piwik no script img

Alternative für DeutschlandParteitag und Protest

Die AfD wählt ihren Bundesvorstand neu, es dürfte stürmisch werden. Dafür sorgt der Streit im völkischen Flügel, aber auch die Gegendemo.

Klares Statement gegen die Afd: Protest vor der Grugahalle in Essen im Juni 2024 Foto: Markus Matzel/imago

Bevor die 600 AfD-Delegierten am Samstagmorgen in der Essener Grugahalle auf dem AfD-Parteitag den Bundesvorstand samt Parteispitze neu wählen, müssen sie zunächst einen Realitätscheck durchlaufen: Angekündigt sind Zehntausende Demonstrierende, die sich der extrem rechten Partei in den Weg stellen wollen, ein breites Bündnis vom CDU-Bürgermeister bis zur Antifa.

Vermutlich werden mehr Menschen gegen die AfD protestieren, als diese Mitglieder hat. Sie dekonstruieren damit die rechte Lebenslüge, dass diese die vermeintlich schweigende Mehrheit präsentieren, und machen klar: Die AfD ist die unbeliebteste Partei Deutschlands.

Denn seit Jahresbeginn ist eines gewiss: Nach rechten Schockmomenten kann die Zivilgesellschaft Gegenwehr leisten. Nachdem einer breiten Öffentlichkeit im Zuge der Correctiv-Recherche bewusst geworden ist, was Regierungsmacht für die AfD bedeuten würde, waren Millionen auf der Straße.

Trotzdem wurden AfD-Wähler*innen dadurch nicht wirklich demobilisiert und spätestens die Europawahl und die Kommunalwahlen im Osten waren ein weiterer Schock: Die politische Landkarte ist zweigeteilt – der Westen ist CDU-schwarz, der Osten ist AfD-blau, oder vielmehr -braun. Auch in einigen westlichen Städten und Gemeinden ist die AfD jetzt stärkste Kraft – die Faschisierung ist kein Ostproblem.

Hier zeigte sich: Ein paar Mal demonstrieren reicht nicht. Für wirksame Gegenwehr braucht es langfristige Bündnisse, eine Stärkung der demokratischen Kräfte, gerade in Regionen, in denen längst eine rechte Hegemonie etabliert ist. Vor allem in Sachsen, Thüringen und Brandenburg wäre dies wichtig. Hier kommt die AfD in Umfragen an eine demokratiekritische Schwelle von einem Drittel der Landtagsmandate, also einer Sperrminorität für demokratisch wichtige Prozesse wie die Besetzung von Richterposten.

Aber zivilgesellschaftliche Gegenwehr hat durchaus Wirkung. Zu Jahresbeginn stand die AfD bundesweit bei fast allen Umfragen bei 20 Prozent, mittlerweile sind es 16. Maximilian Krah hatte bei seiner Spitzenkandidatur für die EU-Wahl vor einem Jahr siegestrunken 23 Prozent angepeilt – es wurden 15,9. Immer noch ein Rekordergebnis, aber es zeigt: Die braune Welle lässt sich brechen.

Chrupalla auf Schlingerkurs

Dass die AfD auch aufgrund zivilgesellschaftlichen Drucks bei den Stichwahlen im Osten hinter den eigenen Erwartungen bleibt, erzeugt Druck innerhalb der extrem rechten Partei. Ein komplett verkorkster Europa-Wahlkampf mit dem Möchtegern-Trump Maximilian Krah tat sein Übriges. Vor den Bundesvorstandswahlen wird das vor allem Parteichef Tino Chrupalla angekreidet. Sein Schlingerkurs sorgt für viel interne Kritik: Erst unterstützte er Krahs Kandidatur, dann setzte er ihn nach der Wahl vor die Tür der AfD-Delegation. Chrupallas angepeilte Wiederwahl als Parteisprecher dürfte knapp werden. Die anstehenden Landtagswahlen dürften der Hauptfaktor sein, dass er nicht öffentlich demontiert wird.

Nach der EU-Wahl zeigte sich auch eine Zersplitterung innerhalb des früher stramm stehenden völkisch-nationalistischen Flügels. Die Völkischen sind inzwischen so Mainstream in der AfD, dass sie sich Machtkämpfe untereinander leisten können: Mittlerweile gibt es dort neben Team Höcke und Team Krah auch ein Team Münzenmaier, ein Netzwerk überwiegend jüngerer Karrieristen um den ehemaligen Hooligan Sebastian Münzenmaier. Das steht inhaltlich dem Rest des Flügels in Radikalität in nichts nach, ist aber nach außen um professionelleres Auftreten bemüht. So wollen sie beim Parteitag dafür sorgen, dass die große Selbstzerfleischung ausbleibt.

Antrag für Einerspitze

Dennoch ist die Demontage von Tino Chrupalla längst geplant – wenn auch erst nach den Landtagswahlen. So zumindest lässt sich der Plan des Münzenmaier-Netzwerks lesen. Sie wollen auf dem Parteitag mit einem breit unterstützten Antrag eine Einerspitze plus Generalsekretär ab dem 1. Januar 2025 installieren.

Designierte Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl ist Alice Weidel. Die gilt zwar in Fraktion und Bundesvorstand als stinkfaule Opportunistin, ist aber in der Basis überaus beliebt – nicht zuletzt dank ihrer kalkulierten rassistischen Wutreden im Bundestag, gepaart mit bürgerlicher Perlenkettenfassade. Für die Münzenmaiers ist Weidel somit die perfekte Galionsfigur.

In Essen sind die Nachwuchs-Radikalen derzeit die wirksamsten Mehrheitsbeschaffer für Chrupalla und Weidel, die erneut als Doppelspitze antreten wollen. Gegenkandidaten gibt es nicht. Die Kontinuität soll Ruhe hereinbringen. Die Zehntausenden vor der Grugahalle dürften indes dafür sorgen, dass es kein ruhiges Wochenende wird für die AfD.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Démos sind sehr wichtig, aber sie reichen überhaupt nicht. Gefragt sind Menschen, die sich engagieren, die eintreten, die bleiben, die mitmachen, die auch mittragen, in Kirchen, in Gewerkschaften, in Verbänden, in Vereinen, in Kammern und natürlich vor allem in Parteien. Wer einer Partei wirklich nahe steht, sollte den Schritt jetzt wagen. Nur eine starke, kompetente Gesellschaft kann die AfD stoppen. Und wer ist die AfD überhaupt? Das war Mal eine extreme neoliberale Anti-EU und Anti-Euro-Partei, inzwischen lenken harte Rechtsextremisten und Rassisten die Partei. In Parlamenten finden sie nicht die Toilette und wirken wie ein Praktikantenverein, ihre Anfragen richten sich fast immer gegen Migranten. Die Lösung ist deutsch und Xenophob.

  • Zivilgesellschaftliche Stärke gegen rechts zu zeigen ist enorm wichtig. Was es aber JETZT vorallem braucht ist eine sofortige Abkehr der Regierungsparteien, sowie der CDU/CSU von populistisch bis rassistischen Parolen und Politik. Die rassistische Polemik gegen Migrant:innen, Geflüchtete, die immer schnellere Verschärftung vom Asylrecht und die aktive Mitwirkung bei der tödlichen Abschottung Europas (das Mittelmeer ist inzwischen ein Meer aus Millionen Leichen) wird eiskalt als "Problemlösung" für seit 30 Jahren tot gesparte Infrastruktur, Bildungs- Gesundheits- und Sozialsysteme "verkauft", neuerdings sollen Abschiebungen in Folterstaaten wie Syrien und Afghanistan die hausgemachten Probleme des neoliberalen Irrwegs (Befreiuung der Marktwirtschaft von sozialer Verantwortung). Mit ein wenig abgemilderter Sprache, als die AfD-Völkischen sie verwenden, machen die demokratischen Parteien seit den 90er Jahren ("das Boot ist voll", als der Jugoslawienkrieg 1 Million Menschen aus der Heimat vertrieb) völkischen Rassismus wieder sag- und umsetzbar. Die Grenze zur noch deutlicher ausgesprochenen Menschenverachtung der AfD, wurde von der vielgepriesenen "Mitte" schon längst abgebaut.

  • "Für wirksame Gegenwehr braucht es langfristige Bündnisse, eine Stärkung der demokratischen Kräfte ..."

    Was soll das sein?

    Ich lese oft die These, dass die Schuld an der Existenz der AfD bei den etablierten Parteien liegt und ich denke, dass da viel Wahres dran ist. Je undemokratischer der Umgang mit der AfD anmutet, desto zielsicherer wird der trotzige Wähler sein Kreuz setzen. Kindergartenpsychologie. Traurig, wie die politischen Akteure mit der Gesamtsituation umgehen und sich scheinbar im Kampf gegen die AfD verausgaben. Man sollte sich besser um die Bedürfnisse und Sorgen der Bevölkerung kümmern.

    Und, was könnte man alles erreichen, wenn die aufgebrachten Massen ihre Energie für das konkrete Wohl der Allgemeinheit einsetzen würden? Kindergärten, Schulen, Jugendzentren, Begegnungsstätten, Altenheime - es gibt so viel zu tun, damit wieder mehr Miteinander als das ewige Gegeneinander passiert.

  • „Wirksame Gegenwehr durch langfristige Bündnisse“



    Auf was was für einen schwachen Lösungsansatz fokussiert. Eine der effizientesten Lösungen wäre es, inhaltlich auf die Problembereiche einzugehen um



    dabei mehrheitsfähige Lösungen anzubieten. Ich glaube nicht, dass wir nochmal das Glück haben werden, dass die AFDler:innen Gruppe sich durch ihre eigene Dummheit selbst zerlegt.

  • Wer jetzt noch bei der AfD mit den NPD und Kameradschaftskadern Bierchen trinkt und n Würstchen isst am Dorfstand muss sich nicht mehr wundern als waschechter "Nazi" bezeichnet zu werden.

    Wer da jetzt noch abhängt oder denen die eigene Stimme gibt hat wirklich den letzten Schuss nicht gehört.

  • Hatte Essen nicht den Mietvetrag gekündigt?

    • @DiMa:

      Hatten essen nicht diverse kanzleien beauftragt, die alle sagten, dass das nicht laufen wird?