piwik no script img

Ampel-Kabinett gegen hohe EnergiepreiseHeizkostenzuschuss beschlossen

Haushalte mit niedrigem Einkommen sollen einmalig 135 bis 175 Euro bekommen. Wem wird das helfen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Warme Füße in warmen Socken an warmer Heizung Foto: Photodisc/getty

Berlin dpa/rtr/afp | Die Bundesregierung hat Pläne für einen einmaligen Heizkostenzuschuss für über 2,1 Millionen Bedürftige auf den Weg gebracht. Das Kabinett verabschiedete dazu am Mittwoch eine sogenannte Formulierungshilfe, mit der die Fraktionen der Ampel-Koalition nun ein Gesetz im Bundestag einbringen sollen. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) sagte in Berlin, ab Juni komme der Zuschuss. Als nächster Schritt solle dann der CO2-Preis zwischen Mietern und Vermietern aufgeteilt werden. „Das machen wir bis zum 1. Juni.“

Mit der einmaligen Finanzspritze sollen die explodierten Preise für Heizöl und Gas etwas abgefedert werden – denn vielen Ver­brau­che­r*in­nen droht im Sommer eine saftige Nachzahlung.

Unterstützung soll es für Wohngeldbezieher, für Studierende mit Bafög, Be­zie­he­r*in­nen von Aufstiegs-Bafög und Berufsausbildungsbeihilfe geben. Wohngeldbezieher*innen, die alleine leben, bekommen 135 Euro, Zwei-Personen-Haushalte 175 Euro. Für jeden weiteren Mitbewohner sind noch einmal 35 Euro vorgesehen. Studierende, Auszubildende und andere Berechtigte erhalten pauschal 115 Euro.

Laut Bauministerium profitieren von dem Zuschuss voraussichtlich 1,6 Millionen Menschen in 710 000 Haushalten mit Wohngeld, außerdem 370.000 Studierende, rund 50.000 Be­zie­he­r*in­nen von Aufstiegs-Bafög und rund 65.000 Bürger*innen, die Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld bekommen. Die Hilfe kostet den Bund fast 190 Millionen Euro.

Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema:

Was ist der Heizkostenzuschuss?

Es ist eine Einmalzahlung, die mit Blick auf die stark gestiegenen Energiepreise gewährt wird. Berechtigt sind Wohn­geld­be­zie­he­r*in­nen sowie die Emp­fän­ge­r*in­nen von Bafög und Ausbildungsbeihilfen. Alleine wohnende Wohn­geld­be­zie­he­r*in­nen bekommen 135 Euro, ein Zwei-Personen-Haushalt 175 Euro. Für jede weitere Person gibt es 35 Euro. Das heißt, eine vierköpfige Familie mit Wohngeldberechtigung erhält 245 Euro. Die Be­zie­he­r*in­nen von Bafög und Ausbildungshilfen erhalten pauschal 115 Euro.

Wieviele Menschen profitieren letztlich?

Insgesamt dürften es gut 2,1 Millionen sein, also etwa ein Vierzigstel der Bevölkerung. Nach Angaben des Bauministeriums erhielten zuletzt 1,6 Millionen Menschen in 710.000 Haushalten Wohngeld. Dazu kommen rund 370.000 Bafög-Empfänger*innen, 50.000 Be­zie­he­r*in­nen von Aufstiegs-Bafög und 65.000 Emp­fän­ge­r*in­nen der Ausbildungsbeihilfen.

Ist die Höhe der Hilfe willkürlich?

Das Bauministerium stützt die Höhe des Zuschuss auf eine Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft. Die Kölner Ex­per­t*in­nen haben die geschätzten Heizkosten der Wohngeldhaushalte des Jahres 2020 mit den bis Frühjahr 2022 zu erwartenden Preissteigerungen berechnet. Auf Basis der durchschnittlichen Mehrbelastung wurden die Beträge für die Einmalzahlung ermittelt.

Wann wird der Heizkostenzuschuss ausgezahlt?

Der Entwurf von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) kommt nun zunächst in den Bundestag, wo er angesichts der stabilen Mehrheit der Ampel-Koalition sicher beschlossen wird. Bis zum Beschluss vergeht aber noch etwas Zeit – eine Auszahlung erwartet die Ministerin im Sommer. Damit sollen aber Bedürftige Klarheit über den Zuschuss haben, wenn die Betriebskostenabrechnungen mit den Heizkosten für den Winter 2021/22 verschickt sind.

Muss die Hilfe beantragt werden?

Nein, das Geld wird zumindest an die Wohngeldberechtigten automatisch ausbezahlt. Voraussetzung ist, dass sie in den Monaten Oktober 2021 bis März 2022 mindestens einen Monat Wohngeld bezogen haben. Dagegen müssen Be­zie­he­r*in­nen von Bafög und Aufstiegs-Bafög einen Antrag stellen. Dies ist voraussichtlich bei den zuständigen Bafög-Ämtern möglich.

Sinken wegen des Zuschusses andere Sozialleistungen?

Der Heizkostenzuschuss soll nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet werden. Wer etwa einen Kinderzuschlag erhält, muss nicht fürchten, dass dieser gekürzt wird.

Sind auch Steuersenkungen als Kostendämpfer geplant?

Eine Steuersenkung, um die hohen Heizkosten für alle wieder zu drücken, soll es nicht geben. Ministerin Geywitz nannte solch einen Schritt widersprüchlich mit Blick auf die CO2-Bepreisung. Außerdem wäre er nach den Vorgaben der EU gar nicht möglich.

Aktualisiert und ergänzt am 02.02.2022 um 14:15 Uhr. Anm. d. R.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Im Prinzip zahlt also wie immer die Mittelschicht jetzt die komplette Energiewende, die ja auch diesen Ausgleich für die Bedürftigen den ich ausdrücklich befürworte über die Steuern finanziert. Wer für einen relativ geringen Lohn nur knapp über der Bemessungsgrenze noch arbeiten geht, ist ja auch selbst Schuld vermutlich. Wenn im Sommer alle die Abrechnungen bekommen wird es wahrscheinlich ziemlich ungemütlich.

    • @Šarru-kīnu:

      Die über dem Mittelstand vergessen zu erwähnen?



      "Wer für einen relativ geringen Lohn nur knapp über der Bemessungsgrenze..."



      Wenn die alle zuhause bleiben, wird´s ungemütlich. Meist Erbringer von Dienstleistungen, zu deren Zahlung für eine angemessener Entlohnung ohne Sozialleistungen kaum ein "Mittelständler" bereit wäre.



      Ach, wie leicht ist zu Welt zu erklären, wenn´s an den eigenen Geldbeutel geht.

  • Das ist schonmal gut.

    Mir liegt seid langem jedoch ein anderes Prinzip am Herzen, ich habe es bisher nicht gefunden, weder in Parteiprogrammen noch sonst wo:

    Wir leben in einem Land, in dem wir gewisse Grundrechte haben. Die uns einen minimalen Lebensstandard erlauben, egal was wir tun. Wir haben ein Grundrecht darauf, eine Heizung anzuschalten, wenn es kalt ist, wir haben ein Grundrecht darauf, uns auf digitalem Wege zu informieren, wir haben ein Grundrecht darauf unser Essen zu kochen. Drei Beispiele, es gibt mehr. Alle drei Beispiele sind betroffen von einer Co2 Steuer. An anderer Stelle hat sich unser Staat schon darauf eingelassen, Grundrechte zu quantifizieren. Wir haben was Geld angeht einen Harz4 Satz. Das Geld kann man bekommen um sein Essen zu kaufen.

    Wir könnten uns auf einen minimalen "lebensnotwendigen" Co2 ausstoss einigen. Verbrauch von n (unbestimmte Zahl von meiner Seite) kWh Strom beispielsweise einigen. Der ist Steuerfrei. Alles über n bekommt einen Steuersatz und der Steuersatz erhöht sich, wenn es sein muss exponetiel. Haushalte mit dem doppelten Verbrauch pro Person (2n) zahlen Steuersatz x, mit dreifachen (2x), mit vierfachen Verbrauch dann vielleicht schon (4x).

    Das kann ein Trigger für jeden sein, seinen Computer auszuschalten, wenn er nicht genutzt wird (nur zum Hinweis, der A-Tritt geht in meine Richtung :) ). Fenster zu beim heizen, oder genauer gesagt, es trifft jeden, der mehr konsumiert als nötig ist.

    Ich habe extra keine Zahlen genannt, mir geht es hier um die Grundidee. Gesetztes Implementierungen würden tausende und abertausende Sonderregelungen beinhalten. Aber ist das nicht besser? Mehr Personen Haushalte bekommen natürlich pro Kopf ihre (n) KwH. Muttter mit zwei Kindern hat mal 3n steuerfrei.

    Ich halte das für sehr viel sozialer als das was wir jetzt haben. Je höher der Konsum, desto "schmerzhafter" die Steuer. Und die sozial schwächsten haben gar keine Steuer...

  • Statt Heizkosten hätte besser wärmere Kleidung bezuschusst werden sollen. Wenn Hartz-IV-Empfänger auch in Zukunft im Winter weiter die Fenster offen stehen lassen können, damit es in der Wohnung nicht zu warm wird, verschärft das die Klima-Krise immer weiter! Es darf keinen sozialen Ausgleich für steigende Energiepreise mehr geben!

    • @VanessaH:

      Ja ich verstehe Ihr Argument. Allerdings habe ich genau über Ihrem Post eine kleine Wall of Text hinterlassen als eine Grundidee, welche den Ernst der Krise berücksichtigt und trotzdem sozial verträglich ist.

      Dass man statt Heizung anschmeissen auch mal nen Wollpulli anziehen kann, dem kann ich nur zustimmen.



      Aber auch das könnte man in meiner Idee mit berücksichtigen. Muss man halt nur in der mathematischen Steuerfunktion mit Parameter tuning machen.

      Ich bitte Sie beim Überdenken meines Vorschlags mitzuberücksichtigen, dass nach wie vor die Mehrheit der Wähler, sagen wir mal weit über 90%, den Ernst der Krise unterschätzt. Wenn man diesen 90% komplett vor den Kopf stösst, gibts nen Erdrutschsieg für die AFD, dass ist die andere traurige Seite der Medallie.

      "Mit dem schlimmsten Rechnen, aufs Beste hoffen und das annehmen was kommt." Habe leider den Namen der Philosophin vergessen die den Satz mal rausgehauen hat als Lebensgrundprinzip. Kommt jedenfalls nicht von mir, aber vielleicht hilft es ja.

  • Wenn ich es richtig verstehe, sind Bezieher von SGBII-Leistungen nicht berücksichtigt worden. Wahrscheinlich, weil dort die Regelsätze solche Kostensteigerungen längst abdecken.