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Andrej Holm trifft Stadt-InitiativenWieder zu Hause

Nach seinem Rückzug als Staatssekretär traf sich der Gentrifizierungsgegner mit Aktivisten. Gemeinsam wollen sie die Politik vor sich hertreiben.

Hochgekrempelte Ärmel, bereit für außerparlamentarische Arbeit: Andrej Holm Foto: dpa

Berlin taz | Andrej Holm ist wieder zu Hause. „Atmosphärisch gefällt es mir hier besser als in der Politik“, so der von seinem Amt als Staatssekretär für Wohnen zurückgetretene Soziologe am Montagabend bei einem Treffen mit stadtpolitisch Aktiven und Interessierten.

200 von ihnen waren auf seine Einladung in das Industrieatelier ExRotaprint in Berlin-Wedding gekommen – und erlebten einen gelösten Holm. Getragen von der Unterstützung der Anwesenden entledigte er sich geradezu der Last der vergangenen Wochen, der Kontroversen um seine Stasi-Vergangenheit und seines Umgangs damit.

Holm erklärte die Motive für seinen Rückzug. Nachdem der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Samstag seine Entlassung gefordert hatte, habe er lange mit Mitstreitern der Stadt-Initiativen beraten und schließlich die Reißleine gezogen. „Am Dienstag hätte es eine Kampfabstimmung des Senats gegeben, dann wäre die Koalition zerbrochen“, so Holm.

Die Last, für das Scheitern des rot-rot-grünen Bündnisses verantwortlich zu sein, wollte er nicht auf sich nehmen. „Alles, was dann kommt, ist schlimmer als das, was wir haben“, so Holm, der sich zugleich bei der Linkspartei dafür bedankte, dass sie zu ihm gehalten habe. In der hintersten Ecke des Raumes hörten die Linken-Fraktionsvorsitzenden Carola Bluhm und Udo Wolf sowie Landeschefin Katina Schubert aufmerksam zu.

Wieder Aktivist

Auch wenn Holm womöglich auch zukünftig Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher beraten wird, der Sprung zurück auf die andere Seite fiel ihm nicht schwer. Die Koalition sei derzeit „nicht in so einem Zustand, dass wir uns auf sie verlassen können“, sagte er und forderte die Anwesenden auf, die Politik vor sich „herzutreiben“.

Vorerst aber bleiben konkrete Initiativen aus, nach einer Stunde wurde das Treffen beendet, viele zogen weiter zum Maxim-Gorki-Theater, um dort gegen einen Auftritt von Michael Müller zu demonstrieren.

Auf die Frage der taz, ob ein Nachfolger auf Grundlage des Koalitionsvertrages seine politischen Vorstellungen nicht ebenso gut umsetzen könnte, antworte Holm. „Das ist zu hoffen.“ Er betonte jedoch seine Verankerung in den Initiativen, mit denen er all seine Schritte abgesprochen, die er als Basis für sein Mandat angesehen habe. Deren Enttäuschung über die Koalition sei nun groß. „Ob dieses Wechselspiel in Zukunft klappt, muss die Praxis zeigen“, so Holm.

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13 Kommentare

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  • Lobbyismus ist nicht demokratisch und auch nicht gerecht. Er bezieht einseitig Position zu lasten der anderen.

     

    Holm hätte dem Amt sicher eher geschadet als er den Menschen in der Stadt genutzt. Auch ein Staatssekretär muss am Ende des Tages die verschiedenen Interessen ausgleichen können. Ob Holm das gelungen wäre, ist in Zweifel zu ziehen.

  • Das ist jetzt nicht wahr oder? Die DIE LINKE hätte die Koalition platzen lassen wegen der Verteidigung einer Stasi-Vita? Wo haben die denn bitte schön ihre Prioritäten!!??

  • "Mieter_innen und Arbeiter_innen müssen weiter an ihren eigenen Aktionsformen gegenüber dem Kapital arbeiten"

    Ihnen ist schon klar, daß das, von Ihnen so bezeichnete, Kapital sehr häufig aus Retnern, Kleinanlegern etc besteht, welches ihren mühsam angesparten Spargroschen in einer Immobilie (Wohnung, kleines Mehrfamilienhaus) anlegen um für Ihre Altersvorsorgung zu sorgen...

    dämliche Kampfbegriffe aus Antifaworkshops sind verfehlt und substanzlose Worthülsen.

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @Thomas März:

      Das wird schwierig in Berlin mit einem Spargroschen noch eine Immobilie zu erwerben. Kleinanleger werden auch nicht dadurch benachteiligt, wenn sozialer Wohnungsbau, wie bspw. in Wien, gefördert wird. Sie machen hier eine Front auf, wo keine ist. Absicht?

    • 3G
      3641 (Profil gelöscht)
      @Thomas März:

      Diejenien, die ihren mühsam angesparten Spargroschen in einer Immobilie angelegt haben, wohnen in ihrer Wohnung oder ihrem Haus. Die anderen sind das "Kapital"... natürlich!

  • "Er betonte jedoch seine Verankerung in den Initiativen, mit denen er all seine Schritte abgesprochen, die er als Basis für sein Mandat angesehen habe. Deren Enttäuschung über die Koalition sei nun groß. „Ob dieses Wechselspiel in Zukunft klappt, muss die Praxis zeigen“, so Holm."

     

    Das finde ich schwierig, dass lässt mich vermuten, dass einige Initiativen jetzt darauf gesetzt haben nur noch Lobbyarbeit zu machen und mit der PdL zu klüngeln.

    Sowas passiert historisch immer wieder und dann meinst leider zu einer Schwächung.

     

    Es ist wichtig zu erkennen, dass die Regeln und Logiken der institutionellen Politik und von "Bewegungen" sehr andere sind. Nur wenn man das anerkennt, können überhaupt Widersprüche entstehen. Alles andere führt eher dazu, dass sich außerparlamentarische Akteure den Kopf für die institutionellen Akteure zerbrechen.

     

    Institutionen haben klare Grenzen und Regeln, die nur durch Bewegung zu sprengen sind. Ich hoffe, dass sich das nun langsam wieder durchsetzt.

  • Nach dem 2 Weltkrieg hat es in durch die ab Juli 1945 umgesetzte Politik der Vier Mächte die als "Entnazifizierung" bezeichnete "Säuberung" gegeben, die darauf abzielte, die deutsche und österreichische Gesellschaft, Kultur, Presse, Ökonomie, Justiz und Politik von allen Einflüssen des Nationalsozialismus zu befreien. Es scheint mir, dass wir eine vergleichbare Maßnahme in gewissen Köpfen der ehemaligen SED- und IM-Mitgleider der Ex-DDR vergessen haben durchzuführen. Leider hat hier nie ein Aufräumen der DDR-Denke und -Seilschaften stattgefunden, denn sie findet sich noch heute an viel zu vielen Stellen wieder. Insbesonder die Ostalgie und Plattenbauromantik ist in Berlin abschreckend. Für Herrn Holm gilt: Er hat die Stasi gewählt. Man könnte nun mit den Worten seines Ex-Chefts anworten: "Wir weinen ihm keine Träne nach".

    • 3G
      33710 (Profil gelöscht)
      @Berlin liebt Wolkenkratzer:

      at....Berlin Liebt Wolken.......

      Der explizite und implizite Versuch, den deutschen Faschismus mit der DDR zu vergleichen ist infam.

      [ "Entnazifizierung"] {Schmunzel}

      Finden die Kritiker, die Andrej Holms Mitarbeit im Geheimdienst der DDR/MfS für untragbar halten, Geheimdienste prinzipiell untragbar? Natürlich nicht: Genau jene, die aus Andrej Holms Mitarbeit im MfS einen Strick drehen wollen, decken bis heute die kriminellen Machenschaften des Geheimdienstes, namens BfV. Ob dieser – im Fall der neonazistischen Terrorgruppe NSU – Akten vernichtet, Falschaussagen anordnet/macht, Beweise manipuliert oder „Spitzel“ vor jedem rechtlichen Zugriff schützt, schadet den Beamten des BfV nicht. Im Gegenteil.Wenn also die Kritiker Geheimdienste für notwendig halten, dann wäre doch die Frage zu stellen: Was hat Andrej Holm in seiner sechsmonatigen Tätigkeit als Geheimdienstmitarbeiter gemacht, was über das gewohnte und gedeckte Maß hinausgeht?

       

      Machen wir es kurz: Wenn das, was man Andrej Holm in seiner Zeit als Mitarbeiter des Geheimdienstes zur Last legen kann, Maßstab ist, dann müßte die Hälfte der Mitarbeiter des BfV als „untragbar“ entlassen werden.

  • Von Beginn des Kapitalismus an waren die Parlamente Versammlungen, in denen die Männer des Bürgertums Ihre Angelegenheiten untereinander regelten. Also das, was für ihre individuellen Geschäfte, und das ist die Ausbeutung der Besitzlosen, an allgemeinen Regelungen praktisch ist.

     

    Selbst Bebel hat ja gesagt: „Mein persönlicher Wunsch wäre, ich hätte mit dem Parlamentarismus nichts zu tun“.

     

    Sich nur bei den Ausbeutern an den Katzentisch zu setzen, während andere von draußen reinrufen, dass jetzt aber mal die ganze Veranstaltung ihre Zweckbestimmung umkehren soll, das wird sowieso keine Gerechtigkeit und keinen Wohlstand für Alle bringen.

     

    Mieter_innen und Arbeiter_innen müssen weiter an ihren eigenen Aktionsformen gegenüber dem Kapital arbeiten. Und gleichzeitig auch an ihrer eigenen Verfasstheit. Konkurrenz, Sexismus, Rassismus, Sozialchauvinismus - sie haben ja auch in der „Bewegung“ viel zu viel Raum und schwächen sie fortwährend. Lasst uns selbstreflexiv und auch selbstkritisch eine breite, starke Bewegung aufbauen, in der die bessere Gesellschaft schon zu erkennen ist – das wäre ein Anziehungspunkt für alle, die in dieser Stadt um ihr Auskommen kämpfen müssen.

    • 2G
      2830 (Profil gelöscht)
      @Margit Englert:

      Männer des Bürgertums?

      Merkel, Lompscher, Pop, etc.?

      Holm hingegen ist ein Kerl und verankert gibt sich volxnah. Wer ist nun Karrierist*in, der*die nur am eigenen Vorteil interessiert ist um individuelle Geschäfte zu tätigen? Staatssekretär is och n Deal, ca. 9.000 pro Monat und fette staatliche Bezüge nach m Ausscheiden.

      Ich glaube nicht an edle Ritter, dann schon eher an holde Burgfräulein.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Margit Englert:

      "Von Beginn des Kapitalismus an waren die Parlamente Versammlungen, in denen die Männer des Bürgertums Ihre Angelegenheiten untereinander regelten."

       

      Welche Art der politischen Willensbildung wäre Ihnen denn lieber?

      • 2G
        24636 (Profil gelöscht)
        @74450 (Profil gelöscht):

        Schreibt sie doch: "selbstreflexiv und auch selbstkritisch".

         

        Wären Voraussetzungen für R2G + Bewegungseinbindung. Darum will Gabriel lieber FDP als Linkspartei.

        • 7G
          74450 (Profil gelöscht)
          @24636 (Profil gelöscht):

          "Schreibt sie doch: "selbstreflexiv und auch selbstkritisch"."

           

          Ich habe mich wohl missverständlich ausgedrück. Besser: Welches System der politischen Willensbildung wäre Ihnen denn lieber?

           

          Frau Englert scheint ja den Parlamentarismus als System für suboptimal zu halten.