Andreas Speit Der rechte Rand: Warum die Stadt Wedel Drohbriefe von Nazis beschweigt
Den „offenen Brief“ haben in Wedel Viele erhalten: Polizeidienststellen, Parteien, Schulen und Kultureinrichtungen, auch der Bürgermeister. Darin steht die Drohung, wenn „die Sicherheit von deutschblütigen Jugendlichen vor Übergriffen ausländischer und nicht deutschblütiger Menschen“ nicht gewährleistet würde, dann „seien Sie versichert, dass wir dies mit der gebotenen Entschlossenheit und der Qualität bundesweit Beachtung findender Exempel an Einzelpersonen, Gruppen und Einrichtungen, eindrucksvoll demonstrieren werden!“. Das wollten „hoch motivierte Mitglieder und der Sache verbundene Kameraden“ übernehmen.
Nur eine Provokation, um ein Medienecho zu erzeugen oder ein Versuch der Einschüchterung? Das Schreiben, das der taz vorliegt, ist mit „Combat 18 Deutschland“ unterzeichnet, darunter das Symbol des „Kampfverbundes Adolf Hitler“ – ein Drache mit „C 18“ und „Deutschland“ auf schwarz-weiß-rotem Wimpel.
Die Briefe sind vor einigen Wochen verschickt worden. „In Rücksprache mit der Polizei haben wir uns entschieden mit diesen Schreiben nicht an die Öffentlichkeit zu gehen“, sagt der Sprecher der Stadt zur taz. Man gehe eher von einen „Trittbrettfahrer“ aus, der eine „Drohkulisse“ aufbauen wolle. „Das Schaffen einer großen Öffentlichkeit für den Brief, würde nach Ansicht der Stadt Wedel diesem Ziel par excellence in die Hände spielen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt.
In anderen Bundesländern hatten die Behörden auf ähnliche Drohbriefe im Juli ganz anders reagiert: In Thüringen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Bayern wurden sieben Objekte durchsucht. Die anonymen Schreiben, in denen teilweise Sprengstoffanschläge angedroht wurden, waren mit „Volksfront“ und auch mit „Combat 18“ unterzeichnet. Derzeit überprüft die Bundesanwaltschaft ob die Mordwaffe im Fall Walter Lübcke aus diesen Gruppen kommen könnte.
Die Briefe zu verschweigen, findet Miriam Maier von der Antifaschistischen Initiative Kreis Pinneberg „skandalös“. Die Behörden würden die Drohungen „verharmlosen“, den Empfänger*innen sei „Verschwiegenheit auferlegt“ worden. Maier erinnert daran, dass „in den Neunziger- und Nullerjahren Nazigruppen immer wieder mit ihrer menschenverachtenden Ideologie im Kreis Pinneberg terrorisiert“ hätten. 2003 waren die Sicherheitsbehörden gegen „Combat 18 Pinneberg“ mit bis zu 30 Anhängern vorgegangen. Diese Vorgeschichte erlaube „nicht im Ansatz“, etwas zu verschweigen.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
Die Antifa-Initiative hat für Montag eine Demonstration am S-Bahnhof Wedel angekündigt. Motto: „Das Schweigen brechen“.
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