Alte Lieder und Neue Musik: Mit Maria im Geigenhimmel

In der Musikgeschichte ist Maria immer wieder ein gern besungenes Thema. Auch beim Berliner Ultraschall-Festival für Neue Musik war von ihr zu hören.

Betrachterin vor Marienaltar im Westchor des Doms in Naumburg

Maria und die Kunst: Marienaltar im Naumburger Dom Foto: Hendrik Schmidt/dpa/picture alliance

Was es mit Maria auf sich hat? Ein Name, der the most beautiful sound I ever heard sein kann, „Maria, Maria, Maria“, all die schönen Klänge der Welt in einem einzigen Wort. Das ist die Maria aus der „West Side Story“, diesem fabulösen Musical von Leonard Bernstein und Stephen Sondheim, in dem die Maria dem schließlich tragisch dahinsterbenden Tony (es ist eben die Romeo-und-Julia-Geschichte) klarmacht, dass es Besseres gibt, als sich mit anderen herumzukloppen.

Musikalisch hat Maria eine Menge zu bieten.

Man mag auch „Santa Maria“ dazurechnen, einen Hit von Roland Kaiser mit der Vision einer südlichen Insel. Selbst wenn nicht ganz klar wird, ob nun dieser Inseltraum oder auch das Mädchen Maria („Maria, Maria“) heißt, das am Schluss des Liedes gar kein Mädchen mehr ist, sondern eine Frau. Dafür hat das Sänger-Ich gesorgt.

Schön an dem Lied ist natürlich, wie so ein heißes Eisen wie Maria und die Jungfräulichkeit mit einem beschwörenden „Humm-nana“ angegangen wird.

Im Kanon durch den Dornwald

Fester im christlichen Kanon aber steht man mit „Maria durch ein’ Dornwald ging“. Das Adventslied mit einer Andacht und dem auch bitteren Schmelz um die schwangere Maria. Man muss schon recht hartgesotten sein, um diesem Marienkult nichts abgewinnen zu können. Man muss ja nicht dran glauben. Im Hören aber wird man feststellen, dass Musik oft was mit Transzendenz zu tun hat und in diesem Lied bestimmt.

Ultraschall Berlin, das Festival für neue Musik, dauert bis 22. Januar 2023 mit Konzerten im Haus des Rundfunks, Heimathafen Neukölln und Silent Green. Programm unter ultraschallberlin.de. Die Konzerte werden zum Teil auch live im Radio übertragen.

Eine ganz aktuelle Marien­erscheinung war diese Woche bei Ultraschall zu hören, dem vom Deutschlandfunk Kultur und rbbKultur veranstalteten Festival für Neue Musik. Zum Auftakt am Mittwoch stand im bestens besetzten Großen Sendesaal im Berliner Haus des Rundfunks – und mit hoffentlich vielen Hörenden an den Radiogeräten; die Konzerte des bis Sonntag dauernden Festivals werden auch live übertragen – „Mary / Trans­cendence after trauma“ auf dem Programm, ein Stück der australischen Komponistin Liza Lim, die sich in ihrer Musik gern mit spirituellen Traditionen von Ritualen der Aborigines bis zu schamanistischen Praktiken Chinas (Lim hat chinesische Wurzeln) beschäftigt.

In ihrem „Mary“-Stück will die Komponistin die Marien­geschichte mit der Verkündigung, dass sie eben jungfräulich ein Kind, Jesus, bekommen würde, aus der Perspektive Marias hören. Über den Hinweis auf die Apokalypse soll in „Mary“ dazu auf die ökologische Krise unserer Zeit verwiesen sein.

Weniger Humm-nana, mehr Tiefgang

Was nun alles wenig Humm-nana ist und mit etwas mehr musikalischem Tiefgang unterwegs als „Santa Maria“. Träge aufsteigende Klangschlacken formten sich zu Erwartung, in knappen Sequenzen wurden vom Deutschen Symphonie-Orchester Berlin Stimmungsmusiken wie bei alten Filmsoundtracks skizziert, sekundenkurz gönnte sich die Musik aufbauschendes spätromantisches Pathos, naschte von der Süßlichkeit des Geigenhimmels und fand zwischendurch so zum fast quengelfreien Wohlklang. Also eine Gegend, in der die Neue Musik eher selten unterwegs ist.

Ein abwechslungsreiches, stets sich wandelndes Stück, in dem man gar nicht unbedingt die Apokalypse hören musste. In den Applaus danach mischte sich zumindest ein begeistertes Pfeifen.

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Mit Maria ist die Musikgeschichte vertraut. Mit Josef hat sie weniger zu tun. Auch wenn man an dem Abend im Haus des Rundfunks gern etwas aus der Perspektive von Josef, dem nicht biologischen Vater in dieser Jesus­geschichte, gehört hätte. War aber halt nicht.

Stattdessen gab es noch eine mäßig spannende Auseinandersetzung mit Geräuschen – „Brunnen“ von Carola Bauckholt – und von Bernhard Lang die „Monadologie VII“ zu hören, in der der österreichische Komponist sich mit Arnold Schönbergs zweiter Kammersinfonie beschäftigt in einer in Wiederholungsschleifen ausgestellten spröden Eleganz. Eine staksende und schließlich eckig tanzende Minimal Music.

Der so auf den Tanzboden geschubste Schönberg: das war dann wieder ein schöner Spaß.

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