Anerkennung Palästinas als Staat: Europa soll helfen
Eine Petition prominenter Israelis fordert eine staatliche Anerkennung Palästinas. Am Mittwoch stimmt das Europaparlament darüber ab.
TEL AVIV taz | Mehr als 900 israelische Intellektuelle haben die Europäische Union aufgefordert, Palästina als eigenen Staat anzuerkennen. Mit einem Brief und einer Petition richten sie sich an die Abgeordneten im Europäischen Parlament, die am morgigen Mittwoch eine entsprechende Resolution verabschieden wollen. Unter den Unterzeichnern sind ehemalige israelische Politiker, Armeeoffiziere, Hochschuldozenten, Popsternchen und Intellektuelle wie die Schriftsteller Amos Oz und David Grossmann.
„Wir, Bürger von Israel“, steht in dem Brief, „die sich ein sicheres und blühendes Israel wünschen, sind beunruhigt von dem Stillstand, der Besatzung und den Siedlungen, die zu weiteren Konfrontationen mit den Palästinensern führen und die Chancen auf einen Kompromiss torpedieren.“ Weiter geht es: „Es ist klar, dass die Sicherheit und Existenz Israels an der Existenz eines palästinensischen Staates hängt. Israel sollte den Staat Palästina anerkennen und Palästina den Staat Israels, basierend auf den Grenzen von 1967.“
Initiator der Petition ist der ehemalige Diplomat und Exgeneraldirektor des israelischen Außenministeriums, Alon Liel. Liel wirbt seit Monaten in israelischen und internationalen Zeitungen für die Anerkennung Palästinas. Die Idee zu der Petition kam ihm nach eigenen Angaben, kurz bevor das britische Unterhaus Mitte Oktober abstimmte. Damals hätten Labour-Abgeordnete ihn um Unterstützung gebeten, weil sie fürchteten, an den Gegenstimmen der Konservativen zu scheitern.
Druck aus Europa
Liel setzte einen Brief auf und trug mehr als 300 Unterschriften zusammen. Im britischen Unterhaus stimmten schließlich 274 Abgeordnete für und zwölf gegen die Anerkennung. Liel schickte den Brief in den folgenden Wochen auch an die dänischen und irischen Abgeordneten, die ebenfalls abstimmten. In den vergangenen Monaten haben sich bereits die nationalen Parlamente in Schweden, Frankreich, Spanien und Portugal für die Anerkennung ausgesprochen. Nur Schweden hat die Anerkennung auch tatsächlich vollzogen.
In Israel selbst sorgt der Brief für Aufregung. Der Abgeordnete Yoni Chetboun, der bis Sonntag in der nationalreligiösen Partei Bayit Yehudi war, derzeit aber parteilos ist, bezeichnet den Brief als „Peinlichkeit“. Die Unterzeichner seien eine „elitäre Minderheit“, die den Kontakt zur israelischen Gesellschaft verloren habe. Transportminister Tzipi Hotovely (Likud) sagte, die israelische Linke würde mit der Petition das Bild Israels in der Welt beschädigen. Premierminister Benjamin Netanjahu bezeichnete die Aktion als unverantwortlich. Sie diene nicht dem Frieden und verhärte die palästinensische Position. Israel mische sich auch nicht ein, wenn einzelne Regionen zum Beispiel in Frankreich oder Spanien unabhängig sein wollten, so Premierminister Netanjahu.
In den israelischen Medien ist die EU-Debatte bisher nur am Rande ein Thema. Das könnte daran liegen, dass die Wirkung der EU-Entscheidung als zu gering eingeschätzt wird. Es wäre eine symbolische Geste ohne Kraft, schreibt zum Beispiel das linksliberale Onlinemagazin 972-Mag, zumindest solange die USA sich nicht für eine Anerkennung Palästinas entscheiden.
Alon Liel hat auf diese Kritik eine einfache Antwort: Im Fall der Apartheid in Südafrika sei der Druck auch zuerst von Europa ausgegangen. Wenige Wochen später hätten sich die USA angeschlossen. Liel hofft mit seiner Petition auf einen ähnlichen Effekt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt