André Heller über das Älterwerden: „Ich bin mit mir befreundet“
Der Multimediakünstler wurde nie müde, den Mainstream anders zu denken. Die Sinnfrage stellte er stets mit den Mitteln der Verzauberung.
taz: Herr Heller, geht es Ihnen gut – gerade wurde Ihr neues Album veröffentlicht?
André Heller: Sehr intensiv geht’s mir, mit häufigem Ortswechsel zwischen Europa und Afrika. Ich hab´ ja auch mittlerweile mit 72 die Kriterien um entscheiden zu können, was mir per Saldo gut tut und was ich eher vermeiden sollte. Wenn dieser freundliche Aufmerksamkeitswirbel um mein erstes Liederalbum seit 1983 vorbei ist, fang'ich mit der Arbeit am„Rosenkavalier“an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin an. So tilge ich einen weiteren weißen Fleck auf meiner Erfahrungslandkarte.
Berlin–für Sie ein weißer Fleck?
Nein, den „Rosenkavalier“zu inszenieren. Das ist die wunderbare, nuancenreiche Strauss Oper, mit dem genialen Hofmannsthal Libretto, die mich mindestens schon 50 Jahre beschäftigt -über's Älterwerden, über Abschiede, Täuschungen, Blamagen, Lust und Leidenschaft und das Tollhaus der Liebesgeschichten und Heiratssachen.
Kollegen und Freundesagen, angesprochen auf Sie, André Heller, sagen: „Ach, auf was für ein Leben kann er zurückblicken.“ Was sehen Sie denn, wenn Sie sich anschauen, was Sie getan haben?
Ich seh' jemanden, der versucht hat, sein Leben nicht zu schwänzen. Der relativ spät, unwiderruflich begriffen hat, dass er sich verwandeln muss, und zwar grundlegend, wenn er nicht todkrank oder verzweifelt oder haltlos sein will. Ich bin sehr dankbar für die Expeditionen und für die ausgeprägten Lernprozesse, in die mich meine Neugier gelockt hat und aus denen ich immer wieder als ein Anderer, mit verbessertem Bewusstsein, hervorgegangen bin. Und insofern muss ich mir oder Anderen auch nichts von meinen Abenteuern verheimlichen, denn alles hatte zumindest in der Rückschau Sinn. Ich kenn so viele, die weite Strecken ihrer Biografie vom Radarschirm verbannen.
Einige Ihrer Projekte kamen ja nicht zum Gelingen–viele hingegen spektakulär: Ihre Liederalben, die Miterfindung des Circus Roncalli, Mitbegründer des progressiven österreichischen Senders Ö3 in den Sechzigern schon, die Licht- und Feuerperformances …
Ich habe allerdings auch manches, nachhaltig Kräfteraubendes getan, was mir in der Retrospektive aberwitzig erscheint und heute noch durch meine Albträume geistert.
Auch das, was der Heller, Spötter und Sarkastiker, mit bösen Worten in seinen frühen Jahren äußerte, vor allem wider sein Land, Österreich?
Da war ich gerade noch mitten in meiner Denk-Akne, mit ziemlich brauchbaren Talenten, aber wenig an Selbstwertgefühl. Es war mehr Schein als Sein. Ich habe Anfang Zwanzig über Österreich in der Art geredet, wie ich mich im André Heller gefühlt hab. Ich habe das Unzulängliche, die Wut, meine Enttäuschung über mich selbst, dem Land umgehängt. Wahr ist natürlich auch, dass Österreich ein sehr konservatives, in vielem borniertes, Gebiet mit einer unaufgearbeiteten Faschismus- und Nazivergangenheit war, und dieses Faktum wirkt bekanntlich unangenehmst bis heute nach. Aber ich habe vor allem auch deshalb so abfällig über Österreich geredet, weil ich noch sehr wenig andere Teile der Welt kannte.
Die kennen Sie inzwischen ja besser.
Wenn ich jetzt,da ich das halbe Jahr in Afrika lebe, nach Wien komme, seh' ich was für ein schöner und gesegneter Wunderort es ist. Mit Qualitätswasserversorgung, funktionierender Müllabfuhr, hoher Sicherheit, dem einzigartigen Kulturangebot. Und es gibt ein soziales Netz und exzellente Spitäler und Bildungschancen für alle und so Vieles mehr und trotzdem frönen allzu viele der dort ansässigen, verwöhnten Fratzen einem Kult der schlechten Laune.
Was war ihr Projekt, das sie am stärksten in Ambivalenz gebracht hat?
Mein Sohn. Den ich mir zuerst unter keinen Umständen zutraute, weil mein Vater so ein imponierendes Beispiel für unverantwortliches Verhalten gegenüber einem Kind war. Aber als der Ferdinand dann geboren wurde, waren wir bald für einander entscheidende und loyalste Gemütsklavierstimmer. Und ich hab' keine Stunde, jetzt ist er 31, aufgehört begeistert zu sein über den Umstand, dass ich dieses großartige und ungewöhnlich begabte Kind kennen und bedingungslos lieben darf.
Sie haben viele Alben veröffentlicht, nun ein neues, milder gestimmtes – doch Sie galten als wahnsinnig outriert und flamboyant. Wie war Ihnen damals zumute?
Mich beschäftigten Themen und Bilder, die offenbar damals niemand Anderen so sehr interessiert haben. Dieses Abseitige, oft Räudige bei Zirkus und Varieté, Wunderkammern, Revuen und Feuertheater, die fantasieintensive, durch die Machtübernahme der qualitätsverachtenden Naziverbrecher untergegangene, Unterhaltungskultur der Zwischenkriegszeit. Das hatte auch damit zu tun, dass mein Wiener Freundeskreis mit ein paar, sehr von den Zeiten geprüften, schillernden internationalen Wahrnehmern bestückt war. Einige, meist schwule, sehr berühmte Künstler, die beharrlich Pariserisches und New Yorkerisches in unser Denken infiltriert haben. So waren uns etwa Gloria Swanson, Fred Astaire oder Valentino mindestens so spannend wie Paula Wessely.
…die österreichische Schauspielerinnenlegende.
Ja. Ich erinnere Debatten um Rudolfo Valentinos Homosexualität und wie diese tragische Verlogenheit, sich zum Schutz der Karriere als Frauenheld darzustellen, quälend sein musste. Diese Tarnungen und angstbeladenen potemkinsche Fassaden auch von drei oder vier jener Wiener Freunde. Überhaupt war dieses Ringen um Würde und Wahrhaftigkeit sehr früh ein wesentliches Thema. Der Dichter Peter Altenberg brachte es schon 1905 auf den Punkt: „Sei der du bist, in Allem und in Jedem, und wenn du stürzest, so sei es dein eigener Abgrund in den du fällst und nicht in den,anderer Leute.“
Sie haben Ikonen wie Jean Harlow, Marilyn Monroe oder Greta Garbo Denkmäler gesetzt.
Das war zu Beginn der Siebziger Jahre, in dem Liederzyklus „Sammelbilder aus Kaugummiautomaten“. Und ich habe dafür Symphonieorchester mit großen Streicherarrangements verwendet, was eigentlich im deutschen Raum niemand besonders cool fand. Liedermacher saßen ja zumeist hinterm Klavier oder hinter ihrer Lagerfeuer-Gitarre.
Sie können auf viele politische Interventionen stolz sein–die Heldenplatz- Mobilisierung wider Jörg Haider, die Kampagne zum Rücktritt des österreichischen Präsidenten Kurt Waldheim, während der NS-Zeit Offizier der deutschen Wehrmacht. Was ist politisch heute zu tun?
Wenn die politischen Parteien, die Parlamentarier, die staatstragenden und die gesellschaftsgestaltenden großen Organisationen sich nicht rasch der Avantgarde, einer, in weiten Teilen bei klarem Verstand seienden, Jugend anschließen, einer Jugend, um deren Zukunft es geht und die begriffen hat was zu tun ist, werden sie alle in einer Schuldbeladenheit versinken, die sie sich offenbar derzeit noch nicht vorstellen können. Diese, für dramatische, wissenschaftliche Fakten blinde und taube Ignorantengemeinschaft, zu deren Platzhirschen die Trumps und Bolsonaros, die Salvinis, Johnsons, Morrisons, Dutertes, Orbáns oder auch die AFD-Führung gehören, hat dereinst gute Chancen als die, in der Weltgeschichte am meisten versagt habende Machtbande angeprangert zu werden.
Worum geht’s genau–um Fragen des Klimawandels, der Flüchtlinge, des Rassismus?
All diese Fragen hängen ja eng zusammen. In Syrien etwa waren die Landgebiete so ausgetrocknet, dass die Bauern in die Städte drängten und ihre Not hat dann die Aufstände und die Bürgerkriegskatastrophe wesentlich befeuert. In Afrika wiederum leben hunderte Millionen Menschen seit langem unter unaushaltbaren Generalbedingungen, die sich täglich weiter verschlechtern und sie immer stärker zum Aufbruch zwingen. Sie werden absehbar, unter Nutzung aller denkbaren Hilfsmittel, nach Europa kommen und anklagen:„Wir können auf euch leider keine Rücksicht nehmen, wir haben keine Alternative. Unser Hiersein ist Folge eurer mörderischen Gleichgültigkeit.“ Ich sehe das allerdings auch als Chance für eine, nach zunächst schmerzhaften und gewaltigen Veränderungen, schlussendlich friedliche, solidarische Weltgemeinschaft, in der eine Mehrheit begriffen hat, dass wir füreinander verantwortlich sind und füreinander einstehen müssen.
Sie leben ja viele Monate im Jahr in Marokko und kennen die Verhältnisse.
In der Tat. Ich beschreibe überhaupt kein unrealistisches Horrorszenario. Ich verstehe, warum Menschen sich auf den gefährlichen Weg machen. Sie argumentieren, wenn ich zu Hause eine Überlebenschance von etwa 25 Prozent besitze, und es auch nur eine 27 prozentige Chance gibt es bis Europa zu schaffen, lohnt sich der risikoreiche Versuch schon.
Gesichert ist die Erkenntnis, dass Europa als Gegend des Überlebens politisch nicht mehrheitsfähig ist, oder?
Die Entwicklung der Wirklichkeit nimmt keinerlei Rücksicht auf die egomanischen Befindlichkeiten, Mutlosigkeiten, Uneinsichtigkeiten von Regierungen oder Wählern in Europa. Wir können also vernunftbegabt und weise handeln oder wir beschleunigen, manisch verantwortungslos, die Folgen eben dieser Verantwortungslosigkeit. Eines Tages werden wir massiv teilen müssen und es wird endgültig keine Alternative zum Abschied von tausenden Komfortgewohnheiten mehr möglich sein.
Wer nicht begreifen und handeln will, wird fühlen. Die reichen Länder, die Wirtschafts- und Kapitalprotagonisten müssen Milliarden und Milliarden vor Ort in die Krisengebiete investieren, zur Schaffung von menschenwürdigen Lebensbedingungen und der Absicherung der Menschenrechte unter den lokalen politischen Systemen. Es muss spätestens jetzt passieren.
Die erstaunliche Greta Thunberg hat, in fast allem, was sie sagt recht, ob es uns passt oder nicht. Und sie hat auch recht, wenn sie unüberhörbar die Frage stellt: „How dare you?“ Ich habe vor über zehn Jahren begonnen unter Einsatz eines Gutteils meiner Kräfte und Mittel am Fuße des Atlas in Marokko ein großes ökologisches Paradies namens Anima zu verwirklichen, weil mir unwiderruflich bewusst wurde, ich muss Bäume pflanzen, ich muss für Menschen jeden Alters und aller Ausbildungsgrade Territorien der Kühle, der Schönheit, der Inspiration, der Heilung schaffen und ich muss Arbeitsplätze für die im Stich gelassenen Jugendlichen und auch für Frauen in Afrika ermöglichen.
Wie viele Jobs haben Sie schon schaffen können?
Etwa siebzig fix und je nachdem wie viele Sonderprojekte wir gerade wagen, bis zu zweihundertfünfzig. Wir haben eine Schule, in der Mütter und ihre Kinder gemeinsam alphabetisiert werden, errichtet, die Wasserversorgung für etwa fünftausend Menschen sichergestellt und für die Nachbarschaft eine Solarstromanlage geschaffen. Das ist das Wenige was ich tun kann, aber ich bin froh, dass es geschieht und ich in Anima synchron mit den Bedürfnissen meiner Seele leben kann.
Können Sie Ihre politischen Weggefährten immer noch mobilisieren?
Der Mensch
André Heller wurde 1947 in Wien geboren. Sein Name, Francis Charles Georges Jean André Heller-Hueart, zeigt: Da ist mehr drin als Österreich. Sein Vater, jüdischer Unternehmer, floh vor den Nazis nach Frankreich und arbeitete für General Charles de Gaulle. Heller lebt die Hälfte des Jahres in Marokko.
Der Rosenkavalier
André Heller ist ein Multitalent und ein Tausendsassa. Poesie, Gesang, Kulturmanagement – er hat alles gemacht. Seine Inszenierung der Oper „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss an der Berliner Staatsoper hat am 9. Februar Premiere.
Ja und es gibt so viele Neue. Sie haben ein höheres Bewusstsein, als wir es in ihrem Alter hatten. Sie sind mitreißend, fundiert in ihrem Wissen und haben häufig auf die wesentlichen Fragen die richtigen Antworten und, ganz wichtig, sie sind beharrlich! Durch sie gibt es eine seriöse Hoffnung, dass zu schaffen ist, was getan werden muss. Ich bin natürlich sehr gespannt was jetzt politisch tatsächlich in Österreich passiert, wo die Grünen nun im Bund mit regieren. Ich hoffe auf einen ausgeprägten Qualitätsschub und eine imponierende Trendwende, beim Denken und Handeln. Wir müssen eigentlich der FPÖ für das berüchtigte Ibiza-Video danken, dieser Wahnsinn hat ja die Neuwahlen und das fulminante Comeback der Grünen erst ermöglicht.
Ein Grüner ist bereits zum Bundespräsident gewählt worden.
Alexander Van der Bellen ist ein Beweis für die Möglichkeit, dass durchaus unaufgeregte Klugheit und Herzensbildung an der Spitze eines Landes agieren können. Ich mag ihn sehr.
Spätes Leuchten–warum heißt Ihr Album so?
Ich fand einfach den Titel schön und wahrhaftig. Es ist spät in meinem Leben und da ist noch Energie und Leidenschaft und Neugier. Nach fünfunddreißig Jahren Absenz vom Texten, Komponieren und Singen, gab es in meinen Notizbüchern einen Stau von Erkenntnissen, Vertiefenswertem und auch schon manchen Strophen. Und eines Tages sagt ich mir, warum solltest du das denen, die Interesse an deiner Arbeit haben, vorenthalten?
Das erste Lied auf der Platte hat den Titel „Alles in allem“–eine melancholische Bilanz?
Mein Dasein ist in vieler Hinsicht privilegiert und reich an Möglichkeiten, die ich nützen will und kann, um Sinnhaftes zu tun. Früher saß ich als Made im Erfolgs-Speck und war absurderweise der Überzeugung, dass mir das Beste vom Besten einfach zustünde. Seit längerem agiere ich aus einem Gefühl großer Dankbarkeit heraus. Ja: „Alles in allem vom Glück verfolgt.“ Das heißt natürlich nicht, dass es mir erspart bleibt auch schreiend vor Not mit Dämonen zu fechten, aber das ist wohl, bis zu einem gewissen Grad, in der irdischen Polarität unvermeidbar. Nur habe ich, hilfreicher Weise seit jeher, als Werkzeug einen genügend langen und festen Zopf, an dem ich mich selbst immer wieder herausziehen kann, aus den Sümpfen der Angstrasereien.
Wenn ich mir das Kompliment zu äußern erlauben darf: Sie sehen wirklich wahnsinnig gut aus. Fast besser als früher.
Sehr freundlich von Ihnen. Vielleicht, weil ich streng Dinnercancelling einhalte. Ich esse am Abend nichts mehr und dann nimmt man automatisch so vier, fünf Kilo ab und hat zumindest in meinem Fall wieder sichtbare Backenknochen. Und die Backenknochen machen sich offenbar im Leben und auf Fotos besser als Hamsterbacken. Ein anderer Grund könnte sein, dass ich nicht so großstadtbleich bin, weil ich über Monate in Afrika, viele Stunden am Tag in der freien Natur arbeite.
Interessant, dass auch Sie als Mann ein solches Kompliment so versachlichen.
Mein Lieber, das meiste im Leben ist ein Arbeitsergebnis.
Aber wo ist Ihre Wut geblieben, geliebt und gefürchtet einst.
Ja, wer braucht denn das Selbstvergiftende von mir noch? Ich jedenfalls nicht. Ich bin mit mir mittlerweile befreundet und fördere aus Selbstliebe behutsam meine Lernprozesse und gestatte Niemandem mir Druck zu machen. Ob etwa von der neuen CD fünf Stück oder 25.000 oder 100.000 verkauft werden, regiert Gottseidank nicht meine Befindlichkeit. Es freut mich, selbstverständlich, wenn eine Veröffentlichung von mir vielen Menschen etwas Gutes bedeutet, aber in eine absurde Erfolgspflicht lasse ich mich einfach nicht mehr nehmen. Auch nicht beim „Rosenkavalier“. Ich gelobe allerdings jeder meiner Herausforderungen mit liebevoller Ernsthaftigkeit zu begegnen.
Die globale Jugendbewegung gegen Klimawandel hat viel Sympathie für die Idee, das in einem Zirkus keine Tiere auftreten dürfen. Finden Sie das richtig?
Absolut. Wer in Shows noch Tiere braucht, kann ja längst Hologramme auftreten lassen, oder wie in „Afrika! Afrika!“ fantastische Riesenmarionetten.
Apropos „Afrika,Afrika“: Sie haben in dieser Show viele afrikanische Künstler und Künstlerinnen auftreten lassen. Heute würde man sagen: Sie haben sich die Kulturen Afrikas unziemlich angeeignet, „cultural appropriation“ heißt die Formel.
Ich halte das für eine abstruse Anschauung. Es gab Anfang dieses Jahrtausends in vielen afrikanischen Ländern, hunderte großartige Artisten, die nirgendwo Engagements erhielten und nicht die geringste Chance auf ein ausreichendes Einkommen hatten. Sie präsentierten sich auf staubigen Dorfplätzen für einen Maiskolben oder eine Suppe. Und ich hab' mich erfolgreich bemüht, ihre einzigartige Kunst international bekannt zu machen. „Afrika!Afrika!“ läuft, mittlerweile schon Jahre ohne meine Mitwirkung, immer noch, und wurde in dieser Zeit schon von an die acht Millionen begeisterten Menschen bejubelt. Dieser Erfolg schafft gut bezahlte Arbeitsplätze und jeder Mitwirkende ernährt von seinem Lohn in der Heimat immerhin zehn bis fünfzehn Personen. Das ist mit Sicherheit kein unziemlicher Vorgang, sondern für die Beteiligten vor allem ein großes Glück. Man muss sich nicht um jeden Unsinn kümmern, den andere plappern.
Ließe sich sagen: Sie waren immer ein Impulsator?
Ich bin ein aus Europa stammender Weltbürger, der mit Achtung und Freundlichkeit dem begegnet, was uns voneinander unterscheidet. Und ich habe mich deshalb ein Lebtag lang brennend dafür interessiert, welche Art von Musiken oder Skulpturen oder Kleidungen und Tänze anderswo die Kultur mitbestimmen. Ich möchte fundiert wissen auf welchem reich nuancierten Planeten ich mich aufhalte. Und ich möchte mir selbst und dieser Welt so tief wie irgend möglich auf den Grund gehen.
Das Interesse am Fremdem schlechthin?
Das Fremde ist das was uns, wenn wir es sorgfältig studieren, Respekt lehrt vor dem sogenannten Anderen. Ich bin den Lebensentwürfen dieser Anderen gegenüber tolerant, solange sie nicht Intoleranz propagieren. Wenn einer glaubt „Grün ist die falsche Farbe, rot muss es sein“, dann soll er was Rotes tun. Und wenn einer glaubt: „Stachelig ist besser als sanft“, dann soll er sich von mir aus in einen Kaktus verwandeln. Wenn man sich konsequent bemüht in seinem Tun, in der Energie die man aussendet, ein sorgfältiger, mitfühlender Mensch zu sein, wird man schon nicht auf der falschen Waagschale enden. Und übrigens: Lachen und Selbstironie sind auch nicht gerade schädlich.
Das klingt wütend, wie der Heller von einst.
Ich bin milder geworden, aber nicht zahnlos. Ich möchte diejenigen ermutigen, die im Prinzip die Fähigkeit hätten, ungewöhnliches, dringend Gebrauchtes, zu wagen und dann tragischerweise aus Rücksicht und Nachsicht und Vorsicht ihre Talente veruntreuen.
Tournee?
Nein. Nicht eine Sekunde. Es gibt Wichtigeres, das ich meiner kostbaren Zeit schulde und ich weiß, dass ich inzwischen verlässlich von den richtigen Aufgaben, zum richtigen Zeitpunkt abgeholt werde. Ich arbeite an meiner Verwandlung zum Fähigeren hin, bis zum letzten Seufzer dieser Reise, zwischen Rosen und Brennnesseln.
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