Andreas Speit Der rechte Rand: Warum Rechte gerne einander die Fresse polieren
Die Zahl der Angriffe von rechtsextremen Tätern ist in Mecklenburg-Vorpommern gesunken. Mit 43 Gewalttaten 2018 haben sich die Taten im Vergleich zum Vorjahr mit 84 Angriffen „nahezu halbiert“, sagt Landesinnenminister Lorenz Caffier. Der CDU-Minister möchte aber keine Entwarnung geben. „Die Rechtsextremisten zeigen erneut eine anhaltende Gewaltbereitschaft.“ Das Ministerium sorgt sich wegen der gestiegenen Anzahl an Kampfsportveranstaltungen in der Szene. Eine „Gewalteskalation in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner“ sei möglich, so Caffier.
Bei Rechten sind Kampftrainings und Wehrsportübungen seit 1945 üblich. Ein kleiner Kreis oder eine mittelgroße Gruppe bereitet sich auf „den Kampf“ praktisch und physisch vor – inklusive Namens- und Adressenlisten von „Vaterlandsverrätern“. Schon 2004 hatten Rechtsextreme im schleswig-holsteinischen Neumünster den „Athletik Klub Ultra“ eröffnet.
In den vergangenen Jahren ist Kampfsport im rechtsextremen Milieu ein anhaltender Trend geworden. Kampfsportevents und neue Gyms entstanden vielerorts. Im Herbst 2018 rief das Label „White Rex“ zum „Kampf der Nibelungen“ auf. 700 Zuschauer kamen dazu ins sächsische Ostritz. Der Inhaber des russischen Labels ist der rechtsextreme Hooligan Dennis Kapustin alias Nikitin, der auch Seminare in Deutschland anbietet und als Redner bei Rechtsrockevents auftrat. Noch vor fünf Jahren waren kaum mehr als 150 Zuschauer zum „Kampf der Nibelungen“ gekommen. Die Vorläufer waren noch konspirativ organisiert gewesen. 2018 meldeten die Veranstalter den Kampfwettbewerb erstmals offiziell an.
In der Szene trainieren Aktivisten verstärkt Mixed Martial Arts (MMA). Bei dem Vollkontakt-Kampfsport werden verschiedene Schlag- und Tritttechniken aus mehreren Kampfkünsten verbunden. „Man könnte ja denken: Wenn die sich im Ring gegenseitig boxen, haben die ihre Gewalt dort und tragen die nicht nach außen“, sagt Robert Claus von der Leibnitz-Universität Hannover. Doch der Rechtsextremismus-Experte entkräftet den Einwurf gleich selbst als „leider naive Vorstellung“. Bei Rechtsextremen müsse „immer die politische Dimension“ mitgedacht werden. „Es geht nicht um Sport im klassischen Sinn, sondern darum, sich fit zu machen für den politischen Umsturz oder mindestens für Angriffe auf den Gegner“, sagt Claus. Er beobachte, dass die Szene mit dem Mix aus Männlichkeitsgehabe und Gewalt neue Mitglieder gewinnen kann.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
Vor einer Mischszene warnt auch das Innenministerium in Schwerin. Erstmals seien im vergangenen Jahr die „Soldiers of Odin“ in dem Bundesland aktiv geworden –eine rechtsextreme Gruppe mit Rocker-Habitus, die in verschiedenen Städten bundesweit als „Bürgerwehr“ aufläuft.
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