Andreas Speit Der rechte Rand: Wie die AfD die CDU ersetzen will
Die Hamburger AfD hat Bernd Baumann erneut zu ihrem Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt. Am 7. Dezember stellte die Partei ihre Landesliste auf – mit einem klaren Ergebnis: Über 95 Prozent der Mitglieder stimmten für Baumann. Gegenkandidaten gab es keine. Baumann, der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, bemüht sich seit Jahren, die AfD als vermeintlich konservative und bürgerliche Kraft darzustellen. Dies schließt jedoch scharfe Angriffe und gezielte Provokationen nicht aus. „Wir sind bereits die zweitstärkste Partei. Wir werden übernehmen und dieses Land retten!“, rief Baumann seinen Parteimitgliedern am Samstag zu.
In seiner Bewerbungsrede erklärte er, dass die AfD in Hamburg unter dem Motto „Hart für Hamburg“ die CDU ablösen wolle. Baumann bezeichnete die Christdemokratische Partei als „verschlagen, hohl und innerlich ausgebrannt“ und kündigte an, dass die AfD die Union langfristig schlagen werde. Zum dritten Mal strebt Baumann einen Sitz im Bundestag an.
Bei den gegenwärtigen politischen Themen greift die AfD zwar weiterhin vor allem das links-grüne Milieu an, indem sie Einwanderungs- und Klimaschutzpolitik beklagt. In den langfristigen und grundsätzlichen Themen aber zielt die AfD insbesondere auf das konservative Milieu. CDU und CSU hätten ihre eigenen konservativen Werte verloren oder verraten, so die Botschaft. Diese angeblichen Leerstellen möchte Baumann besetzen – so zumindest kann man seine Reden verstehen, die das „NDR Hamburg Journal“ zusammenfasste.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
Dieser Strategie folgend, versucht die AfD auch in anderen Nord-Bundesländern die CDU vor sich herzutreiben, indem sie sich als Koalitionspartner für eine „bürgerliche Mehrheit“ anbietet. Das langfristige Ziel ist, dass die radikaleren Kräfte in der CDU solch eine Koalition ebenfalls befürworten, während die moderateren Kräfte verstummen. Die Folge wäre ein sich radikalisierender Konservatismus. Der ehemalige Europa-Spitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, gab offen zu, eine solche Zersetzung der Union anzustreben.
Der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher warnt davor, dass sich konservative Parteien zwischen verschiedenen Positionen im Umgang mit extrem rechten Parteien zerreiben. Biebricher spricht schon länger von einer „internationalen Krise des Konservatismus“. Im erneuten Wahlsieg von Donald Trump in den USA sieht der Politikwissenschaftler ein Beispiel für die Radikalisierung konservativer Strömungen. Eine klare Einordnung der AfD durch den Verfassungsschutz auf Bundes- und Landesebene könnte dieser Entwicklung entgegenwirken.
In Hamburg profitiert die AfD davon, dass das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) die Partei im aktuellen Bericht nicht erwähnt. Einen Rechtsstreit über eine frühere Erwähnung der rechtsextremen Verstrickungen der Hamburger AfD hatte das Landesamt verloren. Der Grund: Vor dem Verwaltungsgericht wollte das LfV seine Quellen schützen. Die Quelle zu den Verbindungen zum „Flügel“ war laut einer Drucksache des Senats allerdings keine Undercover-Person, sondern ein publizierter Bericht der Antifa-Initiative „AfD-Watch“ – gegen den die AfD nicht klagte.
Felix Krebs, Hamburger Bündnis gegen Rechts
„Schon der NSU-Komplex hat gezeigt, dass den Geheimdiensten Quellenschutz vor Aufklärung geht“, sagt Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen rechts. „Nun verlor das LfV lieber vor Gericht, als seine Quellen offenzulegen“. Wie groß das rechtsextremistische Potenzial des Flügels in Hamburg ist, bleibt offen. Baumann kann sich weiterhin als bürgerlich-konservativ präsentieren.
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