Altkanzler Schröder bei SPD-Fraktion: „Ich bin nicht Moses“
Beim Besuch der SPD-Fraktion lässt sich Gerhard Schröder feiern: für sein Nein zum Irakkrieg und die Agenda 2010. Das Rampenlicht genießt er sichtlich.
BERLIN taz | Es beginnt mit viel Applaus. Minutenlang. Einige der Bundestagsabgeordneten der SPD empfangen ihren Altkanzler gar mit stehenden Ovationen. Gerhard Schröder besucht am Dienstagnachmittag zum ersten Mal seit 2005 eine Fraktionssitzung seiner Partei und lässt sich feiern. Es schwingt viel Wehmut mit bei dem Auftritt Schröders. Er, der letzte SPD-Kanzler. Es scheint eine halbe Ewigkeit her zu sein, seit die Sozialdemokraten an der Macht waren.
Offizieller Anlass für die Einladung Schröders ist der Beginn des Irakkriegs vor zehn Jahren, bei dem sich Deutschland auf sein Bestreben hin nicht beteiligt hatte. Die SPD will das Thema medial gewürdigt wissen, wo doch derzeit alle nur über den zehnten Jahrestag von Schröders Reformprojekt, der Agenda 2010, berichten.
Bei der Pressekonferenz im Anschluss an die nichtöffentliche Fraktionssitzung gelingt das kaum. Fragen zum Irakkrieg? Gibt es nicht. Fragen zur Agenda? Um so mehr. „Ich bin positiv überrascht, dass die Agenda in der SPD heute viel stärker akzeptiert wird, als es einige zugeben wollen“, sagt Schröder. Die Schmerzen der SPD hielten sich in Grenzen.
Er räumt ein, dass es in der Fraktionssitzung selbst kritische Stimmen gegeben hat und macht gleichzeitig deutlich, dass das Reformprojekt von 2003 aus seiner Sicht nicht unangetastet bleiben muss. „Die Agenda sind nicht die zehn Gebote und ich bin nicht Moses“, sagt er. Gegen Korrekturen habe er nichts, solange die „Grundprinzipien der Agenda, die Menschen zu fordern und zu fördern, erhalten bleiben.“
Der gute Freund Trittin
Dass die SPD jetzt einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde fordert, findet er richtig. „Vor zehn Jahren waren selbst die Gewerkschaften gegen einen solchen Mindestlohn“, sagt er. Die Debatte habe sich weiterentwickelt, seine Partei diskutiere in die richtige Richtung.
Dass Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der SPD vorwerfe, sie sei für die soziale Schieflage durch die Hartz-Reformen verantwortlich, überrascht Schröder. „Die damalige Grünen-Fraktionschefin Krista Sager hat damals apodiktisch gesagt, dass es keine Mindestlöhne geben wird.“ Als Angriff wertet er Trittins Aussage nicht. „Solche kleinen Ausfälle hat es bei meinem guten Freund Jürgen Trittin immer gegeben, das sehe ich als Detailkritik.“
Schlicht „das Maul halten“
Zum Wahlprogramm der SPD, das am Montag offiziell vorgestellt wurde, will sich Schröder im Detail nicht äußern. Mit dem Programm rückt die Partei ein gutes Stück nach links, fordert neben Mindestlohn etwa eine Vermögenssteuer. „Ich habe das Programm ja nur auszugsweise gelesen, das ist bei mir immer so“, scherzt er. Das ein oder andere hätte er anders geschrieben, mehr Kritik gibt es nicht. „Man wird ja im Alter weiser. Die brauchen keine Ratschläge von mir, bescheiden wie ich bin", sagt Schröder. Manchmal sei es besser, schlicht „das Maul zu halten".
Da ist er wieder, der alte Schröder. Er genießt es sichtlich, fühlt sich wohl dabei, mal wieder im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Er scherzt mit den Journalisten und über seine eigene Vergangenheit. Um Sprüche ist er nicht verlegen.
Angesprochen auf die Fehler, die SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in den vergangenen Monaten gemacht hat, reagiert Schröder verständnisvoll. Fehler seien menschlich. „Spitzenpolitiker sind keine Maschinen, manchmal sind sie gut drauf, manchmal schlecht. Wie sie merken, bin ich heute gut drauf.“ Sein großer Auftritt ist vorbei. Noch einmal klicken die Blitzlichter, stürzen die Kameraleute hinter dem Altkanzler her, bis er um die Ecke verschwindet, mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht.
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