man eine politische Motivation vermuten“, sagt eine Mitarbeiterin des Regionalen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus in Flensburg. Die Organisation dokumentiert rechtsextreme Vorfälle in der Region und berät Zivilgesellschaft und Betroffene. „Nordfriesland ist ein dünn besiedelter, ländlicher Raum. In der Vergangenheit gab es immer wieder Aktionen, die vermuten lassen, dass es durchaus rechtsextreme Strukturen gibt. Wer die Akteure sind und wie viele, wissen wir nicht. Aber durch die Coronaproteste ist vieles sagbarer geworden.“

Eine repräsentative Studie von 2016 zeigt: Die Mehrheit der Bevölkerung in Schleswig-Holstein ist Mus­li­m*in­nen gegenüber offen eingestellt. Etwa 20 bis 30 Prozent hegen allerdings Vorurteile, Aversionen, Ängste. „Es ist nachvollziehbar, dass Menschen Angst haben. Wir tragen keinen Hass gegen sie“, sagt Danish Ahmad. „Uns ist der Dialog wichtig. Wir wollen zeigen, dass wir Teil dieser Gesellschaft sind: Ingenieure, Pfleger, Mütter, Väter. Die Moschee wird ein Haus des Friedens sein.“

In Husum ist die Gemeinde für ihr Engagement bekannt: Seit 28 Jahren sammeln die Ahmadis am Neujahrsmorgen Böller und Raketenreste von den Straßen. Sie besuchten das Husumer Gymnasium und spendeten für die Orgel der evangelischen Marienkirche. Anfang März ist ein gemeinsamer Gottesdienst mit der christlichen, jüdischen und der anderen muslimischen Gemeinde geplant. Pastor Friedemann Magaard sagt: „In der Stadt herrscht grundsätzlich eine entspannte Offenheit.“

Uwe Schmitz, Husums parteiloser Bürgermeister, teilt mit: „Wir lassen uns nicht spalten. Ein Angriff auf die Ahmadiyya-Gemeinde ist ein Angriff auf uns.“ Rückhalt spüre die Gemeinde auch aus der Bevölkerung, sagt Danish Ahmad. „Dafür sind wir sehr dankbar.“

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