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Angriff auf Oscar-RegisseurErst Siedlergewalt, dann Siedlerfinanzierung

Im Westjordanland greifen Extremisten den palästinensischen Filmemacher Hamdan Ballal an. Tags darauf beschließt Israel einen weiteren Etat für neue Siedlungen.

Der israelische Sicherheitsapparat wird ausgebaut, unwahrscheinlich jedoch das damit gegen rechte Ex­ter­mis­t*in­nen und illegale Siedlungen vorgegangen wird Foto: Raviv Rose/dpa

Jerusalem taz | Rund ein Dutzend vermummter israelischer Siedler nähern sich nach Einbruch der Dunkelheit am Montagabend einem Auto in Susia südlich von Hebron im Westjordanland. Ein Mann, dessen Gesicht von einem weißen Tuch verdeckt wird, schleudert einen Stein auf die Frontscheibe, dann bricht das Video ab. Laut mehreren US-amerikanischen Aktivisten vor Ort galt der Angriff dem Haus des palästinensischen Regisseurs und Oscar-Preisträgers Hamdan Ballal.

Dieser sei an Bauch und Kopf verletzt worden. Die Angreifer hätten die Scheiben seines Autos und sein Haus beschädigt. „Wir haben die Armee gerufen, doch als die Soldaten kamen, standen sie nur da und haben nichts unternommen“, sagt Jenna, eine der Aktivistinnen der NGO Center for Jewish Nonviolence, die das Video aufgenommen hat, am Telefon.

Wenig später nehmen die Sicherheitskräfte den verletzten Ballal fest. „Er wurde die ganze Nacht an den Händen gefesselt und mit verbundenen Augen auf einem Armeestützpunkt festgehalten, während zwei Soldaten ihn verprügelten“, schreibt Ballals israelischer Filmemacher-Kollege Yuval Abraham am Dienstagmorgen. Am Nachmittag teilte Ballals Anwältin laut Medienberichten mit, er solle freigelassen werden.

Gewaltsame Siedlerüberfälle an der Tagesordnung

Die israelische Armee gab an, drei Palästinenser wegen mutmaßlicher Steinwürfe festgenommen zu haben, ebenso wie einen an der Konfrontation beteiligten israelischen Zivilisten.

Gewaltsame Siedlerüberfälle sind im von Israel besetzten Westjordanland mittlerweile an der Tagesordnung. Der Angriff auf Ballal aber sorgt international für Aufmerksamkeit: Der Filmemacher hat erst Anfang März mit Abraham und zwei weiteren Kollegen den Oscar für den besten Dokumentarfilm gewonnen. „No Other Land“ erzählt von der schrittweisen Vertreibung der Gemeinden in Massafer Yata durch Siedlergewalt und die israelische Armee.

Nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 und dem darauf folgenden Krieg im Gazastreifen hat die Gewalt extremistischer Siedler nie gekannte Ausmaße angenommen. Im August 2024 warnte der Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Ronen Bar, in einem Brief an Regierungschef Benjamin Netanjahu vor „jüdischem Terrorismus“. Eine Reihe von Sanktionen, die der vorige US-Präsident Joe Biden gegen einzelne Siedler verhängt hat, nahm sein Nachfolger Donald Trump mittlerweile zurück.

Trotz dieser Entwicklungen will Israel künftig deutlich mehr Geld für Siedlungen ausgeben. Am Dienstag verabschiedete das Parlament den Staatshaushalt für das Jahr 2025, in dem der Etat des Siedlungsministeriums um mehr als das dreifache auf 391 Millionen Schekel (rund 100 Millionen Euro) steigt.

Neuer Haushalt mit hohem Etat für Siedlungen

Die Verabschiedung des mit 756 Milliarden Schekel (190 Milliarden Euro) größten Haushaltes in Israels Geschichte sichert zudem bis auf weiteres die politische Zukunft der in Teilen nationalistischen und ultrareligiösen Regierung. Die Zustimmung aller Koalitionsmitglieder aber hat seinen Preis: Neben dem Geldsegen für die Siedler ist auch ein zusätzliches Budget von rund einer Milliarde Schekel (250 Millionen Euro) für ultrareligiöse Thora-Schulen vorgesehen.

Einsparungen soll es bei Geldern für Beschäftigte im öffentlichen Sektor, Projekte für LGBTQ und gefährdete Jugendliche geben. Den größten Posten bilden mit 110 Milliarden Schekel die Verteidigungsausgaben, das sind etwa 4,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mit großem Abstand folgen Bildung und Gesundheit. Oppositionsführer Jair Lapid nannte den Haushalt „den größten Diebstahl in der Geschichte des Landes“. Die Regierung raube „das Geld und die Zukunft der israelischen Mittelschicht“.

Vor dem Parlament demonstrierten während der Abstimmung wie bereits in den vergangenen Tagen Tausende Menschen. Laut Medienberichten kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, die sechs Demonstranten festnahm. Das Land ist in Aufruhr, seit die Regierung binnen einer Woche zuerst den Waffenstillstand im Gazastreifen aufgekündigt und kurz darauf die Absetzung der Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara und des Schin Bet-Chefs Bar eingeleitet hat.

Die geplanten Entlassungen aber scheinen nur der Auftakt, den von der Regierung seit mehr als zwei Jahren vorangetriebenen und durch den Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 kurzzeitig unterbrochenen Justizumbau wieder aufzunehmen. Für Donnerstag ist zudem ein Parlamentsentscheid geplant, der der Regierung mehr Mitsprache bei der Besetzung der Richterposten am Obersten Gerichtshof des Landes gibt. Der Plan bedroht laut Kritikern die Gewaltenteilung und die Demokratie in Israel.

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10 Kommentare

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  • Und jede:r die:der diese Zustände kritisiert, wird pauschal "israelbezogener Antisemitismus" unterstellt. Dass Deutschland diese Zustände unterstützt, finde ich wirklich beachtlich, wo wir uns doch sonst so viel einbilden auf unsere 'Werte'.



    Beachtlich an diesem Fall ist auch, dass er, meinem Eindruck nach, vor allem deshalb Aufmerksamkeit erhält, weil hier ein Hamdal Ballal einen Oskar gewonnen hat. Ansonsten hätte man sich dafür nicht (bzw. nur deutlich weniger) interessiert.



    Dass ein solches Vorgehen sicher nicht zu mehr Frieden führen wird - offenbar egal. Im Gegenteil, man möchte diese Zustände sogar noch intensivieren und verstärken und wundert sich dann, dass dies ein Nährboden für Hass, Gewalt und Terrorismus wird.



    Dass die Demokratie durch den Angriff auf die Gewaltenteilung bedroht ist, stimmt sicher, liegt aber auch daran, dass die israelische Bevölkerung genau diese Politiker:innen wählt bzw. immer wieder gewählt hat, sonst könnte es gar nicht so weit kommen.

  • Völkerrecht? Menschenrechte? UN Beschlüsse? Aber nicht doch für israelische Extrem-Rechte!! Mit solchem Firlefanz hält man sich nicht auf, zumal keinerlei Konsequenzen drohen, schon gar nicht aus den Ländern der "Westlichen Werte". Und Deutschland liefert Waffen...

  • Hat noch jemand Zweifel an der Politik Netanjahus? Wir reden von Genozid, Vertreibung und Einverleibung der palästinensischen Gebiete in das israelische Staatsgebiet.



    Ich hoffe das die "Freie Welt" wenigstens auf das reagiert und auch laut verurteilt was Hamdan Ballal vor einigen Nächten widerfahren ist.



    Das dies alles auch so gewollt ist sieht man am Verhalten des Militärs. Es lässt die Militanten Siedler gewähren und verhaftet und verschleppt das Opfer.



    Im Gaza Streifen zerstört man nun den letzten Rest Infrastruktur um den Menschen das Leben weiter zu zerstören. Eine von Netanjahus rechter Koalition neu eingeführte Behörde "Kümmert" sich nun um die Menschen die bereit sind aus dem Gaza Streifen "Ausreisen" wollen.

    Diese Meinung wendet sich weder gegen die Menschen Israels, noch gegen das Existenzrecht ihres Staates und es ist traurig genug das man das betonen muß.



    Das ist weder "Antizionistisch", noch "Antisemitistisch" noch "Antiisraelisch".

    • @Tom Lehner:

      Es ist kein Genozid bzw. Völkermord weil das Ziel Israels nicht die Ermordung von Palästinensern ist. Die Siedler begehen Landraub und im Gazastreifen ist das Ziel die Zerschlagung der Hamas. Bei aller Kritik die man an Art und Umfang haben kann, wird daraus dennoch kein Genozid. Leider veröffentlicht das vielzitierte Hamas-geführte Gesundheitsministerium keine Aufschlüsselung wie viele der angegebenen 50'000 Toten der Hamas angehört haben. In Israel sollten endlich wieder Wahlen stattfinden können.

      • @Klobrille:

        Am besten mal die 300 Seiten Amnesty International Report lesen, die den Völkermord darlegen.

      • @Klobrille:

        Zerstörte Infrastruktur weiterhin Bombardierung des Gazastreifens und "Nur" 50.000 Tote durch "Gezielte Militäraktionen". Keine Wasserleitung, kein Strom und ungesicherte und unzureichende Versorgung mit Gütern für das Überlegen. Beim letzten Bombardement während der "Waffenruhe" starben hunderte Menschen und das letzte einigermaßen intakte Krankenhaus war eines der Ziele.



        Wo ist für Sie die Grenze zum Genozid? Bei 100.000, bei 200.000 Menschen?



        Diese Regierung will den Gaza Streifen und alle anderen besetzten Gebiete OHNE die Palästinenser. Das ist offiziell kommunizierte Politik der Koalitionspartner von Netanjahu. Es ist sehr wohl ein Genozid. Wir wissen es alle.

      • @Klobrille:

        Die Völkermord-Konventionen beinhaltet mehr als nur Mord. Da gibt es auch Artikel drin, die nicht zwangsläufig mit dem Tod erfüllt werden: b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe. Und wenn ich gerade Berichte von internationalen Ärzten höre, die sich in Gaza befinden kombiniert mit der Tatsache, dass seit über drei Wochen alle Hilfslieferungen blockiert werden, dann kann man sich schon fragen ob das nicht Artikel c) "vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen", erfüllt.



        Im übrigen hat man bei Jugoslawien, als der Begriff ethnische Säuberung erstmal umfänglich benutzt wurde, auch festgehalten, das diese Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen können und sogar in den Bereich der Völkermord Konventionen fallen können: (S.16. ab Abs. 55) digitallibrary.un....?ln=en&v=pdf#files



        Das hat man deshalb gesagt, weil es eben nicht nur reine Vertreibungen waren, sondern sie einhergingen mit Mord, willkürliche Festnahmen, sexueller Gewalt, Folter, Zerstörung Privateigentums, Drohung,...

      • @Klobrille:

        Ob Genozid oder nicht entscheiden zum Glück nicht Sie.



        Die Anzeichen dafür und auch Aussagen von Israelis sind jedenfalls da.

  • Ein Volk das so sehr gelitten hat, wie kein anderes zuvor in der Geschichte, wird von Opfer zum Täter! Ich finde es ist richtig die Hamas zu bekämpfen, nachdem am 07.10.2023 die Hamas ein Massaker an der Israelischen Zivilbevölkerung angerichtet hat, da gibt es kein wenn und aber, nur wie weit geht die Selbstverteidigung und wann beginnt mordlüstende Rache! Ich bin mir sehr sicher das die Israelische Regierung die Saat dafür gesät hat, durch ihre militärische Intervention mit so vielen zivilen Opfern, genau das zu schüren was für Israel viel gefährlicher ist als die Hamas, der Hass auf Israel!

    Die Israelische Regierung erinnert mich an die USA in Vietnam mitten im Krieg, nachdem Motto, wir werden mehr von dem einsetzen was wir bis jetzt eingesetzt haben, und das würde uns ganz sicher zum Sieg führen ( wie verblendet, Ignorant, Skrupellos und dumm die israelische Regierung ist, kann man an den Siedlungsbau sehen ).

  • Nun soll mir aber auch mal die EU/ USA erklären, was Sanktionen gegen einzelne Siedler und ich glaube es waren drei Gruppen gegen diese Gewalt helfen?! Ben Gvir hatte vor laufenden Kameras Siedler und co. mit Waffen ausgestattet. www.nytimes.com/20...ons-west-bank.html



    Und die deutsche Regierung soll mir auch mal erklären wieso sie sich dagegen ausgesprochen hat, dass der ICC für die besetzten Gebiete zuständig ist, wenn es offensichtlich ist, dass Israel nichts gegen die Siedlergewalt unternimmt. Wie B´Tselem richtig sagt: Settler Violence = State Violence



    www.btselem.org/settler_violence



    Und das dieser Zusammenhang in der Politik ignoriert wird ist schändlich. Die israelische Regierung hat seit 1967 den Siedlungsbau immer wieder politisch aber auch finanziell unterstützt und damit ging auch immer die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung einher. Es sollte nicht die Aufgabe von ausländischen oder israelischen Zivilisten sein, die Palästinenser zu schützen. Gewalt/ Diskriminierung/ Belästigung der Menschen, Diebstahl und auch Tötung von Vieh, Zerstörung von Häusern, Zisternen und Olivenbäumen sind Alltag.