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Alternativer Nobelpreis für SaudiReformer Abu al-Khair ausgezeichnet

Mit unermüdlichem Willen kämpfte Walid Abu al-Khair für mehr politische Rechte in Saudi-Arabien. Nun wurde er mit dem Alternativen Nobelpreis geehrt.

Walid Abu al-Khair (M.), hier zusammen mit Abdullah al-Hamid (l.) und Mohammed Fahad al-Qahtani Foto: dpa

Berlin taz | Wie so viele Saudis mochte der Preisträger Hühnchen. Frittiertes Chicken mit Pommes und Pepsi, serviert im silbern glänzenden Alu der Fastfood-Kette „Al Baik“. Wer Walid Abu al-Khair in der saudischen Küstenstadt Jidda traf, als er noch in Freiheit war, konnte kaum ahnen, welch Willenskraft und welch außergewöhnlicher Mut in dem jungen Mann steckte.

Für diesen wurde der Reformer und Menschenrechtsanwalt nun zusammen mit sechs weiteren Preisträgern mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Das gab die Right Livelihood Award Foundation am Montag in Stockholm bekannt.

Die Karriere des mittlerweile 39-Jährigen begann im Jahr 2007 mit einem Kampf an mehreren Fronten. Kaum war er mit seinem Studium fertig, schloss sich der junge Anwalt einem Rechtsanwaltsbüro in Jidda an, um verschiedene saudische Oppositionelle zu vertreten. Gleichzeitig bemühte er sich, eine Menschenrechtsorganisation registrieren zu lassen und bekundete im Folgejahr mit einem Hungerstreik seine Solidarität mit verhafteten AktivistInnen, wofür er – zunächst nur für kurze Zeit – festgenommen wurde.

Wieder auf freiem Fuß, ging es weiter: Als Regenfälle 2009 weite Teile seiner Heimatstadt überfluteten und mehr als 100 Menschenleben forderten, unterstützte Abu al-Khair eine von jungen Leuten getragene Solidaritäts- und Protestbewegung in Jidda. Erstmals machten Aktivistinnen und Aktivisten sich die damals noch neuen sozialen Netzwerke zu Nutze und verliehen sich selbst eine Stimme. Es war eine Art saudischer Testballon für den Arabischen Frühling 2011.

Auf Facebook rief Abu al-Khair mit zwei weiteren Anwälten dazu auf, die Stadtverwaltung von Jidda zu verklagen. Auf die entstehenden Anwaltskosten würden sie verzichten. Es war Lokal-Aktivismus in seiner reinsten Form – und das in einem Staat, dem politische Teilhabe ein Fremdwort ist.

Petitionen an den König

Das große Ganze verlor Abu al-Khair dabei nicht aus den Augen: Verschiedene Petitionen richtete er direkt an den saudischen König. Darin forderten er und die UnterzeichnerInnen neben der Freilassung von politischen Gefangenen grundlegende Reformen des autoritär geführten Königreichs.

Gegen die saudische Monarchie wandte sich Abu al-Khair dabei nicht direkt, doch seine Forderungen waren weitgehend: Er wollte das monarchische System um ein gewähltes Parlament mit vollen legislativen Rechten erweitert sehen. Er forderte die Trennung des Amtes des Ministerpräsidenten von der Person des Königs und eine Reform des saudischen Grundgesetzes, die den BürgerInnen volle Rechte garantiere und eine wahre Gewaltenteilung etabliere.

15 Jahre Haft

2014 nahmen die saudischen Behörden Abu al-Khair fest und setzten seinem unermüdlichen Aktivismus ein Ende. Ein Sonderstrafgericht in Riad verurteilte ihn zu einer 15-jährigen Haftstrafe, einem anschließenden 15-jährigen Reiseverbot und einer Geldstrafe von 200.000 Riyal. „Anstachelung der öffentlichen Meinung“ und „Beleidigung der Justiz“, so lauteten die Vorwürfe unter anderem.

Noch im gleichen Jahr brachte die saudische Menschenrechtlerin Samar Badawi, Abu al-Khairs damalige Ehefrau, ein gemeinsames Kind zur Welt, dessen Geburt der Anwalt nicht miterlebte. Auch den Prozess um Samar Badawis Bruder Raif Badawi, den Abu al-Khair zuvor vertreten hatte, konnte er nur aus dem Gefängnis mitverfolgen.

Mit Walid Abu al-Khair wurden zweit weitere – ebenfalls inhaftierte – Menschenrechtler aus Saudi-Arabien ausgezeichnet. Die Jury in Stockholm ehrte auch Abdullah al-Hamid und Muhammad Fahad al-Qahtani für ihr Bestreben, das „totalitäre System“ ihres Landes mit friedlichen Mitteln zu reformieren.

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