Angriffe auf Amtsträger in Niedersachsen: Gegen den eigenen Staat
Die AfD fragte nach Angriffen auf Menschen im öffentlichen Dienst in Niedersachsen. Nun liegen die Antworten vor. Sie stützen keine rechten Narrative.
Seit dem 1. September 2019 werden Straftaten gesondert erfasst, die sich gegen „Amtsträger, europäische Amtsträger, Richter“, ferner gegen „für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete“ sowie gegen „Hilfeleistende“ richten. Auch nach Übergriffen in der Zeit davor – nämlich seit dem Jahr 2013 – hatte Ahrends gefragt. Das Ministerium gab dazu unter Hinweis auf den Aufwand aber keine Auskunft.
Kaum überraschend: Neben dem „Berufsfeld der Opfer“ interessierte sich der Fragesteller auch für die „Nationalität(en)“ und den „Migrationshintergrund der Täter“. Und er erhielt Antwort: So waren von den 73 Verurteilten 58 deutsche Staatsangehörige, die nächstkleineren Gruppen folgen mit gerade mal vier respektive zwei Angehörigen. Auch bei den 753 Beschuldigten in einschlägigen Ermittlungsverfahren stellten Deutsche mit 589 mit deutlichem Abstand den größten Anteil; die nächstkleineren Gruppen kommen auf 32 und 21 Vertreter*innen.
Bei den Verurteilten waren also rund 79 Prozent Deutsche, bei den Beschuldigten waren es ebenfalls rund 78 Prozent. Der Anteil Geflüchteter lag bei jeweils etwa drei Prozent – anzunehmen ist, dass sich aber genau darauf das eigentliche Aufklärungsinteresse der AfD richtet.
Viele Deutsche unter den Täter*innen
Auch das steht in der Antwort des Justizministeriums: Eine Aussage „zum konkret abgefragten ‚Migrationshintergrund‘“ sei nicht möglich, und das „aufgrund der Unschärfe dieses Begriffs“. So hätten ja auch zahlreiche deutsche Staatsangehörige „familiengeschichtlich einen gewissen ‚Hintergrund‘ zu Migrationsbewegungen und stammen von ins Bundesgebiet zugewanderten Vorfahren ab“.
In Niedersachsen hatten zuletzt insbesondere der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme und den inzwischen ehemalige Bürgermeister von Estorf, Arnd Focke (SPD) auf das Problem aufmerksam gemacht: Kühme war nach Kritik an Äußerungen aus Reihen der AfD unter Beschuss geraten – bis hin zu Morddrohungen.
Und Focke verließ im Januar nach acht aktiven Jahren die Kommunalpolitik: „um mich und mein privates Umfeld zu schützen“, teilte er damals mit, und das ausdrücklich „angesichts massivster persönlicher rechter Anfeindungen, Bedrohungen und Diffamierungen“.
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