piwik no script img

AnalyseBananenbootpolitik

■ Die EU will selbst die WTO anrufen, die USA kündigen Strafzölle an

Was schert uns die WTO? Das war bislang die Haltung der EU, wenn die Welthandelsorganisation in Sachen Bananen gegen die Europäer entschied. Gestern kündigte EU-Handelskommissar Leon Brittan eine Kehrtwende an. Empört über die Androhung der USA, Strafzölle gegen Ausfuhren aus der EU wegen deren Bananenmarktordnung zu verhängen, will er selbst das WTO-Schiedsgericht anrufen.

Gestern wollte die US-Regierung eine Liste von 42 Exportwaren aus der EU vorlegen, auf die sie ab Februar 100prozentige Strafzölle erheben will. In der Tat erlaubt die WTO unter Umständen, daß ein Mitgliedsland Zwang ausübt, um die Einhaltung der WTO-Regeln durchzusetzen. Aber, sagte ein WTO-Sprecher, üblich wäre es doch, daß die USA erst noch einmal das Schiedsgericht der WTO anrufen.

Auch die deutsche Exportwirtschaft würde hart getroffen, wie BDI-Präsident Olaf Henkel mahnte, weil auch deutsche Industrieprodukte wie Pharmazeutika, Kunststoffe oder optische Geräte in der Liste enthalten sein dürften. Damit würde Deutschland doppelt unter dem EU-Bananenregime zu leiden haben. Denn ohne die Bananenmarktordnung wären die hierzulande so beliebten Früchte um bis zu ein Drittel billiger, haben die Verbraucherverbände ausgerechnet. Allerdings wurde die Veröffentlichung der Strafliste nun auf kommende Woche verschoben – wahrscheinlich um den EU- US-Gipfel am Freitag nicht zu überschatten.

Das gibt der EU-Kommission Zeit für ihre neue Initiative. Dabei hatte die WTO bereits im vergangenen Jahr entschieden: Die Bananenmarktordnung, die die Einfuhren von Dollar-Bananen aus Mittelamerika begrenzen und zudem mit 20 Prozent Zoll belegen, läuft den WTO-Regeln zuwider. Daraufhin schaffte die EU die Bananenmarktordnung aber mitnichten ab, sondern beschloß lediglich, die Quote für zollfreie Einfuhren aus den ehemaligen französischen und britischen Kolonien in Afrika, der Karibik und der Pazifikregion leicht zu senken. Damit erhöhen sich die Chancen für die Dollar-Bananen aber nur wenig.

Bei der WTO machte sich Verbitterung breit. Ihre Autorität wurde erst durch die EU untergraben, die den Schiedsspruch weitgehend ignorierte, und jetzt durch die USA, die das Recht mit den Strafzöllen selbst in die Hand nehmen.

Nur einer dürfte sich freuen über den Schritt der USA: Carl Lindner, der Mann hinter Chiquita. Er hat nach Berichten von US-Zeitungen den Demokraten seit 1993 über 400.000 Dollar Parteispenden zukommen lassen. Sehr enttäuscht sei er da gewesen, daß die US-Regierung daraufhin mitnichten gleich Strafzölle gegen die EU verhängte, sondern die WTO anrief, deren Bemühungen bis heute bekanntlich keinerlei Früchte zeigten. Nicola Liebert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen