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Amnesty zu russischem Einsatz in SyrienHunderte tote Zivilisten

Russland inszeniert seine Luftangriffe in Syrien als quasi chirurgische Operationen gegen Terrorkämpfer. Amnesty International spricht von vielen zivilen Opfern.

Für Zivilisten ist der Krieg in Syrien auch ohne russische Luftangriffe eine ständige Bedrohung. Foto: reuters

Beirut ap | Russland soll nach Erkenntnissen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bei Luftangriffen in Syrien Hunderte Zivilisten getötet haben. Seit Russland sich Ende September mit Luftangriffen an der Seite von Präsident Baschar al-Assad in den Bürgerkrieg eingemischt habe, gebe es immer mehr Berichte über den Einsatz von Streubomben in den betroffenen Gebieten, heißt es in einem Mittwoch veröffentlichten Bericht.

Streumunition verteilt nach dem Abwurf zahlreiche kleinere Sprengkörper, die zunächst nicht explodieren. Sie können Zivilisten noch lange nach dem Ende von Konflikten verstümmeln oder töten. Der Amnesty-Bericht bezieht sich auf sechs Attacken in den Provinzen Homs, Idlib und Aleppo, die sich zwischen September und November ereignet und mindestens 200 Zivilisten das Leben gekostet haben sollen.

„Einige russische Luftangriffe scheinen direkt auf Zivilisten oder zivile Objekte gerichtet gewesen zu sein“, sagte Philip Luther, Direktor des Amnesty-Programms für den Nahen Osten und Nordafrika. So seien Wohngebiete getroffen worden, die offensichtlich kein militärisches Ziel abgäben. Selbst medizinische Einrichtungen seien getroffen worden, was zum Tod oder zur Verletzung von Zivilisten geführt habe. „Solche Attacken könnten Kriegsverbrechen darstellen“, fügte Luther hinzu.

Vergangene Woche hatte bereits die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärt, seit dem Beginn der russischen Luftangriffe seien bei mindestens 20 Vorfällen Streubomben eingesetzt worden.

Russische Regierungsvertreter haben derartige Anschuldigungen stets zurückgewiesen. „Russland führt seine Operation in strikter Übereinstimmung mit den Prinzipien und Normen des internationalen Rechts durch“, versicherte Präsidentensprecher Dmitri Peskow erst am Montag. Auch Anwohner und oppositionelle Aktivisten in Syrien räumten ein, dass sich nichts zweifelsfrei nachweisen lasse, ob die Attacken von Russland oder dem syrischen Militär verübt worden seien.

Russland betont zudem, es greife nur Terroristen an, wie etwa die Miliz Islamischer Staat. Moskaus Protegé Assad bezeichnet allerdings alle seine Gegner als Terroristen.

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24 Kommentare

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  • So sicher wie aktuell das Weihnachtsoratorium: ein Artikel über Russland und die Kommentarspalte arbeitet sich an den USA ab.

    • @Trango:

      Beides ist geboten.

  • Es gibt keinen sauberen Krieg, auch nicht von vermeintlichen Saubernationen. Das haben die Amerikaner schon in Europa, in Japan, in Korea und Vietnam bewiesen.

  • Da kann ich Ihnen nur beipflichten:

    Auch diese Interviews mit z.B. den Angehörigen allein schon so vieler kollateraler Drohnenopfer haben so manchem "zu denken gegeben". Auch gibt immer noch „zu denken“, der mittlerweile zugegebene, sich über unbedingte Menschenrechte und Konventionen hinwegsetzende Militärschlag gegen ein „Krankenhaus ohne Grenzen“ mit vielen Toten.

    Und auch in Paris soll es, beim Terroranschlag mit Geiselnahme, im Zuge der Polizeiaktion zum Tode zahlreicher Zivilisten gekommen sein. (z.B. beim Zünden der Sprengstoffgürtel in Anwesenheit zahlreicher Geiseln weil ein Polizeikommando hereinstürmte; unter dem enormen Handlungsdruck sollen die französischen Polizisten nicht anders haben vorgehen können.)

    Die Welt ist also voller schlechter Menschen aber wer von denen ist schlechter als der andere?

    • @H.G.S.:

      Für @Grefe Hans-Ulrich gedacht.

  • Hab spaßeshalber gegoogelt: "amnesty international wirft usa kriegsverbrechen vor". Die Ergebnisse sind recht interessant. Bzw: Die Einseitigkeit von Amnesty International ist erbärmlich.

  • Im Prinzip machen die Russen das, was sie in Grosny auch gemacht haben. Eines der Ergebnisse war dann die Reaktion in Form der " Schwarzen Witwen " mit ihrem Anschlag in Moskau. Das war der Terroranschlag im Theater, wo die Russen dann das überdosierte Gas eingesetzt haben. Habe das Interview mit einer der " Schwarzen Witwen " gelesen. Hat mir zu denken gegeben.

    Hans-Ulrich Grefe

    • @Grefe Hans-Ulrich:

      Das Gas war damals sogar recht gut dosiert. Man hatte aber nicht genug Ambulanzen und Gegenmittel angefordert.

    • @Grefe Hans-Ulrich:

      Na, Gott sei Dank haben sie nicht gemacht, was die Amerikaner in Japan, Korea und Vietnam gemacht haben.

  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    @ANTON PHILLIPS:

     

    Ganz gleich welche Nation Fassbomben, Streumunition oder Phosphor als Mittel des Krieges gegen Zivilisten einsetzt, sie ist und bleibt verachtenswert!!!

     

    Unrecht muss benannt werden dürfen.

    Egal von welcher Sichtweise man subjektiv geprägt ist.

     

    Leider scheint es, als haben sich die Menschen- und Völkerrechte in Luft aufgelöst.

    Es hält sich weder die NATO noch Russland, noch sonst wer daran.

     

    Geopolitik und Strategie und das denken in Einflusssphären sind das Mittel des Ressourcenerhaltes im Raubtierkapitalismus.

    "Kollateralschäden" wie getötete Zivilisten nimmt man in Kauf.

    • @9076 (Profil gelöscht):

      Es gibt keinerlei moralische Skrupel mehr. Naja, im Krieg gab´s die wohl noch nie. Wenigstens Europa hatte nach 1945 die Chance, ein für allemal aus der Spirale der Gewalt auszusteigen. Leider vertan.

    • @9076 (Profil gelöscht):

      Amnesty International und Human Rights Watch haben die menschenrechtsverletzenden Machenschaften der Russen ganz klar benannt. Wollen Sie etwa behaupten, diese edlen Organisationen seien parteiisch?

    • @9076 (Profil gelöscht):

      Da bin ich bei Ihnen Alexandra. ALLE kritisieren. NICHT relativieren und verharmlosen, nur weil es Putins Horden sind.

  • Tja, und jetzt werden die Putin-Verehrer Schlange stehen um dieese Verbrechen zu relativieren und verharmlösen.

    "Die Amerikaner machen das doch auch" werden die sagen.

    Erbärmlich.

    • @anton philips:

      ""Die Amerikaner machen das doch auch" werden die sagen."

       

      Und stimmt das nicht?!

      • @ThinkDifferently:

        Aha -. und damit wollen Sie das Mordern durch Putins-Horde rechtfertigen?

    • @anton philips:

      "Da Napalm extrem schlecht verheilende Brandwunden und große Schmerzen verursacht, fällt es nach einigen neueren Interpretationen unter die übermäßiges Leid verursachenden geächteten Waffen des Artikels 23 der Haager Landkriegsordnung,[23] obwohl Brandwaffen mit gleicher Wirkungsweise wie zum Beispiel Flammenwerfer routinemäßig seit dem Ersten Weltkrieg eingesetzt wurden. Der Gebrauch von Brandwaffen gegen die Zivilbevölkerung wurde durch Protokoll III der Konvention der Vereinten Nationen zur Ächtung unmenschlicher Waffen im Jahre 1980 verboten.[24]

       

      Die Vereinigten Staaten haben nach eigenen Angaben ihre Bestände an Napalm im Jahr 2001 zerstört. Die USAF setzte während des Irakkrieges 2003 die Brandbombe Mk-77 gegen die Republikanische Garde ein.[25] Laut Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten enthält die Mk-77 ein Gemisch mit Kerosin und sei nicht als Napalm zu klassifizieren. Die verwendeten Substanzen seien zwar bemerkenswert ähnlich, jedoch verursache die auf Kerosin basierende Substanz weniger Umweltschäden. Ähnliche Brandbomben basieren auch auf Phosphor-Brandsätzen, die ebenfalls im Irak getestet wurden.[26]"

    • @anton philips:

      Die Amerikaner machen das "nicht auch", die machen das in viel größerem Maßstab. Keine andere Nation hat nach 1945 auch nur annähernd so viele Zivilisten getötet wie die USA. Allein in Vietnam drei bis vier Millionen durch 70.000 Tonnen des hochtoxischen Kampfgiftes Agent Orange und 400.000 Tonnen Napalm. In Korea löschten sie mit Napalm gezielt ganze Städte aus.

       

      Man kann sich nur wundern, wie die mit Abstand mörderischste und im Einsatz von Massenvernichtungstechniken skrupelloseste Nation der letzten 70 Jahre immer noch als "die Guten" oder "nicht so schlimm, wie alle immer sagen" durchgeht. Es bedarf dazu einer regelrechten Verblendung.

    • @anton philips:

      Dann sagen sie doch mal ihren Maßstab?

       

      Folgender Vorschlag: Wie wäre es mit einem Vergleich, wie viele zivile Opfer oder auch sog. Kollateralschäden seit sagen wir mal 2000 bis 2015 jeweils von den USA im Vergleich zu Russland insgesamt getötet wurden?

       

      Die hier im Artikel genannten 200 zivilen Opfer durch russische Angriffe seit September dieses Jahres sind 200 zu viel, keine Frage.

       

      Durch die verschiedenen militärischen Operationen seitens der USA sind allerdings Millionen ziviler Opfer entstanden. Alleine durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak 2003 sind es selbst nach offiziellen Angaben über 1 Mio.

       

      Ich will nicht realitiveren. Aber wenn dann gleiche Maßstäbe, oder? Also sagen wir es so. Bis Russland im Vergleich die selbe Menge unschuldiger Zivilisten getötet hat wie die USA, halten sich die Transatlantik-Verehrer, um es in ihre Sprache zu sagen, in Sachen Russland Kritik zurück?!

      • @BleibKritisch:

        Es gibt keine offiziellen Angaben über die Anzahl der irakischen Opfer des Irakkrieges. Es gibt nur diverse Schätzungen, die extrem weit auseinander gehen. Die 1 Mio-Schätzung ist dabei mit Abstand die höhste. Die meisten Schätzung gehen von weit weniger Toten aus, nämlich von etwa 100.000 Opfern. Ich selbst halte diese Zahl auch für wesentlich plausibler, wenn ich mir zum Vergleich andere Konflikte ansehe.

         

        Dass die Russen pro Bombe mehr Kollateralschäden verursachen als die Amerikaner dürfte in Anbetracht der verwendeten Waffensysteme nicht überraschen. Die Quote an intelligenter Munition ist bei den Russen erheblich geringer als bei den Amerikanern, wo sie inzwischen bei defacto 100% liegt. Die Russen werfen über Syrien hauptsächlich ungelenkte Bomben ab.

        • @Herbert Tok:

          Na, solange Sie 100.000 Opfer für plausibel halten ist die Welt ja in Ordnung.

          Die Friedensorganisation IPPNW (die 1985 den Friedensnobelpreis erhielt) kam Anfang dieses Jahres durch Abgleich aller bisherigen Schätzungen auf ca. 1 Mio. und erklärt, wie es zu den unterschiedlichen Zahlen kommt. (http://www.ippnw.org/pdf/2015-body-count.pdf)

      • @BleibKritisch:

        Ach so, und jetzt ist es für Sie entscheidend wieviele es sind? (wobei Ihrer Zahlen an wieviele durch die Amerikaner in Irak alles über Ihrfer "Fakten" aussagt. Diese Zahlen sind Iraker die durch anderen Iraker ermordert worden sind - NICHT durch die Amerikaner oder NATO)

        Aber als nächstes werden Sie mir erzählen wollen, dass die Menschen die aus der DDR fliehen wollten "es nur ein paar Hundert waren die erschossenn worden sind. Nicht wichtig.".

        Wissen Sie überhaupt wie lächerlich es ist was Sie hier schreiben? Wissen Sie wieviele Afghanen, Tschetchenen usw. usw. es sind die von die Russen ermodert worden sind?

        Na ja, das blenden Sie genauso aus wie alles andere was Ihnen nicht passt.

      • @BleibKritisch:

        Wenn schon, jemand mittels seiner Phantasie sich Zukunftsvorstellungen ausmalt, wie es @anton philips hier tut, um dann als moralisch selbst aufgewertete Instanz, endlich das Wörtchen „erbärmlich“ loswerden zu können, dann dürfte nicht damit zu rechnen sein, dass er Ihren begrüßenswert nüchternen Analysebeitrag überhaupt zur Kenntnis nehmen möchte.

    • @anton philips:

      Wie Wahr!