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Angeblich Bilanzbetrug beim Dax-Konzern1,9 Milliarden futsch bei Wirecard

Chaos beim Online-Zahlungsabwickler Wirecard: Der Vorstand sieht sich als Opfer in einem Betrugsfall „erheblichen Ausmaßes“. Die Aktie stürzt ab.

Vor Corona war noch vieles in Ordnung bei Wirecard Foto: Peter Kneffel/dpa

Frankfurt rtr/dpa | Der Zahlungsabwickler Wirecard sieht sich im Zusammenhang mit den milliardenschweren Bilanzunklarheiten als mögliches Betrugsopfer. „Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Wirecard AG in einem Betrugsfall erheblichen Ausmaßes zum Geschädigten geworden ist“, sagte Vorstandschef Markus Braun in einem Video, das in der Nacht zu Freitag online gestellt wurde.

Wirecard wickelt bargeldlose Zahlungen für Händler ab, sowohl an Ladenkassen als auch online. Das Unternehmen ist seit über einem Jahr in Bedrängnis, seit die Londoner Financial Times dem Management in einer Serie von Artikeln Bilanzmanipulationen vorwarf.

Es sei aktuell unklar, warum zwei Banken, die im Auftrag von Wirecard Treuhandkonten verwaltet hätten, dem Wirtschaftsprüfer EY gegenüber erklärt hätten, Bestätigungen über dort angelegte Milliardensummen seien gefälscht. Die Aktien verloren im vorbörslichen Handel erneut fast 10 Prozent, nachdem sie am Donnerstag um rund 65 Prozent eingebrochen waren.

Wirecard hatte am Donnerstag die Veröffentlichung des lange erwarteten Jahresabschlusses 2019 zum vierten Mal verschoben mit der Begründung, dass der Abschlussprüfer EY keine Hinweise auf die Existenz von Guthaben über 1,9 Milliarden Euro gefunden hat. Der Betrag entspricht rund einem Viertel der Bilanzsumme.

Personelle Konsequenzen gezogen

Erste personelle Konsequenzen wurden bereits gezogen – der für das operative Geschäft zuständige Vorstand Jan Marsalek, ein enger Vertrauter von Firmenchef Braun, wurde mit sofortiger Wirkung freigestellt. Einem Insider zufolge ist nicht auszuschließen, dass weitere Personen den Konzern verlassen müssen. Die Fondsgesellschaft Deka fordert schon seit längerem den Abgang von Braun.

Durch den fehlenden Jahresabschluss 2019 können Banken Wirecard zufolge am heutigen Freitag Kredite fällig stellen in Höhe von rund 2 Milliarden Euro. Wann Wirecard nun seinen eigentlich für April angekündigten Jahresabschluss 2019 vorlegt, ist unklar. Der Zahlungsdienstleister steht schon seit einigen Monaten im Fokus von Vorwürfen der Bilanzfälschung.

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4 Kommentare

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  • Ich glaube nicht, dass es das Geld jemals gegeben hat. Schon mal versucht Geld auf eine Konto zu überweisen, das es nicht gibt? Außerdem würde ich so ein Konto doch irgendwie verifizieren.

    Vorgang: Zwei Treuhandkonten ganz weit weg, Treuhänder soll geprüft werden, kündigt und verweigert die Zusammenarbeit(!). Ich setze als neuen Treuhänder einen unerfahrenen Anwalt des Familienrechts ein(!). Die Prüfungsgesellschaft gibt meine Bilanz nicht frei. Ein zweite Gesellschaft prüft ein halbes Jahr später (!) die Bilanz und bekommt gefälschte Belege vorgelegt(!). Echt jetzt?! Ich schicke da nicht meinen besten Mitarbeiter unverzüglich hin um das zu prüfen, lohnt nicht bei 1,9Mrd?



    Wer profitiert denn von dem Ganzen? A: Der große Unbekannte, der einfach so 1,9 Mrd. abzweigt?



    B: Der CEO der mit Scheingeschäften den Kurswert des Unternehmens steigert, an dem er Anteile besitzt? Der den Gewinn steigert, weil das Unternehmen wegen dem Treuhandkonto günstige Darlehen bekommt?

  • Meiner Meinung nach hat es das Geld nie gegeben. Schon mal versucht Geld auf ein nicht existierendes Konto zu überweisen? Bei 1.9Mrd. € wird das Konto nicht verifiziert?



    Szenario: Treuhandkonten in den Phillipinen, Treuhändet soll geprüft werden, kündigt und verweigert jede Zusammenarbeit. Dann nehme ich einen Junganwalt für Familienrecht und setze den ein. Warte ein halbes Jahr und beauftragte eine neue Prüfungsgesellschaft und speise die mit gefälschten Belegen ab. Echt jetzt?



    Ich würde schon bei geringeren Summen meinen besten Mitarbeiter hinschicken und das aufklären.



    Es sei denn der Verdacht auf Bilanzbetrug stimmt.



    Annahme: Ich pushe meine Umsätze in Asien, meinem Börsenkurs und damit mein Aktienportfolio. Mit dem angeblichen Geld auf Treuhandkonto bin ich kreditwürdig und bekomme einen guten Zinssatz. Fliege ich auf, bin ich betrogen worden. Böse.

  • Also eigenartig ist das schon, da liegt ein Viertel der Bilanzsumme als Liquidität auf einem Bankkonto rum! Ich weiß nicht, wie das bei einem Zahlungsdienstleister ist, in einem normalen Industriebetrieb wäre das wahrscheinlich nicht nur dem Vorstand, sondern auch dem kaufmännischen Azubi im Rechnungswesen bei einem intensiven Blick auf die Bilanz innerhalb kürzester Zeit aufgefallen!



    Eine solche Sache kann nur mit Deckung von oben, wenn nicht sogar mit der des Aufsichtsrates, funktionieren. Vielleicht sollte man sich mal genauer die Biographien der dortigen Unternehmenslenker ansehen.



    Würde mich mal interessieren, welche Argumente man im Unternehmen angeführt hat, dass man 1/4 der Bilanzsumme auf einem Treuhandkonto parken müsste.



    Am meisten aber: cui bono?



    Wäre schön, darüber hier was zu lesen.

  • "Erste personelle Konsequenzen wurden bereits gezogen ... mit sofortiger Wirkung freigestellt. "



    Ist ja geil - Verbrechen lohnt sich immer mehr.



    Und Ehrlichkeit währt nimmer mehr.