Angela Davis zu Besuch in Berlin: Oranienplatz als „Zentrum der Welt“
Vor 10 Jahren begann die Besetzung der Kreuzberger Platzes durch die Flüchtlingsbewegung. Zum Jubiläum kommt US-Bürgerrechtsikone Angela Davis vorbei.
„Ihr seid wegen Angela Davis hier“, raunzt Napuli Langa, eine der führenden O-Platz-Aktivist*innen von einst, „die Medien“ an. Journalisten würden sich doch gar nicht für die Situation von Geflüchteten interessieren, schimpft sie. Davis hingegen, die Schwarze Aktivistin und Bürgerrechtsikone aus den USA, sei wegen der Geflüchteten gekommen. „Warum seid ihr nicht wie sie?“, ruft sie donnernd, begleitet vom Applaus der aktivistischen Mehrheit im Zelt.
Gewiss war genau dies ein Zweck der Einladung von Davis: mediale Aufmerksamkeit generieren für die Anliegen der Flüchtlingsbewegung. Die sind weiter unerfüllt und so dieselben wie damals: keine Abschiebungen, keine „Lager“ (Flüchtlingsheime), dafür Arbeitsmöglichkeiten. Im Wesentlichen, da sind sich Davis und die Aktivist*innen vom Oranienplatz einig, hat sich die Lage von Geflüchteten in Deutschland und anderswo sowie von Schwarzen Menschen nicht verbessert. „In gewisser Weise“, sagt Davis, „ist der Oranienplatz das Zentrum der Welt, denn Rassismus ist ein globales Problem.“
Der erste Teil des Satzes mag manchem übertrieben klingen. Doch illustriert er gut, warum die Veranstalterinnen vom International Women Space Davis wohl auch eingeladen haben: Weil sie es vermag, die Kämpfe von Schwarzen, Frauen, „trans und queeren Menschen“, wie sie sagt, und anderen zu verbinden – zu einem globalen Kampf gegen den „racial capitalism“. Davis schafft es zudem, der gebannt lauschenden Zuhörerschaft – darunter sind auch viele junge Menschen –, Mut zu machen.
Freiheit ist ein permanenter Kampf
Man dürfe nicht aufgeben, sagt sie – auch wenn sie selbst manches Mal in ihrem langen Leben schon geglaubt habe, dass nichts besser werde. „Freedom is a constant struggle“, zitiert die 78-Jährige ihren eigenen Buchtitel. Immerhin werde man klüger im Verlauf der Kämpfe: So habe sie etwa gelernt, dass es nicht allein um die Freiheit Schwarzer Männer gehe sondern auch um die Schwarzer Frauen, Schwarzer trans Frauen und andere marginalisierter Menschen. So veränderten die Kämpfe das „Terrain“.
Und manches brauche einfach seine Zeit: „Manchmal ist Wiederholung notwendig, auch wenn dies Generationen dauert“, so Davis. Das habe sie nach der Ermordung des Schwarzen George Floyd verstanden, als mehr weiße Menschen auf die Straßen gegangen seien als je zuvor. Weil ihnen endlich ein Licht aufgegangen sei, dass Rassismus strukturell bedingt sei.
Befeuert von Davis’ Strahlkraft geben auch die Oranienplatz-Leute der „jungen Generation“ Ratschläge: „Werdet laut, geht auf die Straße“, sagt Adam Baher, einer der früheren Anführer. Sonst werde man nicht gehört von Politikern und „denen, die Privilegien haben“.
P.S. Wer Angela Davis selbst hören will, muss sich beeilen. Um 18 Uhr soll sie am Donnerstag, 6.10., erneut auf dem Oranienplatz auftreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja