piwik no script img

Ambitionen des Podemos-Chefs in SpanienInhalte hat er, nur eben alte

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Der Chef der spanischen Partei Podemos, Pablo Iglesias, wendet sich Madrid zu. Die Hoffnung von Millionen auf tiefgreifenden Wandel hat er verspielt.

Pablo Iglesias, Chef der Partei Unidas Podemos, möchte lieber in Madrid kandidieren Foto: Manu Fernandez/ap

D er Chef der linksalternativen Unidas Podemos (UP), Pablo Iglesias, möchte seinen Rückzug aus der spanischen Regierung und seine Kandidatur in der Hauptstadtregion Madrid als Akt „eines mutigen Parteimitglieds“ verkaufen. Mit kämpferischer Rhetorik in der viel von drohendem Faschismus, von den „linken Madridern“ und von der spanischen „Republik“ die Rede ist, stilisiert er sich zum Führer und zum Retter der Linken.

Vergessen sind die Zeiten, als er Kategorien wie links und rechts ablehnte und für eine „transversale Politik“ des „gesunden Menschenverstands“ warb. Er richtet sich längst nicht mehr an ein modernes, linksalternatives, feministisches, grünes Spektrum. Er wirbt um die Stimmen der orthodoxen Linken, derer, die schon immer alles besser wussten als der Rest des fortschrittlichen Lagers.

Iglesias, der in den letzten Jahren alle aus der UP säuberte, die den Zusammenschluss mit der Vereinigten Linken und damit der Kommunistischen Partei nicht nachvollziehen wollten, beschwört jetzt die „Einheit“ und hat dabei Más Madrid (Mehr Madrid) im Auge, die in der Hauptstadtregion vor zwei Jahren Podemos beerbte. Es ist reine Rhetorik. Iglesias wusste, dass er einen Korb bekommen wird. Viele haben nicht vergessen, dass er bei den vergangenen Bürgermeisterinnenwahlen eine kleine Splitterkandidatur aus orthodoxen Linken statt der amtierenden Bürgermeisterin Manuela Carmena unterstützte. Iglesias Option schaffte es nicht, Carmena fehlten wenige Stimmen. Nun regiert ein Rechtsbündnis mit Unterstützung der rechtsextremen VOX die spanische Hauptstadt.

Iglesias, der vor sieben Jahren „den Himmel im Sturm nehmen“ wollte, wird die Agonie seiner Partei verlangsamen, aufhalten wird er sie nicht. Er hat die Hoffnung von Millionen auf einen tiefgreifenden Wandel in Spanien verspielt. „Von Madrid in den Himmel … und dort ein Löchlein, um es zu sehen“, lautet ein Sprichwort. Mit dem versprochenen Erstürmung hat das allerdings nichts zu tun.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Das fatale daran ist, dass politische Entscheidungen nicht von der Basis, sondern selbstherrlichen 'Polit-Caudillos' getroffen werden - ein Übel nicht nur spanischer Politik. Sie verhindern für den Machterhalt die inhaltlich notwendige Debatte darüber, worin linke Politik 2021 besteht. Ach ja, Kritik an der Bürgermeisterin Cardenas kam gerade von Basis-Initativen, die gegen Wohnraumvernichtung kämpfen. Oben ist die Luft dünn und das venebelt das Hirn - alte Bergsteigerweisheit. Spass beiseite, bevor über Podemos gelästert wird, wir haben mit Kretschmann und seinen Grünen in BaWü auch einen politischen 'Heilsbringer', dessen politische Praxis in den letzten zehn Jahren, gelinde gesagt diskussionswürdig ist - aber der Heiligenschein des Wahlsiegers blendet auch bei uns ....

  • Iglesias hat nicht alles falsch gemacht. Immerhin sind sie als erste Koalition der Spanischen Geschichte nach der Diktatur in der Regierung. Viele der neuen Parteien, die nach dem 15M entstanden sind, haben die politische Landschaft nachhaltig geändert, aber sie müssen auch reifen. Iglesias wirkte oft etwas unflexibel und hat eine Spaltung seiner Partei nicht verhindern können. Jedoch das ist Demokratie. Er stand sicherlich unter Dauerfeuer. Ich finde es gut, dass er jetzt aussteigt. Ich bin gespannt, wie Podemos sich weiterentwickelt.

    • @Doktor No:

      Hier stimme ich Ihnen in allen Punkten zu, Doktor No.

  • Er stand sicherlich unter Dauerfeuer. Aber Koalition, Kompromiss usw. scheinen nicht seine Stärken zu sein. Auch deswegen hat er relativ wenig erreicht. Auch Pedro Sanchez hat ziemlich viele Chancen verpasst. Ich hoffe auf bessere Politiker in Spanien, damit Vox nicht in die Regierung kommt. Die Rechtspopulisten werden als Koalitionspartner akzeptiert und sind in vielen Regionalparlamente mit in der Regierung zusammen mit den Mitte Rechts Parteien.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Vergessen sind die Zeiten, als er Kategorien wie links und rechts ablehnte und für eine „transversale Politik“ des „gesunden Menschenverstands“ warb. Er richtet sich längst nicht mehr an ein modernes, linksalternatives, feministisches, grünes Spektrum."



    Also ob nun "linksalternativ" oder doch "rechtsalternativ" ist ja nicht so wichtig, oder? Willkommen im Gruselkabinett der Ideologie des Pragmatismus. Von der sich Iglesias abgewendet zu haben scheint.



    In Madrid haben PP, Ciudadanos und Vox mehr als 50% der Stimmen erreicht und die Schuld daran wird der Linken in die Schuhe geschoben - als wäre die dran schuld, wenn Liberale und Konservative mit Faschisten koalieren.



    Da zeigen sich deutliche historische Parallelen in Hinblick auf die vorfaschistische Weimarer Republik. Den Kommunisten die Schuld an der Machtergreifung der Nazis zuzuschreiben, ist bürgerliche Schuldabwehr. Würde Wandler das auch schreiben, wenn in Thüringen die CDU und die FDP mit der AfD koalieren würde? Wäre dann auch die Linke dran schuld weil sie keine bessere CDU in grün ist?



    Man muss schon ganz schön feste das rechte Auge zukneifen, wenn man die Faschisierung Spaniens nicht sehen will. Spanische Generäle sagen, sie würden gern ein Drittel der Bevölkerung umbringen und die Justiz sperrt Künstler ein. Acht an der Zahl sind es mittlerweile und damit liegt Spanien weltweit an der Spitze. Die Zahl der Femizide nimmt von Jahr zu Jahr deutlich zu und die Eskalationspolitik mit der katalonischen Autonomiebewegung wird auf die Spitze getrieben. Die PSOE, die Faschisten aktiv vor Strafverfolgung schützt, will keine Linken in der Regierung, aber mit deren Stimmen regieren und daran ist dann die Linke schuld? So einfach kann die Welt sein wenn man aufgehört hat, in politischen Kategorien zu denken, sondern nur noch politische Formeln beschwört.

  • Deutliche Kritik von Rainer Wandler an Pablo Iglesias. Das beurteile ich sehr ähnlich.

    Aus der Bewegung 15M der Jahre 2012/2013 und den "Empörten" ging diese "revolutionäre Partei" hervor.



    Die Revolution fand bisher allerdings nur in Katalonien statt, leider noch nicht in ganz Spanien.

    • @Priest:

      An der Vielfalt (oder Division?) der katalanischen Parteien, die für eine Spaltung von Spanien und für ein eigenes Land werben, sieht man dass die „Revolution“ eine ganz andere Sache ist?

      In Katalonien ist es sicherlich kulturell motiviert, wobei das Populismus und irre Kampagnen a la Brexit eine große Rolle gespielt haben. Auch verletztes „Ehrgefühl“ spielte eine Rolle. Korrupte Politiker haben den Diskurs von ihrer Inkompetenz abgelehnt und die davor recht offene Gesellschaft tief gespalten und manipuliert.

      Die Bewegung 15M suchte eine faire Verteilung nach unten von dem 1%. Aus dieser Bewegung ist das Ende des „Bipartidismus“+ regional Parteien (a la CSU) entstanden. Die neuen Parteien haben aber ihren fulminanten Aufstieg nicht so gut genutzt. Trotzdem lernen sie dazu. Es ist Demokratie. Bin gespannt wie es bei podemos weitergeht.

      • @Doktor No:

        Die Bevölkerung Kataloniens mag zwar in der Frage der Unabhängigkeit gespalten sein, aber nicht in der Frage der Lösung des politischen Konflikts, denn eine grosse Mehrheit befürwortet seit vielen Jahren ein verbindliches Referendum.



        Spanien insgesamt ist allerdings in Demokraten und Scheindemokraten (bzw. Faschisten) gespalten, weshalb politische Konflikte (und Dissidenten) derzeit eher wie in der Türkei oder Russland behandelt werden, als in anderen westlichen, modernen EU-Staaten.

        Sowohl nationalistischer Populismus als auch massive Korruptionsskandale (von PP, PSOE und der Monarchie insgesamt) sind in erster Linie kein katalanisches Problem, auch wenn der Staat und die unionistische Presse aus Eigeninteresse gern das Gegenteil vermitteln würde, Doktor No.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Der größte Feind von Linksaußen sind Linke rechts von ihnen, hat man am krassesten im spanischen Bürgerkrieg gesehen wo es wichtiger war die Trotzskysten zu liquidieren oder in den Maitagen die Anarchisten. Lieber hat manch einer da eine hart-rechte Regierung als mit den Sozialdemokraten zu kooperieren. Aber wer so denkt dem geht es nicht um die Menschen dem geht es in erster Linie um den Hass auf den politischen Gegner.