Aktuelle Nachrichten zu Afghanistan: Nur wenige Ortskräfte ausgeflogen

Einem Medienbericht zufolge sind von insgesamt 4.500 Ortskräften nur knapp mehr als 100 ausgeflogen worden. Maas wirbt in Afghanistans Nachbarstaaten um Hilfe.

Menschen steigen aus einem Flugzeug

Umsteigen in Taschkent: Ortskräfte und ihre Angehörigen auf dem Weg nach Deutschland Foto: Marc Tessensohn/dpa

Maas wirbt in Nachbarstaaten Afghanistans um Hilfe

Bundesaußenminister Heiko Maas will in den Nachbarstaaten Afghanistans für die Aufnahme afghanischer Flüchtlinge werben, die nach Deutschland weiter reisen wollen. Die Bundesregierung werde sich auch nach dem Ende der Luftbrücke aus dem Flughafen Kabul um Deutsche, afghanische Ortskräfte und schutzbedürftige Menschen kümmern, sagte Maas am Sonntag vor dem Abflug in die Türkei, nach Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan und Katar. „Hierzu zählt, dass wir uns mit den Nachbarstaaten Afghanistans darüber verständigen, wie Deutsche, unsere Ortskräfte und weitere schutzbedürftige Afghaninnen und Afghanen schnell und sicher nach Deutschland gelangen können“, sagte er.

Zudem gehe es um die Frage, wie am Flughafen in Kabul schnell wieder ein ziviler Betrieb ermöglicht werden könne, sagte Maas. Dazu zähle auch ein abgestimmtes internationales Auftreten gegenüber den Taliban. Deutschland wolle den Nachbarstaaten auch anbieten, ihnen bei der Bewältigung der humanitären und wirtschaftlichen Folgen zu helfen. „Es ist in unserem eigenen Interesse zu verhindern, dass der Kollaps in Afghanistan die ganze Region destabilisiert.“

Es gebe in Kabul und Afghanistan noch immer „unzählige Menschen“, die auf eine Ausreise hofften. „Die Lage in Afghanistan ist extrem unbeständig und gefährlich“, sagte der SPD-Politiker mit Verweis auf den Anschlag am Kabuler Flughafen. Es sei ein machtpolitisches Vakuum entstanden, in das nun „mit erschreckender Geschwindigkeit“ die radikalislamische Miliz IS und andere Terroristen hineinstrebten. (rtr)

Unter Ausgeflogenen insgesamt nur wenige Ortskräfte

Mit den Evakuierungsflügen der Bundeswehr wurden einem Zeitungsbericht zufolge offenbar nur wenige Ortskräfte aus Afghanistan in Sicherheit gebracht. Entsprechende erste Zahlen habe das Bundesinnenministerium in dieser Woche unter anderem im Bundestag präsentiert, berichtete die „Welt am Sonntag“. Demnach befanden sich unter den bis Mitte der Woche etwa 4.500 Ausgeflogenen nur knapp mehr als 100 Ortskräfte mit ihren Familien. Insgesamt mache diese Gruppe rund 500 der 4.500 ausgeflogenen Menschen aus.

Angesichts der unübersichtlichen Evakuierungen aus Kabul werde allerdings davon ausgegangen, dass sich mehrere Ortskräfte derzeit womöglich noch in anderen europäischen Ländern aufhielten. Eine Anfrage dazu habe das Bundesinnenministerium unbeantwortet gelassen, schrieb die Welt am Sonntag. Nach Angaben des Auswärtigen Amts in Berlin wurden demnach mittlerweile 5.300 Menschen aus Kabul in Sicherheit gebracht.

SPD-Innenexperte Uli Grötsch kritisierte das Innenministerium. „Dass im Zuge der Evakuierung bis Mitte der Woche nur über 101 gerettete Ortskräfte Gewissheit herrschte, ist ein Problem“, sagte er der Welt am Sonntag. Seit Monaten habe die SPD den Koalitionspartner von der Union dazu aufgefordert, „seiner Verantwortung gerecht zu werden“. „Jetzt hoffe ich, dass wir möglichst vielen Ortskräften noch helfen können“, fügte Grötsch hinzu.

Die Bundesregierung steht massiv in der Kritik, weil sie afghanische Ortskräfte und andere gefährdete Afghanen nicht schon vor der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban ausgeflogen hat. Am Donnerstag beendete die Bundeswehr ihre Evakuierungsflüge aus Kabul. Der Abflug der letzten Maschinen fand unmittelbar nach einem Selbstmordanschlag vor dem Kabuler Flughafen statt, bei dem nach Angaben ranghoher Vertreter der ehemaligen afghanischen Regierung mehr als hundert Menschen starben. (afp)

USA halten weiteren Anschlag für „sehr wahrscheinlich“

Das US-Außenministerium hat alle US-Bürger in der Umgebung des Flughafens von Kabul zum sofortigen Verlassen des Gebiets aufgefordert. Zur Begründung wurde am frühen Sonntagmorgen auf eine spezifische, glaubwürdige Bedrohung verwiesen.

US-Bürger sollten eine Fahrt zum Flughafen vermeiden und sich von allen Flughafentoren fernhalten. Besonders genannt wurden das Südtor und das Tor nahe einer Tankstelle im Nordwesten des Flughafens.

Am Donnerstag hatte ein Selbstmordattentäter inmitten der Evakuierungsaktion am Flughafen der afghanischen Hauptstadt einen Sprengsatz gezündet und mindestens 169 Afghanen und 13 US-Soldaten getötet. Als Vergeltung flog das US-Militär einen Drohnenangriff auf den afghanischen Ableger der Terrorgruppe IS. Dabei seien am Samstag in der Provinz Nangarhar zwei Mitglieder der Terrorgruppe IS getötet worden, teilte das Pentagon mit.

US-Präsident Joe Biden hatte am Samstag gewarnt, dass nach Einschätzung des Militärs ein weiterer Anschlag „in den nächsten 24 bis 36 Stunden sehr wahrscheinlich“ sei. (ap)

USA bereiten sich auf Rückzug von Flughafen vor

Die US-Truppen befinden sich in der letzten Phase der Evakuierungen. Etwas mehr als tausend Zivilisten warteten am Flughafen Kabul zurzeit darauf, ausgeflogen zu werden, teilt ein westlicher Sicherheitsbeamter mit. Die Menschenmenge an den Flughafentoren habe sich nach der Warnung vor einem erneuten Attentat militanter Extremisten gelichtet.

Die USA und die Taliban haben nach Angaben der Islamisten eine rasche Übergabe des Flughafens vereinbart. „Wir warten auf das abschließende Kopfnicken der Amerikaner, um die vollständige Kontrolle über den Kabuler Flughafen zu übernehmen“, sagt ein Sprecher Reuters. Nach seinen Worten verfügen die Taliban über ein Expertenteam, das in der Lage sei, die Flughafen-Technik zu bedienen. (rtr)

Macron plädiert für Sicherheitszone in Kabul

Frankreich und Großbritannien wollen sich am Montag bei den Vereinten Nationen für die Schaffung einer „sicheren Zone“ in der afghanischen Hauptstadt Kabul einsetzen, um humanitäre Einsätze fortsetzen zu können. Das kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron in einem Interview mit der Sonntagszeitung Journal du Dimanche an. Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats – Frankreich, Großbritannien, die USA, Russland und China – beraten am Montag über die Lage in Afghanistan.

London und Paris arbeiten laut Macron an einem Resolutionsentwurf, der darauf abziele, eine geschützte Zone „unter Kontrolle der UNO in Kabul zu definieren“. Dies könne einen UN-Rahmen für Notfälle schaffen, Zuständigkeiten klären und „es der internationalen Gemeinschaft erlauben, Druck auf die Taliban aufrechtzuerhalten“, sagte Macron.

Die internationale Evakuierungsmission, die nach der Machtübernahme der Taliban Mitte August eingeleitet wurde, um Ausländer und gefährdete Afghanen auszufliegen, geht zu Ende. Frankreich beendete seine Evakuierungsflüge am Freitag, Großbritannien am Samstag. Nach Angaben der USA haben mehr als 112.000 Menschen über die von den USA koordinierte Luftbrücke verlassen. (afp)

Viele Menschen erwarten Welle von Flüchtenden für die EU

Nach der Machtübernahme der Taliban erwarten 70 Prozent der Deutschen für die EU eine Flüchtlingswelle. Nach der YouGov-Umfrage für „Welt am Sonntag“ teilen 20 Prozent der Befragten diese Einschätzung nicht. Zehn Prozent machen keine Angaben. 49 Prozent der Befragten raten dazu, die Flüchtlinge in afghanischen Nachbarstaaten unterzubringen. 28 Prozent plädieren dafür, Afghanen in der EU aufzunehmen. Zehn Prozent raten zu einem anderen Vorgehen, 13 Prozent machen keine Angaben.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will im Fall neuer großer Fluchtbewegungen aus Afghanistan, Syrien und Irak die Grenzkontrollen verschärfen. „Nicht jeder, der in unser Land will, darf einreisen“, sagt Seehofer laut einem Vorabbericht der Bild am Sonntag. Man beobachte die Flüchtlingsbewegungen aus diesen Ländern sehr genau. Sieben Afghanen seien bei Kontrollen nach den Evakuierungsflügen der Bundeswehr aus Kabul in Deutschland den Sicherheitsbehörden aufgefallen. Drei hätten gefälschte Dokumente dabei gehabt, bei vier anderen handele es sich um Straftäter, die bereits schon einmal nach Afghanistan abgeschoben worden seien. (rtr)

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