Amtsenthebungsverfahren gegen Trump: Für den US-Präsidenten ein „Witz“

Die Demokraten wollen mit neuen Veröffentlichungen das Impeachment vorantreiben. Joe Biden wirft Trump Machtmissbrauch vor, der weist alle Vorwürfe zurück.

Ukraines Präsident Wolodimir Selenski und Donald Trump schütteln sich die Hände, im Hintergrund Fahnen und ein Blumenstrauß

Handshakes: Der ukrainische Präsident Selenski und Donald Trump am Rande der UN-Generaldebatte Foto: reuters

WASHINGTON/NEW YORK dpa/ap/afp | Die US-Demokraten wollen die Vorwürfe gegen Donald Trump mit einer neuen Veröffentlichung erhärten und damit ein mögliches Verfahren zur Amtsenthebung des Präsidenten vorantreiben. Sie dringen darauf, die Beschwerde eines Geheimdienstmitarbeiters publik zu machen, die die Affäre um ein umstrittenes Telefonat zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski ins Rollen brachte. Die amtliche Geheimhaltung des Whistleblower-Dokuments scheint am späten Mittwochabend (Ortszeit) bereits aufgehoben worden zu sein.

Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf zwei ungenannte Quellen, die Beschwerde sei nicht länger Verschlusssache. Gleiches schrieb der republikanische Abgeordnete Chris Stewart auf Twitter. Stewart sitzt im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses. Laut CNN könnte die Beschwerde des Geheimdienstmitarbeiters bereits an diesem Donnerstag veröffentlicht werden. Vor dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses soll am Donnerstag zudem der geschäftsführende US-Geheimdienstkoordinator Joseph Maguire dazu gehört werden.

Die Demokraten im Repräsentantenhaus hatten am Dienstag Vorbereitungen für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump eingeleitet. Sie werfen dem Republikaner Verfassungsbruch vor. Trump hatte in einem Telefonat mit Selenski Ende Juli Ermittlungen angeregt, die dem demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden schaden könnten. Das geht aus einem Gesprächsprotokoll hervor, das das Weiße Haus am Mittwoch veröffentlichte.

Das Protokoll, das die Unterredung nicht wortwörtlich wiedergibt, reicht den Demokraten nicht aus. Stattdessen müsse auch der Inhalt der Beschwerde des Geheimdienstmitarbeiters umgehend veröffentlicht werden, forderte der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer.

Der Whistleblower hatte Kenntnis vom Inhalt des Telefonats erlangt und sich wegen Bedenken an eine interne Kontrollbehörde der Geheimdienste gewandt. Schumer und andere Mitglieder des Geheimdienstausschusses des Senats bekamen am Mittwoch Einsicht in das vertrauliche Dokument. Darin soll es neben dem nun veröffentlichten Telefonat um weitere Vorfälle gehen.

„Ein wunderbares Telefonat“

„Nachdem ich die Beschwerde des Whistleblowers gelesen habe, bin ich sogar noch besorgter über das, was passiert ist“, sagte Schumer. „Es gibt so viele Fakten, die untersucht werden müssen. Es ist sehr beunruhigend.“ Sein Parteikollege Eric Swalwell erklärte, Details dürften nicht publik gemacht werden, aber es gebe dringenden Anlass zur Sorge.

US-Präsident Donald Trump hat das von der Opposition angestrebte Amtsenthebungsverfahren wegen der Ukraine-Affäre als „Witz“ bezeichnet. „Dafür ein Amtsenthebungsverfahren? Dass man ein wunderbares Treffen oder ein wunderbares Telefonat hatte?“, fragte Trump am Mittwoch bei einer Pressekonferenz am Rande der UN-Generaldebatte.

Den oppositionellen US-Demokraten warf der Präsident erneut eine „Hexenjagd“ gegen ihn vor. Er erklärte sich bereit, weitere Gesprächsprotokolle zu Telefonaten mit Selenski öffentlich zu machen. Die Gespräche seien alle „perfekt“ gewesen, sagte Trump in New York. Er sei zwar kein Freund davon, solche Mitschriften zu veröffentlichen. Allerdings wolle er die falschen Anschuldigungen der Demokraten mit Transparenz entkräften, damit sie das Land mit ihrer „Hexenjagd“ auf ihn nicht weiter spalten.

In der Aufregung um das strittige Telefonat und ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten kamen Selenski und Trump am Mittwoch in New York zusammen. „Ich denke, (…) dass mich niemand gedrängt hat“, sagte Selenski am Rande der UN-Vollversammlung. „Es war ein gutes Gespräch, es war normal.“ Trump sagte im Anschluss: „Ich habe niemandem gedroht.“

Viele Demokraten sehen hingegen durch das veröffentlichte Gesprächsprotokoll bestätigt, dass Trump mit Hilfe einer ausländischen Regierung seinem Rivalen Biden schaden und damit den Wahlkampf beeinflussen wollte. Trump sagte Selenski zum Beispiel, er werde seinen persönlichen Anwalt Rudy Giuliani und US-Justizminister William Barr beauftragen, sich in der Causa Biden bei Selenski zu melden.

Biden: „Personenbezogene Politik“

Trumps Vorwürfe gegen Biden beziehen sich auf frühere Geschäfte von dessen Sohn Hunter in der Ukraine. Als Vizepräsident soll Biden von der Ukraine die Entlassung eines Staatsanwalts verlangt und damit seinen Sohn vor Korruptionsermittlungen geschützt haben. In dem Telefonat mit Selenski sagte Trump, es wäre gut, „wenn Sie das prüfen könnten … Es klingt für mich schrecklich.“ Biden – der aussichtsreichste Präsidentschaftsbewerber der Demokraten für die Wahl im November 2020 – weist die Anschuldigungen als gegenstandslos zurück und wirft Trump Machtmissbrauch vor.

Trump, so Biden, habe „personenbezogene Politik“ über nationale Sicherheitsinteressen der USA gestellt, indem er die Hilfe eines ausländischen Staatschefs gegen einen innenpolitischen Rivalen ersucht habe, teilte Biden am Mittwoch mit.

Eine Behauptung vermochte das Protokoll indes nicht zu stützen: dass Trump bei seiner Forderung nach Ermittlungen zulasten Bidens eine Hilfszahlung von rund 400 Millionen US-Dollar für das ukrainische Militär als Druckmittel eingesetzt haben könnte. Trump hatte kurz vor dem Telefonat mit Selenski die Auszahlung des Geldes blockiert. In dem Gespräch wurde die Hilfszahlung nicht erwähnt, Trump betonte lediglich, dass die USA sehr viel für die Ukraine täten und auf Gegenseitigkeit hofften.

Bislang gibt es keinen genauen Zeitplan für das von den Demokraten angestrebte Amtsenthebungsverfahren. Nach Untersuchungen und der Identifizierung von Anklagepunkten gegen Trump könnten sie ein sogenanntes Impeachment mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus anstrengen. Nötig wären dafür mindestens 218 Stimmen in der Kammer, in der die Demokraten 235 der 435 Sitze haben. US-Medienberichten zufolge haben sich inzwischen mehr als 200 demokratische Abgeordnete für das Verfahren ausgesprochen.

Die Entscheidung über eine tatsächliche Amtsenthebung träfe aber der Senat, wo Trumps Republikaner die Mehrheit haben. Die Aussichten auf Erfolg eines solchen Verfahrens sind daher gering. Bisher wurde noch kein US-Präsident durch ein Impeachment-Verfahren des Amtes enthoben.

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