Angriff auf Ex-Muslim Amed Sherwan: Antisemitische Attacke auf Demo
In Flensburg wurde der säkulare Aktivist, Autor und Ex-Muslim Amed Sherwan auf einer Demonstration des Palästinensischen Vereins angegriffen.
Der Palästinensische Verein Flensburg (PVFL) hatte am Samstag zu einer Demonstration gegen die israelischen Angriffe auf den Gaza-Streifen und für einen palästinensischen Staat aufgerufen, zu der laut Polizeiangaben etwa 100 Personen auf den Willy-Brandt-Platz in der Flensburger Innenstadt kamen.
Auf der Kundgebung rief ein Redner zunächst zu besonnenem Protest auf und dazu, antisemitische Parolen zu meiden. Als der Angreifer Sherwan, der eine Israelflagge trug, von hinten zu Boden riss und ihn einen „scheiß Juden“ schimpfte, fixierte die Polizei zunächst beide Männer. Wenige Sekunden später wurde den Polizisten klar, dass von Sherwan keine Gewalt ausging, und sie ließen ihn gehen. Der Angreifer wurde abgeführt. Gegen ihn ermittelt nun die Polizei.
Sherwan, der zuvor auf der Gegendemonstration mit etwa 20 Menschen über seine Erfahrungen mit dem PVFL gesprochen hatte, berichtet auch von anderen Begegnungen mit dem Verein: Mitglieder des PVFL hätten ihn bereits 2019 auf einer Demonstration bedrängt und angegriffen, sagt er.
Amed Sherwan
In einem Video sieht man Sherwan am Palästinensischen Tag des Bodens ein Schild tragen, auf dem sich zwei Männer küssen. Darunter steht die Aufschrift „Make Love not War“. Die Demonstranten halten Sherwan fest, reißen an seinen Kleidern und reden auf ihn ein. Der sichtlich überforderte Sherwan versucht sich aus dieser Lage zu befreien. Die Polizei greift ein und löst die Situation auf.
„Ich kenne den islamistischen Antisemitismus sehr gut“, sagt Sherwan. Er habe als gläubiger Muslim selbst mit antisemitischen Ressentiments zu tun gehabt und sie auch geglaubt. Doch seit seiner Ankunft in Deutschland, dem Austausch mit jüdischen Mitmenschen und Gemeinden und der Auseinandersetzung mit dem Holocaust habe er seinen Blick auf Antisemitismus schärfen können, sagt er. „Die Feindbilder, mit denen ich aufgewachsen bin, werden ganz bewusst von Muslimbrüdern auf der Welt verbreitet“, kritisiert er. Die Hamas sei keine Widerstandsbewegung, sondern eine Terrororganisation.
Amed Sherwan kam 2014 als geflüchteter Atheist aus Erbil nach Flensburg. Mit 15 Jahren wurde der Kurde von seinem Vater wegen seines Unglaubens bei der Polizei angezeigt, woraufhin er zwei Wochen im Foltergefängnis in Erbil verbrachte. Im selben Alter hatte Sherwan mit einem Experiment herausgefunden, dass Allah – anders als gepredigt – niemanden bestraft, der den Koran anzündet und er fiel vom Glauben ab. Seit seiner Ankunft in Deutschland engagiert sich Sherwan bei der säkularen Flüchtlingshilfe. Vergangenen November erschien sein Buch „Allah sei Dank bin ich Atheist“ im Nautilus-Verlag.
Heute, sagt Sherwan, mache ihm der Palästinensische Verein in Flensburg das Leben zur Hölle. Er traue sich seit dem jüngsten Angriff kaum noch aus dem Haus, aus Angst davor, dass er erkannt werde, sagt er.
Der PVFL findet zwar deutliche Worte: „Der Palästinensische Verein Flensburg e. V. (PVFL) verurteilt antisemitisches Verhalten und Parolen in allen möglichen Formaten“, sagt der Vereinssprecher Abed al Rahma Ghazal. Die Person, die Sherwan angriff, sei dem Verein aber nicht bekannt.
Was sagt die Oberbürgermeisterin?
Ghazal verweist darauf, dass es sich um eine öffentliche Demonstration gehandelt habe, zu der jede*r kommen durfte. In der Stellungnahme bezeichnet Ghazal, der 2019 nach Deutschland gekommen ist, Sherwan dennoch als einen „Provokateur“. Fragen der taz, etwa wie der Verein gegen Antisemitismus in den eigenen Reihen vorgeht, lässt der PVFL unbeantwortet.
In seinem Video zu dem Zwischenfall am vergangenen Samstag macht Amed Sherwan auch der Stadt Flensburg den Vorwurf, dass sich Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) bisher noch nicht zu dem Vorfall positioniert habe.
Der taz teilt Lange auf Anfrage mit: „Antisemitismus hat in Flensburg keinen Platz und ich lehne ihn entschieden ab.“ Sie stehe sowohl mit den jüdischen als auch mit muslimischen Gemeinden in engem und vertrauensvollem Kontakt. „In unserer Stadt leben die Menschen der verschiedenen Religionen tolerant und rücksichtsvoll zusammen“, behauptet Lange.
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