Alpiner Paraski-Weltcup: Abfahren, bis sie oben sind
Am Feldberg wird ein Weltcup ausgetragen. Er soll dafür sorgen, dass Paraski größere Wertschätzung erhält. Wenn’s nicht klappt: Am Sport lag’s nicht.
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Justus Wolf war nach dem historischen ersten Paraski-Alpin-Weltcup in Deutschland einfach erleichtert und happy: „Es ist gigantisch, dass wir alle drei Renntage durchbekommen, auch wenn am letzten Tag auf der immer weicher werdenden Piste am Feldberg herausfordernd wurde“, sagte der Bundestrainer und Mitorganisator: „Unser erster Weltcup in Deutschland ist auch bei den anderen Nationen durchweg gut angekommen, und in den Medien waren wir endlich präsent.“
Auch die sportliche Bilanz des deutschen Teams passte zum positiven Gesamtfazit im Schwarzwald, wo vor 25 Jahren der letzte Alpin-Weltcup der Nichtbehinderten stattgefunden hatte. Die viermalige Paralympics-Siegerin Anna-Lena Forster feierte im Monoski alle drei möglichen Siege. In der stehenden Klasse jubelte Anna-Maria Rieder dreimal über Platz zwei hinter der überragenden Schwedin Ebba Aarsjö. „Ich habe gezeigt, dass ich ganz gut Skifahren kann“, sagte Rieder mit einem Grinsen. Davon überzeugten sich erstmals bei einem Weltcup in Deutschland auch die Spitzenfunktionäre des Deutschen Behindertensportverbands (DBS) – und die Lieblingsmenschen der deutschen Protagonistinnen.
„Das war echt etwas Besonderes. Familie, Freunde und Bekannte sind da, das ist einfach eine ganz andere Stimmung und Euphorie. Und eine ganz andere Wertschätzung für uns Sportlerinnen und Sportler daheim“, schwärmte Anna-Lena Forster. Die 29-Jährige ist nicht nur wegen ihrer vier Paralympics-Goldmedaillen und neun WM-Titel die Vorzeigefigur des deutschen Behindertensports. Bei der Wahl zur Sportlerin des Jahres belegte sie in Konkurrenz zu den nichtbehinderten Olympiastars einen glänzenden siebten Platz.
Anna-Lena Forster
Trotzdem finden die Highlights ihrer rasanten Sportart abseits der Paralympics – dort schauen im TV regelmäßig über 2 Millionen Deutsche zu – bislang überhaupt keine Beachtung in der Öffentlichkeit. „Wir verschwinden einfach in der Versenkung“, sagt Wolf drastisch. Der Chefcoach wollte sich mit diesem Zustand jedoch nicht abfinden und hatte nun großen persönlichen Anteil daran, dass es erstmals einen „Weltcup dahoam“ gab.
Alle Sachen karrt der Trainer an
Vom Hotelmanagement über Sponsorenbeschaffung bis zu Streckenverantwortung – Justus Wolf hatte (fast) überall seine Finger im Spiel. Natürlich karrte der Coach auch das nötige Pistenmaterial von Stangen bis zu Absperrungen vom Tegernsee an den Feldberg. Den Dank für außergewöhnliches Engagement gab er nach der erfolgreichen Premiere aber lieber weiter: „Ohne die tatkräftige Unterstützung der Feldbergbahnen und der Hilfe des Skiverbands Schwarzwald im Ehrenamt wäre all das nie möglich gewesen.“
Anna-Lena Forster nennt die Premiere in Deutschland „großereigniswürdig“ und „toporganisiert bis zur Videoleinwand im Ziel. Für alle Probleme – auch für die in den Bergen schwierige Barrierefreiheit – wurde eine Lösung gefunden. Deutschland kann definitiv in der Spitze der Weltcups weltweit mithalten.“ Zumal die Rennen auch im ZDF-Livestream zu erleben waren.
Eine Bewegtbild-Übertragung ist für die Organisatoren von Weltcups oder sogar Para-Großereignissen wie der WM keine vom Internationalen Skiverband FIS vorgegebene Pflichtaufgabe. „Es hängt deshalb immer davon ab, wie viel Energie, Leidenschaft und Sponsoren hinter einer Veranstaltung stecken“, sagt Anna-Lena Forster. „Dann entsteht ein cooles Event, und das ist der Anfang, so wie hier am Feldberg. Dann kommen das Fernsehen, die Zuschauer und irgendwann hoffentlich noch mehr Sponsoren.“ Forster übt offen Kritik: „Ich habe auch den Eindruck, dass der Ski-Weltverband FIS noch mehr tun könnte.“
Der deutsche Topstar fordert, dass mehr Para-Skirennen im Rahmen von Europacups oder Weltcups der Nichtbehinderten stattfinden sollten. Das garantiert eine größere Öffentlichkeit und ganz nebenbei auch eine TV-Übertragung. Wie diese Inklusion funktionieren kann, zeigen die Nordischen Ski-Weltmeisterschaften im norwegischen Trondheim, die Ende Februar beginnen. Dort finden erstmals auch zwei Para-Langlaufski-Entscheidungen statt. „Das ist eine super Idee, die auch bei uns funktionieren könnte. Wir fahren im Prinzip auf den gleichen Hängen wie die Alpin-Skifahrer, unsere Pisten sind nur entschärft und nicht so eisig“, so Forster: „Es wäre vieles machbar, wenn es gewollt wäre.“
Beim deutschen Paraski-Alpin-Weltcup am Feldberg ist das nun so. „Der Tenor ist schon, dass man es wiederholen sollte“, sagt Justus Wolf: „Schließlich sind die Strukturen einmal da, und das bleibt für die nächsten Jahre.“
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