Alex Meier über Fußball und Kritik: „Toreschießen muss man üben“
Bei Eintracht Frankfurt fühlt er sich trotz begrenzter Möglichkeiten wohl, sagt Torjäger Alex Meier. Und er glaubt zu wissen, was im Fußball und im Leben wichtig ist.
taz: Herr Meier, es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass Sie seit Wochen verletzt zuschauen müssen und trotzdem das erste Mal in Ihrer langen Karriere Torschützenkönig der Bundesliga werden können. Eine kleine Wiedergutmachung?
Alex Meier: Nein, solch eine Verletzung kann man mit nichts wiedergutmachen. Ich hätte lieber einige Tore weniger geschossen und könnte dafür gesund über das Spielfeld laufen.
Sie sagen immer, es sei Ihnen nicht wichtig, wer die Tore schießt. Ist Ihnen der Titel des besten Torschützen nichts wert?
Ich würde lügen, wenn ich sage, es sei nichts Besonderes, Torschützenkönig zu werden. Aber noch ist es nicht so weit. Und mir ist es wirklich wichtiger, wenn meine Mannschaft 2:0 gewinnt und ich kein Tor schieße, als wenn wir verlieren und ich schieße zwei Tore. Man hat eben nie alleine Erfolg, sondern nur, wenn die ganze Mannschaft gut ist.
Das wirkt so betont zurückgenommen.
Ich bin nur realistisch und weiß die Dinge einzuschätzen. Und ich weiß, was im Fußball und überhaupt im Leben wichtig ist. Ich bin da ganz normal, finde ich.
Ist der Beruf des Fußballspielers eigentlich Ihr Traumjob?
Ja, schon als kleines Kind wollte ich das werden. Ich kann mir nichts anderes vorstellen …
… aber Sie sind schon 32 Jahre alt, haben sich zum wiederholten Mal am Knie verletzt und fallen noch Monate aus. Machen Sie sich da keine Gedanken, was nach dem Profisport kommt?
Gedanken mache ich mir auch, wenn ich gesund bin, denn man weiß ja nie, wie lange man noch auf hohem Niveau spielen kann. Nur wenn ich an die Zukunft denke, kann ich mir nicht vorstellen, etwas zu machen, das nichts mit Fußball zu tun hat.
Sie spielen schon zehn Jahre in Frankfurt. Hier haben Sie Höhen und Tiefen erlebt und wurden gerade in Phasen, in denen es nicht so lief, stark kritisiert. Auch zuletzt hieß es trotz Ihrer vielen Tore, Sie würden zu wenig laufen. Wie gehen Sie damit um?
Ich bin immer für Kritik offen. Das muss auch sein, sonst gibt es keine Weiterentwicklung. Aber es kommt drauf an, wie die Kritik gemeint ist und ob sie stimmt. Mit 32 weiß ich schon selbst, ob ich gut oder schlecht gespielt habe.
wuchs in der Nordheide auf und begann seine Profikarriere beim FC St. Pauli und dem Hamburger SV. Seit 2004 spielt er bei Eintracht Frankfurt und erzielte in 295 Spielen 101 Tore. Diese Saison führt der 32-Jährige die Torschützenliste mit 19 Treffern vor Arjen Robben (17) an. In der Saison 2011/12 war er bereits Torschützenkönig der Zweiten Bundesliga gemeinsam mit Olivier Occéan und Nick Proschwitz.
Und wer trifft, hat sowieso recht?!
Wenn ein Stürmer trifft, hat er schon mal eine seiner Aufgaben erledigt. Aber es geht auch darum, für die Mannschaft zu laufen und nach hinten zu arbeiten. Damit hatte ich nie ein Problem.
Wie schießt man denn eigentlich Tore?
(Lacht) Man muss dafür schon üben und man braucht die Mitspieler, die einem die Bälle vorlegen. Und ein bisschen Glück gehört auch dazu. Ansonsten ist es weniger eine Kopfsache; gerade wenn wir den Ball haben, läuft das eher intuitiv.
Warum sind Sie nie zu einem anderen Verein gewechselt? Haben Sie den Absprung verpasst?
Ich habe meine Verträge stets frühzeitig verlängert, weil ich mich hier immer wohl gefühlt habe und großen Rückhalt hatte. Und auf einmal waren es zehn Jahre (lacht).
Die finanziellen Möglichkeiten der Bundesligaklubs entwickeln sich immer weiter auseinander. Haben Vereine wie Frankfurt überhaupt noch Chancen, oben mitzuspielen?
Dafür brauchen wir schon so ein absolutes Sahnejahr wie vor zwei Jahren. Es sind in der regel sechs, sieben Mannschaften, die die oberen Plätze unter sich ausmachen. Normal sind aber auch ein oder zwei Überraschungsmannschaften pro Saison. Nur ist das nichts Neues. Schon als ich angefangen habe Fußball zu spielen, waren es bis auf Wolfsburg dieselben Vereine, die oben mitgespielt haben.
Ist das nicht frustrierend?
Ich mache mir da keine Gedanken, ich kann es sowieso nicht ändern. Ich versuche nur, gut zu spielen. Und Frankfurt ist ja auch ein großer Klub, den kennt in Europa fast jeder.
Aber diese Saison wäre für die Eintracht mehr drin gewesen.
Für das Team war die Saison okay bis gut, gerade nach dem Umbruch letzten Sommer. Klar, es wäre mehr möglich gewesen, aber die Tabelle lügt nicht, am Ende der Saison gleichen sich Glück und Pech aus.
Was sind Ihre Ziele in Frankfurt?
Momentan ist mein einziges Ziel, wieder gesund zu werden. Dafür bin ich im Rehazentrum in Basel und trainiere dort jeden Tag acht bis zehn Stunden.
Verlieren Sie dadurch nicht den Kontakt zur Mannschaft?
Man hat sowieso seine zwei, drei Leute, mit denen man sich besonders gut versteht, und mit denen bin ich weiter in Kontakt. Klar, in der Reha wird man ein bisschen zum Einzelgänger. Aber das habe ich 2008 ja schon mal durchgestanden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen