Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Mehr übergewichtige Kinder
Die Pandemie hat vielfältige negative Auswirkung auf die Gesundheit von Kindern. In Baden-Württemberg müssen sich ungeimpfte Schulangestellte täglich testen.
„Ängste der Deutschen“: zunehmend Geldsorgen
Die Deutschen haben durch die Corona-Pandemie zunehmend Geldsorgen. Mehr als jeder Zweite befürchtet Steuererhöhungen oder Leistungskürzungen durch Corona, wie die R+V-Versicherung am Donnerstag zur Vorstellung ihrer Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen“ mitteilte. Jeweils 50 Prozent fürchten sich laut Umfrage vor steigenden Lebenshaltungskosten und Kosten für Steuerzahler durch die EU-Schuldenkrise.
„Die Topängste zeugen vom Realismus der Befragten – und vom Vorrang ihrer materiellen Interessen“, erklärte Manfred Schmidt, Politikwissenschaftler an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. Auf dem vierten Platz landete mit 45 Prozent die Überforderung des Staats durch Geflüchtete. Jeweils 43 Prozent machen sich Sorgen um Schadstoffe in Nahrungsmitteln und darum, im Alter ein Pflegefall zu werden. Mit 42 Prozent belegte die Angst vor Spannungen durch den Zuzug von Ausländern Platz sieben. (afp)
Die Angst vor Naturkatastrophen und Wetterextremen lag mit 41 Prozent auf Platz acht.
Mehr übergewichtige Kinder durch Corona
Die Coronapandemie hat viele Kinder und Jugendliche krank gemacht. So wurden 2020 deutschlandweit in den Krankenhäusern 60 Prozent mehr Mädchen und Jungen wegen einer Adipositas behandelt als im Vorjahr, heißt es im Kinder- und Jugendreport der DAK, der am Donnerstag in Hamburg vorgestellt wurde. Die Zahl junger Patienten mit Bulimie oder Magersucht nahm um fast zehn Prozent zu. DAK-Vorstandschef Andreas Storm forderte, dass die neue Bundesregierung noch im ersten Halbjahr 2022 einen „Aktionsplan Kindergesundheit“ erarbeiten müsse.
Während die Zahl übergewichtiger Kinder und Jugendlicher im ersten Frühjahrs-Lockdown 66 Prozent unter den Wert des Vorjahres sank, stieg sie danach auf Rekordniveau an. Gleichzeitig wuchs die Zahl der stark Untergewichtigen um 35 Prozent. Nach einem Rückgang im ersten Lockdown um minus 19 Prozent verdoppelten sich die Fälle danach.
Die Coronamaßnahmen hätten deutlich negative Effekte auf die Kinder- und Jugendgesundheit, sagte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Dies gelte vor allem in den Bereichen Körpergewicht und psychische Gesundheit. „Es wird noch lange dauern, bis wir zu einer Normalität zurückkehren können.“
Bei den psychischen Erkrankungen blieb die Zahl der Klinikbehandlungen 2020 auf dem Niveau von 2019. Dabei wurden im Frühjahrs-Lockdown über 30 Prozent weniger junge Menschen aufgrund einer Verhaltensstörung behandelt, wogegen die Zahl im Winter-Lockdown um vier Prozent anstieg. Das Ausmaß der psychischen Störungen zeige sich allerdings vor allem in der ambulanten Behandlung, sagte Eckard Hamelmann, Direktor der Uniklinik für Kinder- und Jugendmedizin Bethel (Bielefeld). Hier sei die psychische Belastung „brutal zu merken“.
Durch die Hygienemaßnahmen in der Pandemie sank hingegen die Zahl der behandelten Infektionskrankheiten deutlich. Die Krankenhausaufenthalte bei Darminfektionen gingen um 80 Prozent zurück. Bei Mandelentzündungen gab es ein Minus von 46 Prozent. Auch gab es ein Drittel weniger junge Patienten mit akuter Bronchitis.
Allgemein ging die Zahl der Krankenhausfälle von Kindern und Jugendlichen im Corona-Jahr 2020 um fünf Prozent zurück. Am deutlichsten war der Rückgang im ersten Lockdown mit einem Minus von 41 Prozent. Weniger stark war er im zweiten Lockdown mit einem Minus von zehn Prozent. Die Anzahl an Operationen stieg leicht um knapp ein Prozent.
Die Pandemie habe alarmierende Folgen für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen, beklagte DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Neben einem kurzfristigen Aktionsplan sollte eine Enquete-Kommission eingerichtet werden, um langfristige Konzepte zu entwickeln. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.“
Für den DAK-Report wurden die Krankenhausdaten von knapp 800.000 Kindern und Jugendlichen untersucht, die bei der DAK versichert sind. (epd)
Keine Lohnfortzahlung mehr bei Quarantäne in Rheinland-Pfalz
Wer in Rheinland-Pfalz nicht gegen Corona geimpft ist und eine behördliche Anweisung zur Quarantäne erhält, hat ab Oktober keinen Anspruch mehr auf Lohnfortzahlung. Zur Begründung teilte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums am Donnerstag mit, dass ab dem 1. Oktober grundsätzlich davon auszugehen sei, „dass alle Bürgerinnen und Bürger in den Altersklassen, in denen die Impfung öffentlich empfohlen wurde und soweit ihnen die Impfung medizinisch möglich ist, ein Angebot für die Corona-Schutzimpfung erhalten haben“. Im Falle einer behördlich angeordneten Quarantäne haben Arbeitnehmer laut Infektionsschutzgesetz Anspruch auf Entschädigung. Dies sei aber nach dem Infektionsschutzgesetz nicht mehr gegeben, wenn durch eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung eine Absonderung oder ein Tätigkeitsverbot hätte vermieden werden können, erklärte die Sprecherin. (dpa)
Ungeimpfte Lehrer in Baden-Württemberg müssen sich täglich testen lassen
Ungeimpfte Lehrer müssen sich in Baden-Württemberg mit Beginn des neuen Schuljahrs täglich testen lassen. Dies gelte auch für alle anderen ungeimpften Arbeitskräfte an der Schule, sagte die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) am Donnerstag in Stuttgart. Schüler sollen dreimal wöchentlich getestet werden. Geimpfte und Genesene sind von der Testpflicht ausgenommen. Um Fern- oder Wechselunterricht zu verhindern, gilt weiterhin Maskenpflicht in den Schulen.
Empfohlener externer Inhalt
Mit Start des neuen Schuljahrs in der kommenden Woche will Schopper mit diesen Corona-Regelungen „dauerhaften Präsenzunterricht ermöglichen“. Im Fall einer Infektion soll künftig nicht mehr die ganze Klasse in Quarantäne gehen, sondern nur das betroffene Kind. Die Klasse wird stattdessen fünf Tage lang täglich getestet. Sollte ein Fünftel der Klasse infiziert sein, würden weitere Maßnahmen mit dem zuständigen Gesundheitsamt besprochen.
„Damit tun wir alles, um Schulschließungen zu vermeiden“, sagte die Kultusministerin. Bei einem Auftreten neuer Virusvarianten könnten aber auch wieder härtere Maßnahmen notwendig werden. (afp)
Frankreich: Tausende bekommen Staatsbürgerschaft
Mehr als 12.000 ausländische Arbeiter, die während der Corona-Pandemie in Frankreich im Einsatz waren, bekommen die französische Staatsangehörigkeit verliehen. „Diese Arbeiter an vorderster Front waren für die Nation da. Es ist normal, dass die Nation nun auf sie zugeht“, erklärte Marlène Schiappa, die beigeordnete Ministerin für Staatsbürgerschaft, am Donnerstag in Paris.
Zu den künftigen Franzosen und Französinnen zählen etwa Pflege- und Reinigungskräfte, Kassenpersonal und Vertreter weiterer Berufe, in denen Heimarbeit nicht möglich war. „Ich bedanke mich im Namen der Republik. Das Land hat auch dank Ihnen durchgehalten“, betonte Schiappa.
Das Innenministerium hatte für diese Berufsgruppen vor einem Jahr die Bedingungen für den Erwerb der französischen Nationalität erleichtert. Die Antragsteller mussten nur noch mindestens zwei statt wie bisher fünf Jahre im Land gelebt haben. Im vergangenen Jahr sind etwa 61.000 Ausländer Franzosen geworden, etwa 20 Prozent weniger als im Vorjahr. (dpa)
Spahn: „Wir kommen aktuell leider nur langsam voran“
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn beklagt das weiterhin nur schleppende Tempo beim Impfen in Deutschland. „Wir kommen aktuell leider nur langsam voran“, schreibt der CDU-Politiker auf Twitter. Derzeit hätten 61,7 Prozent oder 51,3 Millionen Menschen in Deutschland den vollen Impfschutz, 66,2 Prozent oder 55 Millionen seien mindestens einmal geimpft. „Zwar sind damit 72,4 Prozent der Erwachsenen geschützt, aber noch sind zu viele ungeimpft, um die Pandemie zu überwinden“, schreibt Spahn. (rtr)
RKI: 15.341 Neuinfektionen binnen 24 Stunden
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert-Koch-Institut (RKI) 15.341 Neuinfektionen binnen 24 Stunden gemeldet. Das sind 1.626 mehr als am Donnerstag vor einer Woche, als 13.715 nachgewiesene Neuinfektionen verzeichnet wurden. Binnen eines Tages starben 50 weitere Menschen mit oder an dem Coronavirus, am Vortag waren es 35 Todesfälle. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt auf 83,5 nach 82,7 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Insgesamt fielen seit Beginn der Pandemie 4.046.112 Millionen Corona-Tests positiv aus, 92.498 Menschen starben in Zusammenhang mit dem Virus. (rtr)
Überlastete Krankenhäuser in Japan
Der Corona-Notstand in der japanischen Hauptstadt Tokio und in zahlreichen anderen Regionen des Landes wird bis Ende September verlängert. Nach wie vor seien viele Krankenhäuser überlastet, sagte der auch für Corona-Maßnahmen zuständige Wirtschaftsminister Yasutoshi Nishimura am Donnerstag. Man müsse das Gesundheitssystem stabilisieren und die Infektionszahlen absenken, bevor man weiter lockern könne.
Die Notstandsmaßnahmen in Japan basieren weitgehend auf Freiwilligkeit. Nach Monaten werden die Vorgaben von der coronamüden Bevölkerung oft ignoriert. Enden sollte der jetzige Notstand am Sonntag. Nishimura schlug am Donnerstag die Verlängerung für 19 Präfekturen bis Ende September vor. In zwei Präfekturen, in Okayama im Westen und in Miyagi im Norden, soll die Warnstufe gesenkt werden.
Der Notstand im Rest des Landes reicht damit auch in eine politische Übergangsphase hinein. Am 29. September wird die Führung der regierenden Liberaldemokratischen Partei neu gewählt. Der Sieger wird wohl neuer Ministerpräsident Japans. Amtsinhaber Yoshihide Suga tritt nicht an. Ihm und seiner Regierung war vorgeworfen worden, zu wenig gegen die Ausbreitung des Virus unternommen zu haben. Auch die Tatsache, dass die Olympischen Spiele trotz Pandemie stattfanden, stieß in der japanischen Öffentlichkeit auf breite Kritik. (rtr)
Kontakt-Nachverfolgung kaum mehr möglich
Die Gesundheitsämter in Deutschland können derzeit nicht mehr alle Kontaktpersonen von Infizierten nachverfolgen. „Bei einer hohen Zahl von positiv Getesteten ohne gleichzeitigen Lockdown haben die Menschen häufig so viele Kontakte, dass eine grundsätzliche und umfängliche Nachverfolgung nicht mehr zu leisten ist“, sagt die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Ute Teichert, der Rheinischen Post. (rtr)
Montgomery für verschärfte Beschränkungen
Im Kampf gegen die vierte Pandemie-Welle hat sich der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, für eine Verschärfung von Corona-Beschränkungen ausgesprochen. Es werde kaum reichen, die Impfquote durch mobile Angebote zu erhöhen. „Um die vierte Welle zu brechen, bevor sie dramatisch wird, sollte man jetzt bundesweit überall dort, wo es möglich ist, eine 2G-Regel einführen“, sagte Montgomery den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag). Dort, wo es nicht praktikabel wäre, Ungeimpfte auszuschließen, wie etwa im Öffentlichen Nahverkehr, müsse dann zumindest eine strengere 3G-Regel gelten.
„Ungeimpfte müssten dann einen aktuellen PCR-Tests vorweisen. Ein einfacher Schnelltest dürfte nicht mehr ausreichen“, sagte Montgomery. Eine solche erweiterte 2G-Regel könne der nötige Anreiz sein, sich impfen zu lassen.
Mit Blick auf Herbst und Winter gilt für bestimmte Innenräume wie Veranstaltungen und die Gastronomie bundesweit die so genannte 3G-Regel: Zugang nur mit Nachweis als Geimpfter, Genesener oder negativ Getesteter.
Im Gespräch ist aber auch die teils schon angewandte 2G-Regel, also Zugang nur für Geimpfte oder Genesene. Aus Sicht von Bundesregierung und Robert Koch-Institut (RKI) droht ohne deutlich mehr Impfungen ein heftiger Verlauf der vierten Corona-Welle im Herbst. Rund zwei Drittel der Bevölkerung sind mindestens einmal geimpft, etwa 62 Prozent haben vollen Impfschutz. Angesichts des schleppenden Impffortschritts und steigender Inzidenzen wächst die Sorge vieler vor neuen Einschränkungen. (dpa)
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