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Amerikanisch-pakistanische KomödieNie die richtigen Worte finden

Viel von seinem Leben hat Drehbuchautor Kumail Nanjiani in „The Big Sick“ gepackt. Oft weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll.

Was wäre eine amerikanische Komödie ohne einen Supermarkt? Kumail und Emily in Verhandlungen Foto: Weltkino

Wenn Komödien auf wahren Geschichten beruhen, merkt man das den Filmen selten an. Nicht nur, weil Menschen im realen Leben seltener schlagfertig sind, sondern vor allem, weil zum Humor eine gewisse Zuspitzung gehört, und das bedeutet: Reduktion. Es darf zwar turbulent zugehen, aber nicht zu viel passieren, was zwiespältige Gefühle auslöst. „The Big Sick“ ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme.

Man merkt der Komödie, die in den USA in diesem Jahr ein Überraschungshit war, die Echtheit des Erlebten noch an, weil der Film von so vielen Dingen gleichzeitig erzählt. Zum einen handelt er davon, wie der Pakistano­amerikaner Kumail (Kumail Nanjiani) eine Beziehung mit der blonden Emily (Zoe Kazan) beginnt, die bald an kulturellen Gegensätzen scheitert: Er will seine Eltern nicht enttäuschen, die fordern, dass er eine Pakistanerin heiratet.

Zum anderen schildert der Film, wie Wochen nach der Trennung Emily als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert wird und Kumail sich in die Rolle des „nächsten Angehörigen“ gedrängt sieht. Und zum Dritten erzählt er, wie Emilys Eltern anreisen und in der Sorge um die im Koma liegende Tochter mit Kumail eine eigene Freundschaft beginnen.

Große Erwartungen an einen Sohn

Damit wären gerade mal die drei Hauptstränge benannt, daneben gibt es noch die Geschichte von Kumail und seiner auf der Stelle tretenden Karriere als Stand-up-Comedian und die von Kumail und seinen Eltern, die von den großen Erwartungen handelt, die Emigranteneltern an ihre Sprößlinge stellen.

Es ist alles ein bisschen viel. Und oft, sehr oft weiß man als Zuschauer kaum, ob man mehr lachen oder weinen soll – und bemerkt nebenher fast mit Dankbarkeit, wie nah diese Affekte doch beieinander liegen und wie leicht sich zwischen ihnen wechseln lässt.

Nanjiani gehört zu jenen Comedians, denen man auf den ersten Blick gar keinen Humor zutraut, weshalb man umso mehr lacht, wenn sie tatsächlich einen Scherz landen.

Bekannt wurde der Schauspieler und Komiker Kumail Nanjiani mit der Serie „Silicon Valley“, wo er einer der sozial mangelbegabten Nerds darstellt, die sich besser in „Code“ als in Sprache ausdrücken können. Nanjianis „Act“, wenn man so will, ist sein pakistanischer Akzent und eine gewisse Hölzernheit in der Körpersprache. Er gehört zu jenen Comedians, denen man auf den ersten Blick gar keinen Humor zutraut, weshalb man umso mehr lacht, wenn sie tatsächlich einen Scherz landen.

Geschmeidig durchmanövrieren

In „The Big Sick“, beim Darstellen eines Teils seiner eigenen Lebensgeschichte, wendet er das gegenteilige Verfahren an: Hier gibt er zu Beginn den doch sehr geschmeidigen Komiker, der mit Selbstironie zu operieren weiß und sich mit gefälligen Lügen durchs Leben manövriert. An späterer Stelle erklärt er bei einem Auftritt im Comedy-Club, wie er dabei vorgeht: Seine Eltern wollten gerne, dass er Medizin studiert. Er lügt ihnen vor, sich für Jura einzuschreiben.

Warum die Jura-Lüge, wenn er doch auch gleich behaupten könnte, dass er Doktor wird? Weil sie dann erkennen würden, dass er ihnen nur sagt, was sie hören wollen … Der „Witz“ ist, dass an der Stelle zwar das abgebildete Publikum lacht, aber weniger der Filmzuschauer. So viel ist passiert bis dahin, dass man um die Tiefe seiner Konflikte mit den Eltern weiß – und ihn ernst nimmt.

„The Big Sick“

Regie: Michael Showalter. Mit Kumail Nanjiani, Zoe Kazan, Ray Romano, Holly Hunter u. a. USA 2017, 119 Min.

Dabei ist Nanjiani, obwohl im Zentrum, keineswegs der beste Schauspieler in diesem Film. Aber man muss ihm lassen, dass in der Interaktion mit ihm der Rest des Ensembles zu Hochleistungen gelangt. Zoe Kazan, eigentlich festgelegt auf den Typ des leicht verschrobenen Mädchens, das Männer durch ihre Exzentrizität vitalisiert, findet hier zu einer angenehm geerdeten Variante, die mehr ist als der bloße „love interest“.

Liebevolles Doublebind

Ihre von Ray Romano und Holly Hunter dargestellten Eltern aber sind das wahre Ereignis des Films. Dabei spielen sie mit großer Authentizität die quälende Sorge und ständige Angst, die sie um ihre Tochter empfinden. Sie stehen unter Hochspannung, reagieren schon mal aggressiv, aber zeigen dabei so viel Schwäche und Durchlässigkeit – dass man über sie lachen muss. Was sie wiederum selbst zu wissen scheinen. Besonders Romanos Terry wächst einem ans Herz – ein Vater, der eigentlich nie die richtigen Worte findet, aber Größe erlangt im Stetig-das-Falsche-Sagen. Etwa wenn er auf der Suche nach dem Krankenhaus-Rating den groben Umgangston im Internet beklagt: „Man geht online und die Leute dort hassen „Forrest Gump“. Den größten Film aller Zeiten!“

Kumails Eltern – dargestellt von Zenobia Shroff und Anupam Kher – sind von anderem, direkter komödiantischem Kaliber. Nanjiani, der das Drehbuch zusammen mit der „wahren Emily“, seiner Frau Emily V. Gordon schrieb, vermeidet die Karikatur der beschränkten „traditionellen Muslime“, indem er das „Doublebind“ ihrer Elternliebe aufs Korn nimmt: Er sei nicht mehr ihr Sohn, schwört die Mutter – und kocht ihm die Lieblingsspeise für den Umzug nach New York. „Du gehörst nicht mehr zur Familie, das ist der Abschied für immer!“, sagt der Vater, „aber vergiss nicht zu simsen, sobald du sicher in New York angekommen bist!“

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