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Album „Okay“ von „Neuschnee“Lass die Verben schwitzen!

Gitarren und kitschverdächtige Streicher – klingt echt fies. Ist es aber nicht. Man kann sogar dazu tanzen. Und schön kurz ist „Okay“ auch.

Das Cover von „Okay“ Foto: Problembär Records / Seayou / Rough Trade

So ganz normal ist das nicht. Es ist, gelinde gesagt, ungewöhnlich, dass ein Berliner Musiker der Stadt auf der Suche nach Inspiration den Rücken kehrt und in Wien landet. Ausgerechnet in Wien, dem Geburtsort von Franz Schubert. Normal wäre es andersherum. Aber vielleicht passt es auch ganz gut, schließlich heißt der Mann, um den es geht, Hans Wagner – nicht Yung Hurn, und Wagners Band nennt sich Neuschnee und nicht Ja, Panik. Solche Details sind keineswegs unwichtig. Also, empfangen wir die Signale, welche das nunmehr vierte Werk seiner Band Neuschnee uns sendet.

Erstes Signal: Gediegen. Neuschnee haben die Ruhe weg und sind damit eigentlich ganz zufrieden. Ihr neues Album heißt „Okay“ und nicht „Okay cool“ oder „(Everything is) Not okay“, wie gefühlt jedes zweite Berlin-Album. Zweitens: Streicher. Hans Wagner möchte uns zwar nicht vollkommen in die Zeit der Wiener Klassik zurückversetzen, so aber doch in Gefilde bugsieren, die gemeinhin unter Kitschverdacht stehen.

War das Debütalbum „Wegweiser“ von 2008 noch großteils akustisch mit Streichern und Gitarren aufgenommen, so ist der Sound der Band auf den letzten Alben stärker Richtung Rock und Pop ausgefranst. Dabei blieb der schöne, aber bisweilen etwas plakative Weltschmerz in immer homöopathischeren Dosen erhalten und führt auf „Okay“ zu verblüffend klaren Einsichten: „Sing ich immer nur dasselbe Lied / Abschieds- und Liebeslied.“ Und das ist noch nicht alles. Einige der neuen Songs sind nachgerade elektronisch-funky. Dazu gleich mehr.

Drittens: Politik. Die erste Single, „Der Zeitgeist macht Buh“, möchte ein antipopulistisches Statement sein. In den Augen der Popkritik eigentlich ein verdächtiges Unterfangen: Äußert man sich als Künstler tagespolitisch, ist schnell die Rede von mangelnder Differenzierung oder einem Marketingcoup. Gibt man sich hingegen unpolitisch, wird einem Weltabgewandtheit attestiert.

Nichtsdestotrotz ist „Der Zeitgeist macht Buh“ eine smarte Aussage zur derzeitigen politischen Lage in Europa. In seiner lässigen Bissigkeit erinnert der Song an den Hamburger Diskursrock von einst, ist aber dank synthetischer Vocal- und Streichereinlagen (!) sogar tanzbarer als dieser.

Sexyness und Weltschmerz

Und damit zum vierten und letzten Punkt: Sex. Auch so ein Thema. „Okay“ liefert ihn, und das ist eine echte Überraschung, denn Sexyness und Weltschmerz – wahlweise auch Gediegenheit und Streicherquartett – gehen normalerweise nicht Hand in Hand. Doch auf ­„Um­ami“ zieht Wagner in erfinderischem Englisch Vergleiche zwischen kulinarischem und libidinösem Verlangen. Und, siehe da, es funktioniert! Nicht ohne Grund werden Fotos von lustvoll drapierten Lebensmitteln als „Food Porn“ bezeichnet.

Der Reiz dieses schön kurz geratenen Albums – es enthält sieben Songs in nur 29 Minuten – liegt also im Detail. Während Wagners herzzerreißend vorgetragene Beteuerungen, es sei schon „okay“, sich mal verloren zu fühlen, in seiner Kalenderspruchhaftigkeit auch mal nerven können, entdecken Neuschnee auf ihrem neuen Album endlich die verspielten Seiten von Pop.

Die hatten sich zwar schon länger in der visuellen Sprache ihrer Musikvideos manifestiert, aber nahmen scheinbar wenig Einfluss auf musikalische wie textliche Ergüsse. Nun schreibt Wagner aber solche Zeilen: „Du knackst den Code / Ich lass die Verben schwitzen / Auf der Suche / Nach dem Puls der Zeit.“ Das sind echt positive Signale.

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