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Angriff auf die PressefreiheitIsraels Militär tötet fünf Journalisten in Gaza

Sie sterben bei einem Luftangriff des israelischen Militärs auf das Nasser-Spital in Südgaza. Die Zahl der im Gazakrieg getöteten Medienschaffenden steigt damit auf 192.

Eine der Getöteten: Mariam Dagga, Journalistin für die Nachrichtenagentur Associated Press Foto: Jehad Alshrafi/ap

Jerusalem taz | Bei mehreren israelischen Luftangriffen in kurzer Abfolge auf das Al-Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis im südlichen Gaza­streifen wurden am Montagvormittag mindestens 20 Menschen getötet, darunter 5 Journalisten. Ein Kamerateam des TV-Senders Al-Ghad übertrug die Rettungsarbeiten in Chan Yunis im Süden des Küstenstreifens live: Die Aufnahme zeigt mindestens zwei mit orangen Rettungswesten gekennzeichnete Sanitäter auf einer Außentreppe, die von den Reportern häufig für Filmaufnahmen genutzt wurde. Dann schlägt unvermittelt ein zweites Projektil ein.

Getötet wurden neben anderen die 33-jährige Journalistin Mariam Abu Dagga und der Journalist Hussam al-Masri, die beide als freie Mitarbeiter für die Nachrichtenagenturen Associated Press und Reuters arbeiteten. Außerdem sind unter den Toten der Al-Jazeera-Mitarbeiter Mohammed Salam und der Fotograf Moaz Abu Taha sowie ein weiterer Journalist, der wohl für das immer wieder mit der Hamas in Verbindung gebrachte Quds News Network arbeitete. Der für Reuters tätige Journalist Hatem Khaled wurde laut seinem Arbeitgeber bei dem Angriff verletzt.

„Associated Press ist schockiert über den Tod der Fotojournalistin Mariam Dagga und mehrerer weiterer Journalisten im Nassar-Krankenhaus“, teilte AP am Montag mit. Dagga sei regelmäßig für Berichte im Nasser-Krankenhaus zugegen gewesen. Zuletzt habe die freie Mitarbeiterin „eindringliche Berichte über hungernde und unterernährte Kinder in Gaza“ geliefert.

Israels Militär will den Vorfall prüfen

Das aufgenommene Vorgehen der israelischen Armee deutet auf einen sogenannten Double-Tap-Angriff hin, einen Doppelschlag. Dabei gilt ein erster Angriff einem Primärziel, ein zweiter hinzugeeilten Rettungskräften, Angehörigen oder Überlebenden. Einer Recherche des israelisch-palästinensischen Mediums +972 Magazine zufolge ist diese Taktik im Gazakrieg zur „Standardprozedur“ geworden. Das Ziel sei demnach häufig, sicherzustellen, dass das Primärziel des Angriffes getötet wird – oder zu verhindern, dass es im Anschluss gerettet wird, berichtet +972 Magazine unter Berufung auf 5 Angehörige des Militärs.

Nahost-Konflikt

Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 startete das israelische Militär eine Offensive in Gaza, 2024 folgte der Vorstoß gegen die Hisbollah im Libanon. Der Konflikt um die Region Palästina begann Anfang des 20. Jahrhunderts.

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Solche Angriffe können Kriegsverbrechen darstellen, weil sie vor allem Zivilisten, Rettungskräfte und Journalisten treffen und Rettungsversuche unterbinden. Das israelische Militär bestätigte einen Angriff im Bereich des Nasser-Krankenhauses, machte jedoch keine weiteren Angaben. Der Vorfall werde geprüft.

Der Angriff vom Montag muss ein Wendepunkt sein

Verband der Auslandspresse in Israel

Der Verband der Auslandspresse in Israel (FPA) verurteilte den Angriff: „Wir fordern Israel auf, seine abscheuliche Praxis, Journalisten ins Visier zu nehmen, ein für alle Mal einzustellen“. Schon viel zu lange hindere Israel internationale Journalisten an der Berichterstattung aus Gaza, während es Kollegen in dem Küstenstreifen ohne Rechtfertigung töte. „Dies muss ein Wendepunkt sein. Wir appellieren an die internationalen Staats- und Regierungschefs: Tun Sie alles in Ihrer Macht stehende, um unsere Kollegen zu schützen.“

„Vorsätzlich und systematisch“

Obwohl Krankenhäuser nach dem humanitären Völkerrecht besonderen Schutz genießen, sind israelische Angriffe auf Kliniken im Gazastreifen an der Tagesordnung. Israel beschuldigt die radikalislamische Hamas, diese militärisch zu nutzen, legt dafür aber nur selten Belege vor.

Die Zahl der im Gazakrieg seit dem 7. Oktober 2023 von Israel getöteten Journalisten steigt mit diesem Angriff laut einer Zählung des internationalen Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) auf 192. Im August hatte die Organisation Israel nach der Tötung des Al-Jazeera-Korrespondenten Anas Al-Scharif zusammen mit vier Kollegen beschuldigt, Journalisten in Gaza „vorsätzlich und systematisch“ zu töten, um Berichterstattung über sein Vorgehen im Gaza­streifen zu unterbinden.

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