Analyse Rot-Rot-Grün in Berlin III: Machen sie das mit links?

Der Koalitionsvertrag steht. Doch was steht drin? Und wer wird davon profitieren? Die taz macht den Fakten-Check. Teil 3: Bauen und Bürgerbeteiligung.

Lederer, Müller und Pop

Sie treffen sich am Senatstisch wieder: Lederer wird Kultursenator, Pop Wirtschaftssenatorin, Müller bleibt Regierender Foto: dpa

BAUEN: Die Rekommunalisierung des Wohnens

Man muss nur mal vergleichen: Was Linke und Grüne in den vergangenen Jahr im Bauausschuss gefordert haben, ist nichts mehr für die Papiertonne, es steht nun schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag. Wenn alles nun auch umgesetzt wird, kann man schon sagen: Rot-Rot-Grün ist ein Bündnis für die Mieterinnen und Mieter der Stadt, auch für jene mit geringem Geldbeutel.

Zentrale Akteure dafür werden die sechs landeseigenen Gesellschaften. Sie vermieten künftig 60 Prozent ihrer Bestands- und die Hälfte aller Neubauwohnungen an Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins (WBS). Die Mieterhöhungen werden begrenzt, von bisher 15 Prozent in vier Jahren auf maximal 8 Prozent. Bei energetischer Sanierung soll die Warmmiete nicht steigen.

Bislang konnte man sagen: Degewo und Co gehören dem Land. Macht Rot-Rot-Grün seine Ankündigungen wahr, gehören sie auch den Mieterinnen und Mietern. 400.000 landeseigene Wohnungen strebt Berlin an, das ist der Beginn der Rekommunalisierung beim Wohnen.

Symbolwert: hoch

Bla-Bla-Faktor: gering

Realisierungschance: Fragezeichen

Ein Sieg für: Linke und Grüne

Für alle andern gilt: Die Bezirke sollen es richten, etwa durch neue Milieuschutzgebiete, mit denen Luxussanierungen verhindert werden sollen. Oder aber man wartet, bis der Neubau fertig ist. 30.000 Wohnungen sollen die Landeseigenen bauen, davon 30 bis 50 Prozent zu Mieten um 6,50 Euro den Quadratmeter. Aber auch Private können Fördergelder bekommen. Die Zahl dieser Wohnungen soll von 3.500 auf 5.000 steigen.

Dabei will Rot-Rot-Grün den Bürger als Partner begreifen. Ob die Bürgerbeteiligung klappt, wird sich zeigen müssen – jedenfalls sind die Ziele der Stadtentwicklung ambitioniert: Die Altstadt soll nicht wieder aufgebaut werden, Grünflächen sollen dauerhaft gesichert werden, der Denkmalschutz geht an die Kultur, was überfällig war. Ach ja, und die Elisabeth-Aue bleibt unbebaut.

Nur an eines hat sich der neue Senat nicht getraut: die Bodenspekulation durch eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer zu dämpfen. Das ist übrigens auch das Einzige, was der Mieterverein kritisiert. Uwe Rada

BÜRGERBETEILIGUNG: Sabotage war gestern

Symbolwert: nennenswert

Bla-Bla-Faktor: gering

Realisierungschance: ja, durchaus

Ein Sieg für: echte DemokratInnen

Zwei Anträge auf Durchführung eines Volksbegehrens sind in Berlin derzeit anhängig: die der Initiativen „Volksentscheid Fahrrad“ und „Volksentscheid retten“. Beide verschimmeln seit Monaten in der Senatsinnenverwaltung. Sie muss die vorgelegten Gesetzentwürfe juristisch prüfen, bevor das Abgeordnetenhaus politisch darüber befinden kann.

Die Initiatoren vor allem der Fahrradinitiative sind wütend und sprechen von Sabotage. Denn inzwischen ist ihr sorgfältig ausgetüftelter Zeitplan obsolet, nach dem der potenzielle Volksentscheid am Tag der Bundestagswahlen 2017 hätte durchgeführt werden können. Allein, die Senatsverwaltung darf sich im Gegensatz zum Parlament so lange Zeit zum Prüfen lassen, wie sie will.

Just das zu ändern und eine verbindliche Frist einzuführen ist eine der Forderungen von „Volksentscheid retten“. Und wer sagt’s denn: Die Koalitionäre haben sie erhört. Außerdem, so steht es in ihrer Vereinbarung, soll die Durchführung von Volksentscheiden an Wahltagen (was ausreichend hohe Beteiligung garantiert) zum Standard werden. Man will sogar prüfen, ob die Kosten für Öffentlichkeitsarbeit, die den Initiativen im Zusammenhang mit Volksbegehren und Volksentscheiden entstehen, vom Land teilweise erstattet werden können.

Allerdings fehlen zwei Punkte von „Volksentscheid retten“ völlig: eine Absenkung der Beteiligungsquoren und das „fakultative Referendum“ – ein Instrument, das etwa den HamburgerInnen zur Verfügung steht. Es bedeutet: Wenn die Politik ein unbequemes Gesetz, das per Volksentscheid zustande gekommen ist, wieder ändern oder gar aufheben will, darf das Volk darüber mit einem Extra-Entscheid abstimmen. So weit ist Berlin offensichtlich noch nicht. Claudius Prößer

Und wie geht es weiter?

Verhandelt wurde der Koalitionsvertrag von 30 VertreterInnen der SPD, Linkspartei und den Grünen. Damit es zur Zusammenarbeit der drei Parteien kommen kann, müssen die Parteien selbst noch ihre Zustimmung geben.

Bei Grünen und SPD soll dies auf Parteitagen Anfang Dezember geschehen. Die Linkspartei geht noch einen Schritt weiter: Alle Mitglieder dürfen über den Vertrag abstimmen; diese Mitgliederbefragung soll am Montag starten, ein Ergebnis vor dem 8. Dezember vorliegen. Allgemein wird mit hoher Zustimmung bei den drei Parteien gerechnet, zumal schon rein rechnerisch kaum andere Koalitionsmöglichkeiten bestehen.

Am 8. Dezember soll Michael Müller von SPD, Linken und Grünen erneut zum Regierenden Bürgermeister gewählt werden. Rot-Rot-Grün hat 92 Abgeordnete und eine Mehrheit von zwölf Stimmen. CDU, AfD und FDP bilden die Opposition.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.