Altenheim gegen Betriebsratsgründung: Ver.di muss draußen bleiben
Der Altenheim-Betreiber Egestorff-Stiftung hat der Gewerkschaft Ver.di Hausverbot erteilt. Die will dort Betriebsratswahlen durchführen.
„Im April habe ich der Egestorff-Geschäftsführung schriftlich mitgeteilt, dass wir die Einladung zur Wahlversammlung für die Betriebsratswahl am 3. Mai aushängen wollen“, sagt Ver.di-Sekretärin Kerstin Bringmann. Am vergangenen Mittwoch habe sie den entsprechenden Aushang dann per Mail an Geschäftsführerin Melanie Löwemann geschickt. Die habe am Donnerstag zurückgemailt, „dass sie das mit der Betriebsratswahl nicht einsehe, weil es erst noch ein Gespräch mit Kirchenvertretern gebe, in dem geklärt werden sollte, ob die Stiftung nicht doch der Kirche zugehörig sei“.
Bringmann, ohnehin auf dem Weg zur Egestorf-Stiftung, um die Einladung auszuhängen, habe vor Ort direkt das Gespräch mit der Geschäftsführerin gesucht: „Ich habe ihr erklärt, dass die Wahl eine Wahlvorstandes noch keine Betriebsratswahl sei und dass die immer noch abgeblasen werden könne, sollten Stiftung und Kirche sich wieder annähern.“
Klage gegen Hausverbot
Es nützte nichts, im Gegenteil: Löwemann erteilte ihr Hausverbot und untersagte ihr, die Einladung auszuhängen. „Ich darf künftig nur noch das MAV-Büro betreten – das ist rechtswidrig, denn das Zugangsrecht einer Gewerkschaft zum Betrieb ist verfassungsrechtlich geschützt“, sagt Bringmann.
Ver.di-Rechtsanwalt Bernhard Baumann-Czichon wird jetzt gerichtliche Schritte gegen die Stiftung einleiten: „Die Debatte darüber, ob hier kirchliches oder weltliches Arbeitsrecht anzuwenden ist, ist sachlich ja noch zu verstehen“, sagt er. „Aber das Verweigern des Zutrittsrechts und die Verhinderung der Betriebsratswahl deuten darauf hin, dass die Geschäftsführung sowohl die Nerven als auch die Orientierung verloren hat.“
Dabei scheint die Sachlage klar zu sein, denn selbst die zuständige Bremische Evangelische Kirche (BEK) hat bereits im März deutlich gemacht, dass die Stiftung nicht mehr zu ihr gehört und dies vor knapp zwei Wochen im Gespräch mit der taz auch bestätigt. „Es überrascht mich, dass sie nun offenbar glaubt, dass trotzdem weiterhin das Mitarbeitervertretungsgesetz gilt“, sagte Siegbert Wesner, juristischer Referent bei der BEK. Das aber scheint die ES zu glauben: Sie hat Widerspruch gegen die Entscheidung der BEK eingelegt.
Kerstin Bringmann, Ver.di
Anfragen der taz bezüglich des Hausverbots mochte die Stiftung nicht beantworten, stattdessen leitete ihr Sprecher eine interne Mitteilung an die Mitarbeiter der Stiftung von Freitagnachmittag weiter. Dort heißt es: „Nach unserer Auffassung ist die Egestorff-Stiftung (…) eine kirchliche Einrichtung. Als solche ist sie in der Pflicht, eine Mitarbeitervertretung zu wählen und keinen Betriebsrat, da nach § 118, Abs.2 das Betriebsverfassungsgesetz in kirchlichen Einrichtungen nicht anzuwenden ist.“ Man befinde sich „zu dieser Frage derzeit in guten und konstruktiven Gesprächen mit Vertretern der Bremischen Evangelischen Kirche“.
„Ungeklärte Rechtslage“
Auch eine Rechtfertigung für das Hausverbot findet sich in dem Schreiben: „Zu unserem Bedauern drängt die Gewerkschaft Ver.di allerdings darauf, trotz der ungeklärten Rechtslage die Wahl eines Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl kurzfristig durchzuführen. Diese Aktivitäten haben bereits jetzt zu einer spürbaren Unruhe unter Mitarbeitern und Bewohnern geführt – und es war zu befürchten, dass die Situation in den nächsten Tagen durch den angekündigten öffentlichen Druck von Ver.di weiterhin angeheizt wird.“
Allerdings habe man zugestimmt, die MAV-Räumlichkeiten zur Wahl eines Wahlvorstandes zur Verfügung zu stellen, lege jedoch „Wert auf die Feststellung, dass mit der Bereitstellung von Räumlichkeiten nicht automatisch Betriebsratswahlen zugestimmt wird“, heißt es in dem Schreiben weiter.
„Immerhin stimmen sie schon einmal der Wahlversammlung zu“, sagt Kerstin Bringmann. An der Rechtswidrigkeit des Hausverbots ändere das allerdings nichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen