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Aktuelle Entwicklungen in der CoronakriseHarter Lockdown ab Mittwoch

Die Infektionszahlen bleiben hoch. Bund und Länder vereinbaren einen Shutdown. Handel, Schulen und Kitas werden bis 10. Januar weitgehend geschlossen.

Seit Samstag gilt in Baden-Württemberg eine Ausgangssperre zwischen 20 und 5 Uhr Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Harter Lockdown kommt in wenigen Tagen

Das öffentliche Leben in Deutschland wird angesichts der sich ausbreitenden Corona-Pandemie schon ab Mittwoch (16.12.) drastisch heruntergefahren. Der Einzelhandel mit Ausnahme der Geschäfte für den täglichen Bedarf muss schließen. Das teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten mit.

Diese Beschränkungen sind vereinbart:

KONTAKTE: Private Treffen sind weiterhin auf den eigenen und einen weiteren Haushalt, in jedem Fall aber auf maximal fünf Personen zu beschränken. Kinder bis 14 Jahre sind hiervon ausgenommen.

WEIHNACHTEN: Vom 24. bis 26. Dezember werden mehr Kontakte möglich. Die Länder sollen in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Infektionsgeschehen in dieser Zeit Treffen mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehenden Personen zulassen. Hinzu kommen Kinder bis 14 Jahre aus dem engsten Familienkreis, also von Ehegatten, Lebenspartnern und Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, außerdem Verwandten in gerader Linie, Geschwister, Geschwisterkinder und deren jeweiligen Haushaltsangehörigen – „auch wenn dies mehr als zwei Hausstände oder 5 Personen über 14 Jahren bedeutet“.

EINZELHANDEL: Der Einzelhandel wird vom 16. Dezember bis zum 10. Januar geschlossen. Ausnahmen gelten für Geschäfte, die den täglichen Bedarf decken. Dazu zählen: Lebensmittelläden, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte; Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Poststellen, Reinigungen, Waschsalons, Zeitungsverkauf, Tierbedarf, Futtermittelmärkte, Weihnachtsbaumverkauf und Großhandel.

SCHULEN: Schulen sollen grundsätzlich geschlossen werden, oder die Präsenzpflicht wird ausgesetzt. Es wird eine Notfallbetreuung sichergestellt und Distanzlernen angeboten. Für Abschlussklassen können gesonderte Regelungen gelten.

KITAS: In Kindertagesstätten wird analog zu Schulen verfahren. Für Eltern werden zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, für die Betreuung der Kinder im genannten Zeitraum bezahlten Urlaub zu nehmen.

ARBEITSPLATZ: Arbeitgeber werden dringend gebeten zu prüfen, ob Unternehmen entweder durch Betriebsferien oder großzügige Homeoffice-Lösungen geschlossen werden können.

ALKOHOL: Das Trinken alkoholischer Getränke im öffentlichen Raum wird untersagt. Verstöße werden mit einem Bußgeld belegt.

SILVESTER: Der Verkauf von Pyrotechnik vor Silvester wird generell verboten. Am Silvestertag und Neujahrstag gelten bundesweit ein An- und Versammlungsverbot sowie ein Feuerwerksverbot auf vielbesuchten Plätzen, die von den Kommunen festgelegt werden.

FRISEURE: Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Friseursalons, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe werden geschlossen.

NOTWENDIGE BEHANDLUNGEN: Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physio-, Ergo- und Logotherapien sowie Podologie/Fußpflege bleiben weiter möglich.

GOTTESDIENSTE: Gottesdienste in Kirchen, Synagogen und Moscheen sowie die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften sind nur zulässig, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern gewahrt werden kann. Es gilt Maskenpflicht auch am Platz, der Gemeindegesang ist untersagt. Wenn volle Besetzung erwartet wird, sollen sich die Besucher anmelden.

ALTENPFLEGE: Für Alten- und Pflegeheime sowie mobile Pflegedienste sollen besondere Schutzmaßnahmen getroffen werden. Der Bund unterstützt diese mit medizinischen Schutzmasken und durch die Übernahme der Kosten für Antigen-Schnelltests.

Die Länder werden eine verpflichtende Testung mehrmals pro Woche für das Personal in den Alten- und Pflegeeinrichtungen anordnen. In Regionen mit erhöhter Inzidenz soll der Nachweis eines aktuellen negativen Coronatests für die Besucher verbindlich werden.

NÄCHSTE SCHRITTE: Am 5. Januar wollen Merkel und die Ministerpräsidenten erneut beraten über Schritte, die ab dem 11. Januar gelten sollen.

Der seit Anfang November geltende Teil-Lockdown habe „nicht gereicht“, begründete Angela Merkel den Maßnahmenkatalog. Die Verschärfung habe Auswirkungen auf die Feiertage. Aber: „Wir sind zum Handeln gezwungen und handeln jetzt auch.“

Das exponentielle Wachstum der Corona-Neuinfektionen habe eine Zeit lang gestoppt werden können, sagte Merkel. Dann habe es aber eine „Seitwärtsbewegung“ gegeben, und seit einigen Tagen gebe es wieder ein exponentielles Wachstum.

„Corona ist außer Kontrolle geraten“, warnte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. „Die Lage ist eigentlich 5 vor 12.“ Deswegen habe man keine halben Sachen mehr machen wollen. Ab Mittwoch gelte ein „Lockdown für alle“, sagte der CSU-Vorsitzende. „Die Philosophie heißt: Daheim bleiben!“

Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) betonte bei der Pressekonferenz nach dem Bund-Länder-Gipfel, es seien weiter „Dinge möglich“, etwa an Weihnachten. „Aber man muss auch nicht alles machen, was möglich ist.“ (dpa)

Über 20.000 Neuinfektionen am Sonntagmorgen

Die Coronazahlen in Deutschland bleiben hoch. Binnen eines Tages haben die Gesundheitsämter dem Robert-Koch-Institut (RKI) 321 Todesfälle und 20.200 neue Infektionen übermittelt, wie aus Daten vom Sonntagmorgen hervorgeht. Der Höchststand war am Freitag mit 598 Toten und 29.875 gemeldeten Fällen erreicht worden. An Sonntagen sind die erfassten Zahlen meist niedriger, auch weil am Wochenende weniger getestet wird. Am vergangenen Sonntag waren 17.767 Neuinfektionen gemeldet worden. (dpa)

Rosinenbomberpilot Halvorsen ist coronapositiv

Der 100 Jahre alte Rosinenbomberpilot Gail Halvorsen hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Er sei bislang aber nicht ernsthaft erkrankt, sagte seine Tochter Denise Williams. „Wir beten, dass er einen milden Verlauf haben wird.“

Der im US-Bundesstaat Utah lebende ehemalige US-Pilot, der unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, war im Oktober 100 Jahre alt geworden. Er hatte zu den Piloten gehört, die 1948/49 das von sowjetischen Truppen abgeriegelte Westberlin über Monate aus der Luft unter anderem mit Lebensmitteln und Kohle versorgten.

Es war Halvorsens Idee, bei der Berliner Luftbrücke auch Süßigkeiten für die Kinder abzuwerfen. Als erster „Candy Bomber“ wurde der junge Pilot, der inzwischen 5 Kinder, 24 Enkel und 59 Urenkel hat, zum Symbol für die Hilfsaktion, sein Spitzname wurde „Onkel Wackelflügel“ (Mr. Wigglywing). (dpa)

Russland will Impfstoff für Tiere entwickeln

Nach Corona-Ausbrüchen auf mehreren Nerzfarmen in Europa entwickelt Russland einen eigenen Impfstoff für Tiere. Das Vakzin solle Ende Januar vorliegen, sagte der Chef der Agraraufsichtsbehörde Rosselchosnadsor, Sergei Dankwert, der russischen Fachzeitschrift Veterinär und Leben. Die Europäische Union, die USA und Singapur hätten bereits Interesse bekundet.

Dankwert zufolge durchläuft der Wirkstoff aktuell die entscheidende Testphase III. „Der neue Impfstoff wird derzeit an Nerzen, Katzen und Nagetieren getestet.“ Seine Behörde erhalte regelmäßig Anfragen aus russischen Tierfarmen nach einem Corona-Impfstoff, weil Nerze und Frettchen als besonders anfällig für das Virus gelten und sich gegenseitig infizieren könnten, sagte der Behördenleiter.

In den vergangenen Wochen hat es in mehreren europäischen Ländern Fälle von Corona-Infektionen bei Nerzen gegeben, unter anderem in Schweden, Frankreich und den Niederlanden. In Dänemark waren Millionen Tiere getötet worden, weil das Virus mutiert war. In Russland leben in Tierfarmen offiziellen Angaben zufolge mehr als 97.000 Nerze und 6.900 Frettchen. In dem Land sind bereits zwei Impfstoffe für Menschen gegen Corona freigegeben worden. (dpa)

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6 Kommentare

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  • - Es ist noch kein Impfstoff zugelassen. Und der wurde in Deutschland auch noch zu spät bestellt.



    (kein Anspruch auf Vollständigkeit)

    Vor allen die ersten drei Punkte sind in meinen Augen ein echtes Armutszeugnis für die Politik.

    Gerade habe ich großen Respekt für die Menschen, die in den Krankenhäusern und in den Schulen arbeiten. Die meisten von Ihnen arbeiten gerade am Härtesten.

    Der jetzige Lockdown, scheint mir unausweichlich. Aber er ist in meinen Augen eine Bankrotterklärung der Politik. Können geht anders. Beherrschen der Lage auch. Bei besserer und vorausschauenderer Politik hätte man die Lage m.E. ohne Lockdown bewerkstelligen können.

    Gut das wir in gut drei Monaten Frühling haben werden.

    Ich glaube auch, dass die meisten Politiker vermutlich Ihr Bestes gegeben haben und geben. Und ich möchte nicht in deren Haut stecken. Und doch finde ich die Leistungen der Meisten von ihnen coronamäßig miserabel. Ich wünsche mir mehr Eigenkritik und mehr Kritik aus den Medien.

    Auch im Hinblick darauf, dass es früher oder später wieder einen Erreger geben wird, der aus der Tierwelt auf den Menschen überspringt. So wie es sich mir darstellt, kamen andere Viren, Vogelgrippe (Hühnerhaltung), Schweinegrippe (Schweinehaltung) und wahrscheinlich jetzt auch SARS-2 (Pelztierhaltung, gibt einiges davon in der Gegend um Wuhan) aus der Massentierhaltung. Erst sperren „wir“ Tiere in Massen ein, jetzt sperrt der Erreger uns quasi ein. Könnte das sowas wie ausgleichende Gerechtigkeit sein? Was könnte man schon jetzt tun, um das zu verhindern?

  • Der jetzige Lockdown ist in meinen Augen ein Armutszeugnis.

    Ich bin „wirklich überrascht", wie die Politik der Lage hinterherhinkt:

    - Was für die Schulen bisher als einziges seit Frühjahr dazu gekommen ist, ist die Ausarbeitung eines Lüftungskonzept. Es fehlt massiv an Möglichkeiten des Online-Unterrichts an allen Ecken und Enden. In Schweden werden die oberen Klassenjahrgänge meines Wissens seit März (!) online unterrichtet. Mehr Personal um z.B. Klassen zu teilen, wäre sicher auch kein Fehler gewesen.



    - Immer noch keine regelmäßige und flächendeckende Testung des Personals und der Bewohner der Altersheime, und andere Absicherungen derselben (z.B. durchgängiges Tragen von FFP2-Masken des Personals). Tübingen macht es schon lange vor, wie man es anders machen kann.



    - Die Gesundheitsämter wurden nicht weiter mit Personal und Equipment ausgestattet. Sie sind offensichtlich seit Wochen oder Monaten hoffnungslos überlastet und nicht mehr in der Lage die Infektionsketten zu verfolgen. Man ruht sich aus auf: wir können nur bis zu 50 Neuinfektionen pro 100.000 verfolgen. Warum sollte man das nicht auf 200 - 300 pro 100.000 skalieren können?



    - viel zu spätes Verteilen von FFP2-Masken für die Risikogruppen. Es wurde auch versäumt, die frühzeitig zu empfehlen.



    - Es wurde entgegen der Empfehlung einer Expertenkommission die Kapazitäten der PCR-Testung nicht ausreichend hochgefahren. Wenn mich recht erinnere, wurde ein drei bis vierfaches der jetzigen Kapazität empfohlen. Jetzt wird nur noch das Allerallernotwendigste getestet. Das was wir jetzt haben, ist ein halber Blindflug.



    - für die Corona App fehlt Akzeptanz - diese Unsummen an Geld wären, woanders sicher besser investiert gewesen. Z.B. in den Schulen. Warum wurde diese App nicht in den Universitäten programmiert?



    - ein guter Teil der Bevölkerung scheint nicht mehr mitzumachen und wurde im Laufe der Zeit verloren (ganz anders als in Finnland und Schweden)

  • Wenn man mal bedenkt, dass ein Covid-19 Patient mit einem sehr schweren Verlauf ein Intensivbett ca. sechs Wochen belegt, dann kommen diese Maßnahmen mind. 4 Wochen zu spät und es ist zumindest fraglich, ob sie die Situation überhaupt noch wesentlich verbessern können. Übrigens überleben nach meinen Informationen immer noch die Hälfte der künstlich beatmeten Covid-19 Patienten die Intensivbehandlung trotz aller Bemühungen am Ende nicht. Das ist insbesondere für das Krankenhauspersonal auf Dauer gar nicht mehr zumutbar.

  • Ist es wieder so weit:

    www.youtube.com/watch?v=jBDcVpE8tw8

  • Die Hauptlast tragen jene, die eh schon unten sind. Wie regelt man die Zeit für Obdachlose und Alkoholiker z.B.? Hat man an diese überhaupt einen Gedanken verschwendet? Weshalb hat man monatelang überhaupt nicht geplant? Wann wird geimpft? Inwieweit kann man eine Zweiklassenmedizin für systemrelevante und nicht relevante sowohl gesetzlich als auch moralisch rechtfertigen? Wann werden wieder Parlamente an der Demokratie beteiligt? Und so weiter und so fort...

  • Immer noch zu wenig. Immer noch zu inkonsequent.



    Anstatt den Einzelhandel sofrt zu schließen sorgt man jetzt dafür, dass in den kommenden zwei Tage Massenandrang in den Innenstädten und Shoppingmalls herrscht. Grandios!!



    Verpflichtung zum Homeoffice ? Fehlanzeige.



    Schulen und Kitas zu? So halb. Die Verantwortung wird durch die Aufhebung der Schulpflicht einfach an die Eltern weitergeschoben.

    Wie kann man die Coronapolitik bewertzen?



    Erst arrogant und überheblich, dann panisch und jetzt feige.

    Schönen Advent