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Angebliche MajestätsbeleidigungThailands Militär geht gegen US-Politologen vor

Ein amerikanischer Dozent, der mit einer Thailänderin verheiratet ist und beim Militär aneckte, soll nach 32 Jahre plötzlich das Königreich verlassen.

Der thailändische König Maha Vajiralongkorn: Für Majestätsbeleidigung drohen 3 bis 15 Jahre Haft Foto: Peerapon Boonyakiat/imago

Berlin taz | Der in Thailand lehrende US-amerikanische Politikwissenschaftler Paul Chambers ist wegen angeblicher Majestätsbeleidigung in das Fadenkreuz der dortigen Behörden gelangt. Am Dienstag hatte ein thailändisches Provinzgericht zunächst Untersuchungshaft gegen den Dozenten angeordnet. Eine Freilassung auf Kaution wurde abgelehnt, weil bei einem Ausländer Fluchtgefahr bestehe. Dies berichtete Chambers’ Anwalt von der Organisation Thai Lawyers for Human Rights (TLHR), der Berufung einlegte.

Am Mittwoch wurde Chambers doch Haftverschonung gewährt, doch wurde ihm laut Bangkok Post das Visum entzogen. Den 58-jährigen Dozenten der Naresuan-Universität in der nordthailändischen Stadt Phitsanulok hatte die Region 3 der Armee wegen Majestätsbeleidigung und des Verstoßes gegen das Gesetz zur Computerkriminalität angezeigt. Unter Letzteres fallen auch Onlinetexte.

Corpus Delicti soll ein Text sein, mit dem zu einem Thailand-Webinar im Oktober 2024 am regierungsnahen ISEAS-Institut in Singapur eingeladen worden war. Chambers war einer der Referenten und ist an dem Institut dort auch Gastdozent. Ihm wurde jetzt vorgeworfen, Thailands nationale Sicherheit gefährdet zu haben, in dem er falsche und verfälschte Informationen verbreitet habe. Chambers bestreitet, Autor des Textes gewesen zu sein.

Der aus Oklahoma stammende Politologe lebt schon seit 32 Jahren in dem südostasiatischen Königreich, wo er mit der thailändischen Dekanin der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Naresuan-Universität verheiratet ist. Er ist spezialisiert auf zivil-militärische Beziehungen in Thailands Politik. Er wird mit den Grenzen der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit in dem südostasiatischen Königreich vertraut sein, könnte aber dem dortigen Militär schon länger ein Dorn im Auge sein.

Missbrauch des Gesetzes zur Majestätsbeleidigung

Der Paragraf 112 des thailändischen Strafgesetzbuches gilt als das weltweit strikteste Gesetz zur Majestätsbeleidigung. Es schützt die Königsfamilie und die Monarchie vor jeglicher Kritik. Der Paragraf ist umstritten, weil er von rechten Kreisen und dem Militär, das seit 1932 13 Mal und zuletzt 2014 geputscht hat, immer wieder missbraucht wird, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

Der Dozent Paul Chambers vor der Polizeiwache im thailändische Phitsanulok, wo er am Dienstag in Untersuchungshaft genommen wurde Foto: ap

Schon Kritik an dem Gesetz kann hart betraft werden. Chambers drohen bei einem Schuldspruch 3 bis 15 Jahre Haft für Majestätsbeleidigung und weitere 5 Jahre für Verletzung des Gesetzes gegen Computerkriminalität.

„Die Vereinigten Staaten sind alarmiert“, erklärte das US-Außenministerium in Washington nach der Festnahme von Chambers. „Wir drängen weiterhin die thailändischen Behörden, die Meinungsfreiheit zu respektieren und dafür zu sorgen, dass Gesetze nicht genutzt werden, um erlaubte Meinungen zu unterdrücken.“

Der bekannte thailändische Journalist, Pravit Rojanaphruk, bezweifelte auf X, dass die US-Regierung mit ihrer Erklärung Chambers helfe. Seiner Einschätzung nach könnte es sich Thailands Regierung aus Gründen der Gesichtswahrung nicht leisten, diplomatischem Druck nachzugeben. Doch dürfte umgekehrt auch gelten, dass Thailand mit der Anklage eines Ausländers mehr negative Aufmerksamkeit erregt.

Menschenrechtler: Visaentzug ist „Einschücherung“

Chanatip Tatiyakaroonwong von Amnesty International Thailand bezeichnet Chambers Visaentzug als „Einschüchterung“, weil er jetzt Thailand verlassen müsse: „Das zeigt allen ausländischen Journalisten und Akademikern, die in Thailand arbeiten, dass Äußerungen über die Monarchie Konsequenzen haben können.“

Die Reform des Paragrafen 112 gehörte im Jahr 2020 zu den zentralen Forderungen einer studentischen Protestbewegung. Dies hatten auch progressive Parteien gefordert, waren aber von der Justiz ebenso kaltgestellt wie die Proteste unterdrückt worden.

Laut TLHR wurden seit 2020 277 Personen wegen Majestätsbeleidigung angeklagt. Anklagen gegen Ausländer sind dabei allerdings selten. Im Januar 2024 erhielt ein Thailänder eine 50-jährige Haftstrafe, 2021 wurde eine Frau zu 43 Jahren Gefängnis verurteilt.

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5 Kommentare

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  • Einfach Republik einführen (Problem solved)

  • Ds sind ja richtig diakonische Strafen für Majestätsbeleidigung.

    Ist schon krass.

  • Lebt der Monarch nicht meistens in Garmisch-Partenkirchen und hat extra das Gesetz ändern lassen um von dort regieren zu können. Wenn er wirklich Macht hat und nicht nur eine Marionette der Militärs ist, könnte man ja vielleicht auch generell im Interesse der Menschenrechte von Deutschland aus diplomatisch tätig werden.

    • @Axel Schäfer:

      Das war in meiner Erinnerung schon mal . Seine Majestät soll von Garmisch aus Todesurteile unterzeichnet bzw. Gnadengesuche abgelehnt haben. Der damalige Außenminister hat ihn deswegen darauf hingewiesen, dass die Todesstrafe in Deutschland nicht erlaubt ist und er deshalb von deutschem Staatsgebiet aus Todesurteile bzw. die Vollstreckung von Todesurteilen nicht be/- oder erwirken darf. - Im Verhältnis von Monarch und Militär spielt Aggressivität immer ein Rolle, die Gleichgewichte verschieben sich zwar im Lauf der Zeit , das Prinzip bleibt aber. Ich würde Thailand als absolute Monarchie sehen. Absolute Monarchien können aufklärerisch sein, das würde ich aber nicht sehen.