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Altersbericht der BundesregierungMythos „Babyboomer“

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Von pauschalen Erleichterungen für alle Rent­ne­r:in­nen profitieren auch jene, die schon genug haben. Wichtiger sind zielgerichtete Maßnahmen gegen Altersarmut.

Gute Aussichten nicht für alle Rentner Foto: Jens Büttner/dpa

E igentlich hätte man es sich denken können: Das Gerede von den Babyboomer:innen, die von den Beiträgen der Jungen eine fette Rente genießen, ist mit Vorsicht zu genießen. Die Ungleichheit nicht zwischen den Generationen nimmt zu, sondern jene zwischen den Menschen innerhalb einer Generation wächst. Das ergibt auch der am Mittwoch vorgelegte neunte Altersbericht der Bundesregierung.

Die Armutsquote bei den Alten ist gestiegen, obwohl die durchschnittlichen Alterseinkommen zulegten. Aber was heißt schon „Durchschnitt“? Ein 69-jähriger emeritierter Hochschulprofessor in München mit Zweitfrau und aus wohlhabender Familie lebt in einer völlig anderen Situation als eine 69-jährige alleinstehende ehemalige Krankenpflegehelferin mit Migrationshintergrund, die jahrelange Schichtarbeit mit mäßiger Bezahlung, eine Scheidung, Kinderbetreuung, die Pflege der alten Mutter und eine durchbrochene Erwerbsbiografie hinter sich hat. Beides sind „Babyboomer“.

Für die aktuelle politische Debatte im Wahlkampf bedeutet dies, dass politische Wohltaten, die allen Alten versprochen werden, ersetzt werden sollten durch zielgenauere Vorhaben.

Wie die Union mit der „Aktivrente“ erhebliche Steuererleichterungen zu versprechen für alle Alten, die noch arbeiten, erzeugt Mitnahmeeffekte auch für Akademiker:innen, die neben einer hohen Rente noch gut und gerne einen Zusatzjob stemmen können.

Und grundsätzlich die Eigenanteile bei der Pflege zu deckeln, wie es die SPD verspricht, würde auch sehr Wohlhabende staatlich subventionieren, die Pflegekosten aus eigenem Einkommen und Vermögen bezahlen könnten. Hier müsste es Differenzierungen geben. Die Ungleichheit unter den Alten wäre auch mit ein Grund, Vermögensbesteuerungen ernsthaft politisch zu verfolgen, denn „das letzte Hemd hat keine Taschen“, wie ein bekannter Spruch lautet.

Daher, auch wenn das Zielgruppen-Marketing der Parteien damit komplexer wird: Schluss mit den Generationenklischees – für einen an der Lebenswirklichkeit orientierten Wahlkampf.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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4 Kommentare

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  • In der Tat soll wohl auch das rhetorische Spalten zwischen den Generationen bewusst verdecken, dass die einen geerbt haben, Spezialpensionen beziehen, ... und andere eben nicht.



    Wie bei Datenanalyse generell, fängt es nach Segmentierung erst an spannend zu werden.

  • Wiedereinmal wird die Forderung nach Wiederaufnahme der Vermögenssteuer ( die seit 1997 ausser Kraft gesetzt wurde, und inzwischen in einer überarbeiten Form seit 1997 dem Bundestag vorliegt, seitdem " nur " auf Verabschiedung durch die Abgeordneten wartet )



    undifferenziert - und eher populistisch, diesmal nicht für den Klimaschutz, sondern im Zusammenhang mit der Altersversorgung ins Gespräch gebracht, was der Erhebung einer Vermögenssteuer suboptimal entgegenwirkt.



    Die Vermögenssteuer wird von den Gemeinden/ Städten erhoben, ist somit Ländersache und fließt nicht in die DRV, die dem Bund unterliegt, ein !



    Zudem soll eine Vermögenssteuer, wie von 22 Organisationen gefordert, unteranderem von Verdi, erst ab einem Freibetrag von einer Million Euro pro Person, mit 1 % versteuert werden. Der Steuertarif würde dann bis zu einem Nettogesamtvermögen von 20 Millionen Euro pro Person auf,1 5 Prozent steigen - darüber hinaus oberhalb eines Vermögens von 100 Millionen Euro ein Steuersatz 1,75 Prozent und ab einer Millarde pro Person mit 2 Prozent besteuert werden.



    Die Vermögenssteuer fließt nicht in die DRV ein.

  • Warum müssen hier immer wieder Menschen gegeneinander ausgespielt werden?



    Was haben Euch Rentner getan?

  • Und weshalb sollte ein Rentner, der in seiner gesamten Erwerbsbiografie nur wenig Rentenpunkte gesammelt hat am Ende noch gepammpert werden? Wer weniger in das Rentensystem einzahlt bekommt am Ende auch wenig wieder raus.

    Der als Beispiel ins Feld geführte Hochschulprofessor ist in der Regel eh verbeamtet und damit nicht vergleichbar. Soweit er ausnahmsweise nicht vorbeamtet sein sollte, wird er wohl ungleich mehr in das Rentensystem eingezahlt haben als die ins Feld geführte Krankenpflegehelferin mit Migrationshintergrund.