Bilanzskandal bei Dax-Konzern: Auweiacard am Abgrund
Der Zahlungsdienstleister Wirecard gibt zu, dass 1,9 Milliarden Euro nicht existieren. Die Aufsichtsbehörde spricht von einem „kompletten Desaster“.
Berlin taz | Bei Twitter spotten sie schon über „Auweiacard“. In der Nacht zum Montag hat der Zahlungsdienstleister Wirecard zugegeben, dass es wirklich mitten in einem Bilanzskandal steckt. 1,9 Milliarden Euro, die das Unternehmen auf Treuhänderkonten verbucht hatte, existierten mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ nicht, räumte der Dax-Konzern ein.
Das Unternehmen untersuche, „ob, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang dieses Geschäft tatsächlich zugunsten der Gesellschaft geführt wurde“. Der Konzern mit 5.000 Mitarbeitern taumelt: Er muss nun nachträglich die Bilanzen der vergangenen Jahre prüfen.
Die Agentur Moody’s entzog Wirecard am Montag das für Bankgeschäfte wichtige Rating komplett. Zudem denken einigen Banken offenbar darüber nach, Wirecard Kredite zu kündigen. Die Aktie büßte bis zum Montagnachmittag erneut ein Drittel ihres Werts ein. Bereits am Freitag war Vorstandschef Markus Braun zurückgetreten.
Bemerkenswert auch die Rolle der Aufsichtsbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin): „Das ist ein komplettes Desaster, das wir da sehen, und es ist eine Schande, dass so etwas passiert ist“, sagte Bafin-Präsident Felix Hufeld am Montag. „Wir befinden uns mitten in der entsetzlichsten Situation, in der ich jemals einen Dax-Konzern gesehen habe“, so Hufeld.
Wirecard lange in Schutz genommen
Die Kritik an der Rolle der Kontrolleure – inklusive der Bafin – nehme er voll an. „Wir sind nicht effektiv genug gewesen, um zu verhindern, dass so etwas passiert“, räumte Hufeld ein. Allerdings: Die Bafin sei nur für die Aufsicht über die Tochter Wirecard Bank zuständig, nicht für die gesamte Wirecard AG, die Zahlungen abwickelt, sagte Hufeld.
Die Bafin hatte Wirecard lange in Schutz genommen, nachdem die Financial Times Anfang vergangenen Jahres erstmals über Ungereimtheiten bei der Firma berichtet hatte. So zeigte die Behörde im April 2019 rund ein Dutzend Personen an, da Wirecard Opfer einer gezielten Attacke von Börsenspekulanten geworden sei. Damals ermittelte die Münchner Staatsanwälte bereits, ob der Aktienkurs von Wirecard bewusst beeinflusst wurde. Nun dürfte demnächst der Vorwurf der Bilanzfälschung hinzukommen.
Leser*innenkommentare
Usch Bert
die BaFin ist nun mal ein zahlloser Tiger.
denkmalmeckermalmensch
Man darf angesichts dieses Skandals erwarten, dass auch bei der Bankenaufsicht ein paar Nadelstreifenanzüge und -kostüme ersetzt werden müssen, denn eine derart riskante Betrügermasche sollte FinanzkontrolleurInnen schon auffallen, bevor der Kahn absäuft. Offensichtlich bewegten sich KontrolleurInnen bei Wirecard (und demnächst werden sicherlich weitere Beispiele folgen) in ebenso fantasievoll vernebelten Zahlengemälden wie die sogenannten "Verantwortlichen", die sich auf gefälschte Zertifikate usw. verlassen haben...
Thomas Schöffel
Hochstapelei und Bilanzbetrug. Das Kartenhaus fällt wie ein Kartenhaus zusammen.
adagiobarber
es muss nicht sein...
doch ich glaube wirecard ist eine große selbstinszenierung.
und nun ist das kartenhaus gefloppt.