Aktivistin über akzeptierten Rassismus: „Schwieriger als gegen Stiefelnazis“
Sandra Peters vom „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ spricht über die Schwierigkeiten, gegen die Neue Rechte zu mobilisieren.
taz: Frau Peters, scheitern antifaschistische Initiativen an rechtspopulistischen Bewegungen?
Sandra Peters: Das Strategiepapier der AfD beweist uns das Gegenteil. Darin wird uns bescheinigt, dass die vielen Aktiven, die AfD-Infostände begleiten, es der AfD sehr schwer machen, ihre Propaganda unter die Leute zu bringen. Auch die Auseinandersetzung um Hamburger Veranstaltungen der AfD in den Bürgerhäusern in Wilhelmsburg und Eimsbüttel wurde durch den breiten zivilgesellschaftlichen Widerstand dagegen gewonnen. Insofern ziehen wir eine positive Bilanz.
Dennoch hat das rechte Milieu das Sag- und Wählbare in seinem Sinn erweitert. Und die erfolgreichsten Erweiterungen gelangen Akteuren aus der Mitte der Gesellschaft.
Das ist leider wahr. Angefangen mit Thilo Sarrazin haben die rassistischen Positionen, die es vorher schon an den Stammtischen gab, Einzug in große Talkshows gehalten. Der AfD gelang es, die etablierten Parteien vor sich herzutreiben. Wenn SPD und CDU jetzt glauben, dass sie der AfD die Stimmen abgraben könnten, indem sie ihre rechten Positionen übernehmen und beispielsweise ihre unmenschliche Abschiebungspolitik weiter treiben, dann ist das ein großer Trugschluss: Am Ende wird immer das Original gewählt.
26, Politikwissenschaftlerin, ist Sprecherin des „Hamburger Bündnis gegen Rechts“.
Wirft diese Entwicklung aus der Mitte für das Bündnis gegen rechts keine Strategiefragen auf?
Wir entwickeln längst neue Ansätze, hinterfragen Einstellungen der gesellschaftliche Mitte auch mit einer Protestkultur, die sich nicht auf Gegenkundgebungen beschränkt. Eine Veranstaltungsreihe zu den verschiedenstes Ressentiments der AfD ist gerade für die kommenden Wochen vorbereitet worden, die nicht bloß in Szenevierteln stattfinden wird. Es zeigt sich aber auch, dass sich antifaschistisches Engagement mit langem Atem auszahlt: Noch vor 20 Jahren gab es eine völlig unkritische Berichterstattung über die Hamburger Burschenschaft „Germania“ und auch der Verfassungsschutz wollte bis 2013 nicht zugeben, dass diese Burschenschaft personelle Verbindungen bis hin zur verbotenen FAP hatte, Wehrsport mit Neonazis betrieb und regelmäßig neurechte Referenten einlud. Wir haben nicht locker gelassen und mittlerweile sind die „Germanen“ gesellschaftlich ziemlich isoliert.
Seit Jahrzehnten ruft das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ zu Protesten gegen das neurechte Milieu auf. Doch der Zulauf ist nicht sehr groß.
Die Losung „Kein Fußbreit den Faschisten“ ist bei Aufmärschen von neonazistischen Gruppierungen wie der NPD seit Langem eine ziemlich klare Sache. Mit der AfD war das nicht so einfach. Die Auseinandersetzung mit der intellektuellen Rechten ist schwerer als der Protest gegen marschierende Stiefelnazis. Mittlerweile dürfte klar sein, dass die AfD extrem rechte Inhalte vertritt und dabei ganz ohne Springerstiefel auskommt. Sie nutzt die Mittel der parlamentarischen Demokratie aus, während sie undemokratische Ziele verfolgt. Die große Herausforderung ist nun zu verhindern, dass die AfD als „ganz normale Partei“ angesehen wird.
Die AfD nutzt kritische Aktionen gern, um daraus ihre Legitimation gegen die „Gutmenschen“ zu ziehen. Wie kann man dem entgegenwirken?
Die AfD entlarvt sich damit eigentlich selber, denn wenn sie sich in Opposition dazu stellt, wird ja deutlich, was sie sein wollen: keine Gutmenschen. Und wenn sie sich damit in der Minderheit sieht, dann ist das ein gutes Zeichen. „Gutmensch“ ist für uns kein Schimpfwort, weil wir für ein gutes Leben für alle streiten, ein Leben ohne Verwertungslogik und Konkurrenz, ohne Diskriminierung und Hass. Wenn die AfD das als Bedrohung für ihr antisoziales, rassistisches und völkisch-nationales Projekt sieht, dann haben wir alles richtig gemacht.
Müsste man nicht auch die Ursachen für den Erfolg der AfD betrachten?
Die AfD, aber auch andere neurechte Projekte in ganz Europa ziehen ihre Kraft aus der Krise, die wir seit einigen Jahren erleben. Diese Krise ist nicht nur eine Finanzkrise, sondern eine echte soziale und Demokratiekrise. Viele haben erkannt, dass die gegenwärtige neoliberale Politik nicht in ihrem Interesse ist, und sich den Protesten gegen die neoliberale EU bei Blockupy oder den bundesweiten Großdemonstrationen gegen TTIP angeschlossen. Ein progressiver und solidarischer Ausblick ist also bereits formuliert.
Sitzt die Kritik an extrem rechten Positionen in der „Faschismus-Falle“? Breiter Protest scheint nur möglich zu sein, wenn diese historischen Bezüge aufgezeigt werden …
Unsere Kritik beginnt früher und geht weiter. Die neue Rechte ist ein Angriff auf alle, die nicht weiß, männlich und mittelständisch sind. Deswegen sagen wir mit der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano: „‚Wehret den Anfängen‘ ist längst überholt, wir sind mittendrin.“
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