Alkohol in Baden-Württemberg: Freiheit für Feiernde
Öffentliche Besäufnisse bleiben in Baden-Württemberg erlaubt. Die Städte müssen das Problem allein in den Griff bekommen, sagt Grün-Rot.
TÜBINGEN taz | Besäufnisse unter freiem Himmel bleiben im Südwesten weiterhin erlaubt. Und zwar entgegen dem Wunsch der Städte und entgegen dem Vorschlag einer Expertenrunde, die Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor eineinhalb Jahren eingesetzt hat. Der runde Tisch „Lebenswerter Öffentlicher Raum“ hatte gefordert, zeitlich und örtlich begrenzte Alkoholverbote zu erlauben. Die Landesregierung verfolgt sechs von acht Expertenvorschlägen weiter – das Alkoholverbot ist nicht darunter.
Während Kretschmann für ein solches Verbot ist, ebenso wie Innenminister Reinhold Gall (SPD), lehnt es die Basis von Grünen und SPD ab. Die hatte auf Parteitagen darüber abgestimmt. Ein Verbot sei „derzeit politisch nicht durchsetzbar“, sagen Kretschmann und Gall. Für ein Verbot müsste es einen Paragrafen im Polizeigesetz geben, der den Städten als Polizeibehörde erlaubt, ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen zu verhängen. Bislang gibt es keine Rechtsgrundlage dafür.
Ein Alkoholverbot an einem Freiburger Brennpunkt, dem sogenannten Bermudadreieck, wurde vom Verwaltungsgerichtshof 2009 kassiert. Gleich nach Einführung des Verbots hatte sich laut Freiburger Polizei die Zahl der Gewalttaten dort um 16 Prozent verringert.
Die CDU kritisiert, Kretschmann lasse die Städte mit dem Problem allein. Der Landesvorsitzende Thomas Strobl wirft ihm „Symbolpolitik“ vor. Ideen zur Prävention seien richtig, „aber die Möglichkeit, ein begrenztes Konsumverbot auszusprechen, ersetzen sie nicht“. Allerdings hatte die CDU zu ihrer Regierungszeit selbst keine politische Mehrheit für diese Gesetzesänderung – der Koalitionspartner FDP zog nicht mit.
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Rüdiger Seidenspinner, kritisiert, es werde so getan, als sollte das Trinken unter freiem Himmel gänzlich verboten werden, auch bei Weinfesten. Es gehe aber darum, dass man „Verbote für eine begrenzte Zeit verhängen kann, wenn präventive Maßnahmen nicht greifen, als letztes Mittel“.
Die Vorschläge des runden Tischs, die nun umgesetzt werden sollen, sind: verstärkte Polizeipräsenz, Lücken im Alkoholverkaufsverbot nach 22 Uhr sollen geschlossen werden, die Kommunen sollen einen „Werkzeugkoffer“ mit Vorschlägen erhalten. Bringt das alles nichts, will Kretschmann das Thema Alkoholkonsumverbot erneut auf die Tagesordnung setzen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!