Allzeithoch politischer Gewalt: Zeit für klare Maßnahmen
Es braucht die Zivilbevölkerung im Kampf gegen politische Gewalt. Und ein schärferes Vorgehen gegen die Täter.
D ie Zahlen kommen nicht überraschend, aber sie bieten allen Grund zur Beunruhigung. Die politischen Straftaten liegen nach dem Rekordjahr 2023 auf einem neuen Allzeithoch. Rechte Delikte stiegen deutlich an und liegen weit vorn. Im Internet gibt es für Hass kaum Schranken, Wahlkämpfende werden attackiert. Und der Nahostkonflikt sorgte für Straftaten auch auf hiesigen Straßen.
Die Zahlen erden zunächst einige Debatten: Sie unterstreichen, dass der Rechtsextremismus die größte Gefahr bleibt, die meisten Gewaltdelikte kommen von dort. Sie zeigen, dass auch der Antisemitismus weiter vorrangig aus dieser Ecke kommt. Vor allem aber sind die Zahlen Alarmsignale. So ist es eine irrige Annahme, dass es ob der deutschen Geschichte hierzulande größere Abwehrkräfte gegen Antisemitismus gibt. Das Vertrauen in die Demokratie schwindet, Polarisierungen greifen um sich.
Und immer mehr Menschen fühlen sich ermächtigt, auch Gewalt für ihre politischen Zielen einzusetzen. Es ist schnell die Rede von einer ernsten Lage – die haben wir jetzt. Natürlich fordert das zuerst die Zivilgesellschaft: Sie muss, wo sie kann, dem Hass Einhalt gebieten. Es ist ermutigend, dass zuletzt Zehntausende genau dies ja taten und für die Demokratie auf die Straße gingen. Nun ist aber auch der Staat gefordert.
Und es ist nicht falsch, wenn er Härte gegen die Gewalt zeigen will – nur sollte er es an der richtigen Stelle tun. Statt die Versammlungsfreiheit zu stutzen, gibt es anderswo genug zu tun: Immer noch gibt es zu viele Rechtsextreme mit Waffen oder offenen Haftbefehlen. Das Demokratiefördergesetz, seit zehn Jahren versprochen, ist bis heute nicht in Kraft. Immer noch dauert es oft zu lange, bis nach politischer Gewalt Tatmotive anerkannt und Urteile gesprochen werden.
Gewiss, das bedeutet mehr Stellen für Justiz oder Polizei – die den Sparansagen des Finanzministers entgegenstehen. Doch wenn es die Regierung in diesen Zeiten bei anerkennenden Worten der Demokratieproteste belässt und folgenlose Aktionspläne vorlegt, dann ist das eben zu wenig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen