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Anfrage der Linkspartei zu StromsperrenNetzbetreiber stellten mehr als 200.000 Mal den Strom ab

Immer wieder können Haushalte ihre Energierechnung nicht bezahlen. Zuletzt wurde zwar etwas seltener der Strom abgedreht – aber häufiger das Gas.

Die sächsische Linken-Bundestagsabgeordnete Caren Lay fordert ein Verbot von Strom- und Gassperren Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin dpa/taz | Die Wohnung bleibt dunkel und der Herd meist kalt: Mehr als 200.000 Mal wurde Haushalten wegen offener Rechnungen im vergangenen Jahr der Strom abgestellt. Das geht aus der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Auch die Gasversorgung wurde im Jahr 2023 mehr als 28.000 Mal gekappt.

Die hohen Strom- und Gaspreise seien für viele Menschen eine enorme Belastung, kritisierte die für Wohnen zuständige Linkspartei-Abgeordnete Caren Lay. „Erst kürzlich wurde bekannt, dass jeder zwölfte Haushalt in Deutschland die Wohnung nicht angemessen heizen kann“, sagte sie.

Immer mehr Menschen müssten sich zwischen einer warmen Wohnung und einem vollen Bauch entscheiden, kritisierte Lay. „Dies ist in einem der reichsten Länder der Welt nicht weniger als ein Skandal.“ Die Linke fordert ein Verbot von Strom- und Gassperren.

Die Netzbetreiber meldeten für das Jahr 2023 den Daten zufolge 204.441 Stromsperren – das sind etwa 4.000 weniger als im Vorjahr. Zugleich stieg jedoch die Zahl der gemeldeten Gassperren von 22.987 im Jahr 2022 auf 28.059 im Jahr 2023.

Jede dritte Stromsperre betrifft einen Haushalt in Nordrhein-Westfalen. Das bevölkerungsreichste Bundesland gehört mit Baden-Württemberg auch zu den einzigen Ländern, in denen zuletzt häufiger Stromsperren verhängt wurden. Deutlich seltener als im Vorjahr wurde dagegen in Berlin, Brandenburg, Bremen und Hamburg der Strom abgestellt.

Linke startet Heizkostenaktion

Als ein weiteres Problem hat die Linkspartei überhöhte Heizkostenabrechnungen ausgemacht. Deswegen bietet sie jetzt Mie­te­r:in­nen eine Überprüfung ihrer Heizkostenabrechnung an. Stichproben hätten ergeben, dass jede fünfte Abrechnung von Nebenkosten falsch sei, sagte Parteichef Jan van Aken der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist nicht in Ordnung und dagegen werden wir jetzt was tun.“ Dafür habe die Linke eine eigene Webseite namens „heizkostencheck.app“ aufgesetzt.

Die Gesetzeslage sei klar: „Wenn die Heizkosten falsch abgerechnet werden, haben die Mieterinnen und Mieter pauschal Anrecht auf Rückerstattung von 15 Prozent der Kosten für Heizung und Warmwasser“, sagte van Aken. Angesichts der Zahlen sei nach einer Überprüfung die Chance hoch, dass Menschen etwas zurückbekämen.

Mie­te­r:in­nen könnten auf der Webseite freiwillig ihre Daten eingeben. „Unsere Experten werten das aus, und dann gibt es Standard-Briefe, mit denen man sein Geld zurückfordern kann“, sagte van Aken. Dafür hat die Partei ein Team von 15 Leuten zusammengestellt, die bis zu 2000 Eingaben pro Woche prüfen könnten. „Wir wollen damit möglichst vielen Menschen praktisch helfen, die unter zu hohen Kosten leiden.“ Die Heizkosten-Aktion läuft unter dem Titel „Wir kümmern uns“.

Initiative gegen überhöhte Mieten

Die Linke, die mit Umfragewerten von etwa drei Prozent um den Wiedereinzug in den Bundestag kämpft, hat im Wahlkampf die Wohnkosten als zentrales Thema ausgewählt. So bietet sie bereits seit einigen Wochen eine „Mietwucher-Check“-App an, die mit einem Kostenvergleich für inzwischen sieben Städte (Berlin, Dortmund, Erfurt, Freiburg, Hamburg, Leipzig und München) überhöhte Mieten identifizieren soll.

Wer einige Angaben zu Wohnort, Miethöhe, Baujahr des Hauses und Ausstattung macht, kann mit ein paar Klicks in der App herausfinden, ob die Miete womöglich überhöht ist. Bei Verdacht auf Überhöhung kann man auf Wunsch eine Meldung an das zuständige Wohnungsamt abschicken. Das Amt ermittelt dann, die Mie­te­r:in­nen müssen nicht selbst die Konfrontation suchen.

Eine erste Bilanz kann sich sehen lassen. Laut Angaben der Linkspartei haben rund 20.000 Menschen den „Mietwucher“-Rechner bislang benutzt. Etwa 1.000 Meldungen wurden an die zuständigen Wohnungsämter geschickt.

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2 Kommentare

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  • Die Linkspartei hat es in ihrer Anfrage leider verschlafen, zwischen Privat und Gewerbe zu unterscheiden. Und im Text wird daraus munter ein "X Haushalte" gemacht.



    Leider habe ich keine Aufstellung zu den unterschiedlichen Anschlussverträgen gefunden. Will jedoch sagen, dass in der Summe der 200.000 Stromsperren es noch andere Szenarien wie Wohnungsbesitzer und -mieter gibt.

  • Ohne Strom und/oder Gas kann wirklich existenziell sein.



    Aber auch Versorger oder Vermieter sollen ja darauf nicht sitzenbleiben.



    Manchmal ist jemand auch nur überfordert und braucht dringend Beratung oder Hilfe. Ohne Sperre geht es nicht. Der Bäcker hört auch irgendwann auf, anzuschreiben.



    Daher das auf der sozialen Ebene lösen. Das Geld nicht mehr an die Autoindustrie-Erben schieben, sondern Grundversorgung sicherstellen und Menschen wieder respektvoll anstupsen, falls zielführend.