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Andreas Rüttenauer über Moskau und die russischen HooligansPeinliches Mimimi

Es hat ja so kommen müssen. Da ziehen wohltrainierte, fast paramilitärische Trupps aus Russland durch Frankreich, und ein paar Tage später wittert der russische Außenminister Sergei Lawrow eine anti­russische Verschwörung. Weil sich die französischen Behörden erlaubt haben, ein paar Menschen festzuhalten, um herauszubekommen, wie es zu der Gewaltorgie von Marseille kommen konnte.

Es ist ein peinliches „Mimimi“, das die russische Regierung da vorführt. Zwar werden die Gewalttaten kritisiert, aber so richtig schuld sollen die russischen Hooligans dann doch nicht gewesen sein, sie seien schließlich von Engländern provoziert worden.

Wenn man sich zudem ansieht, um wen es sich bei den Festgesetzten handelt, für die sich Lawrow auf höchster diplomatischer Ebene einsetzt, dann kann einem beinahe schlecht werden. Einer von ihnen ist jener Alexander Schrygin, der es trotz seiner notorisch rassistischen Äußerungen, trotz seiner Nähe zur Neonazi-Metal-Band Korrosija Metalla zum offiziellen Vertreter der russischen Fans gebracht hat. Ein anderer der in Marseille Festgehaltenen ist ein Fanklubanführer von Lokomotive Moskau. Hooligans dieses Klubs sind in Marseille besonders auffällig geworden.

Niemand glaubt, dass es ein unglücklicher Zufall war, dass so viele gewalttätige Fans den Weg nach Frankreich antreten konnten. Auf die Frage, wie es sein kann, dass Hooligans, die in Russland mit härtesten Bandagen von der Polizei bekämpft werden und sich deshalb für ihre Schlachten in den Wäldern vor den Städten treffen, mit vom Fanverband organisierten Reisegesellschaften bei der EM unterwegs sind, hätte man schon gerne eine Antwort.

Die russischen Behörden werden bei der Beantwortung dieser Frage wohl nicht helfen und igeln sich nun auch in Fußballfragen in ihrer gern gepflegten Opferrolle ein. Dass sich darüber nun wirklich niemand wundert, zeigt, wie groß das Problem mit Russland ist.

EM taz

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