Aktivistin über Klimakonferenz-Absage: „Wir segeln jetzt nach Belém“
Sie steuerte das Schiff, als sie von der Absage erfuhr: Frederike Freitag wollte mit Aktivist:innen nach Chile zur Klimakonferenz segeln. Was nun?
taz: Die Klimakonferenz wurde abgesagt. Wie haben Sie davon erfahren?
Frederike Freitag: Wir waren in Reichweite des Festlands, hatten Internet, aber segelten gerade. Ich war am Steuer und habe gelenkt, während alles passiert ist. Wir haben natürlich viele Leute an Bord, die in Organisationen arbeiten, zum Beispiel der Klimadelegation. Die sind sehr gut vernetzt. Sobald wir in die Nähe des Festlands kamen, haben wir Mails empfangen. Wir wussten davon, bevor es in den Medien erschien. Später haben wir in Praia, der Hauptstadt der Republik Kap Verde, angelegt. Ein geplanter Stopp, insofern hatten wir Glück.
Reisen Sie trotzdem nach Chile, um mit Greta Thunberg eine alternative Konferenz zu verstalten?
Nein, aber unsere Route bleibt ähnlich. Es passiert ziemlich viel gerade. Ziemlich viel Ungewissheit, weil es keine Entscheidungen von Seiten der UN gibt, ob und wohin. Hier ausharren, macht keinen Sinn. Geplant war von Anfang an, dass wir nach Rio de Janeiro reisen, um dann nach Santiago de Chile zu fahren. Heute Morgen haben wir uns entschieden: Wir segeln nach Belém in Brasilien. Heute Mittag geht es los.
Gemeinsam mit 35 anderen Klima-Aktivist:innen segelt die 21-jährige Frederike Freitag seit Anfang Oktober zur Klimakonferenz (COP25). So der Plan. Seit zwei Jahren beschäftigt sie sich intensiver mit dem sozialen Dilemma des Fliegens: Viele in ihrem Studium „Global Project and Change Management“ wissen, dass es nicht nachhaltig ist, fliegen aber trotzdem. Sie schrieb eine Hausarbeit über das Thema und spricht nun mit anderen Aktivist:innen beim Thinktank auf dem Schiff über Lösungen zu klimafreundlichem Reisen.
Warum dorthin?
Es liegt nördlicher als Rio. Wenn die Konferenz Anfang nächsten Jahres in Bonn stattfindet, schaffen wir es von dort rechtzeitig, zurückzusegeln. Falls die Konferenz in Costa Rica ist, könnten wir auch dorthin. Die Szenarien Bonn oder Costa Rica im Januar halten wir für wahrscheinlich. Beides ist mit unserer Lösung machbar. Es ist auch ein Kompromiss, der die Bedürfnisse verschiedener Leute abdeckt: Manche müssen nach Brasilien. Das Team will die Versprechen, die gegeben wurden, einhalten.
Welche?
Es gibt Leute, die in Südamerika bleiben möchten. Wir haben eine mit dabei, die Halb-Peruanerin ist und nach der COP bei ihrer Familie bleiben und dort arbeiten wollte. Auch andere möchten in Südamerika leben. Das hat natürlich großen Einfluss. Wir haben jetzt eben auch schon die halbe Strecke hinter uns.
Und was ist, wenn die Konferenz in Bonn im Dezember zum geplanten Datum stattfindet?
Nach Einschätzungen einiger Menschen an Bord wäre die Konferenz im Dezember dann nur für die Länderdelegierten zugänglich und demnach nicht für Beobachter:innen. In diesem Falle müssten wir unsere Pläne nochmal überdenken und dann erneut entscheiden, wie wir die Ergebnisse unseres Thinktanks präsentieren können.
Spielte bei der Entscheidung auch Geld eine Rolle?
Der finanzielle Aspekt wurde genauso in die Planung einbezogen wie die bisherigen Informationen und die persönliche Situation der Menschen an Bord. Die Planung, wie sie nun steht, ist finanziell möglich, weil unsere Partner unsere Mission nach wie vor unterstützen. Unsere Partner sind das niederländische Ministerium für Wassermanagement und Infrastruktur, das Bahnunternehmen Pro Rail und andere.
Das heißt, das Geld wird nicht knapp?
Unsere jetzige Planung übertrifft das Budget nicht.
Ändert sich die Sicherheitslage?
Nein, weil die Route ähnlich ist.
Und wenn die COP in Japan stattfindet – fliegen Sie dann dorthin?
Nein, wir fliegen nicht. Es ist symbolisch, wie wir die Reise tätigen. Niemand wird im Rahmen des Projekts fliegen. Wir haben mit Optionen geplant, die wahrscheinlich sind. Wenn die COP in Japan stattfindet, nimmt niemand von uns daran teil. Es sei denn, jemand findet einen Weg per Schiff. Aber es ist unwahrscheinlich, dass sie dort stattfindet.
Und von Praia bekommen Sie also gar nichts mit?
Leider nicht. Jedoch waren wir die letzten Tagen schon auf anderen der Kapverdischen Inseln, um die letzten Vorbereitungen für die Überfahrt zu treffen. Auch in Casablanca waren wir ein paar Stunden auf Land und in Teneriffa hatten wir vier Tage Zeit. Ein Zwischenstopp, bei dem wir Energie auftanken konnten. Und die Beine vertreten. Grundsätzlich ist an Bord fast mehr Platz, als ich erwartet hätte. Obwohl es ein Schiff für vierzig Menschen ist, ist es mir doch nicht zu klein.
Sie haben Ihr Studium für ein Jahr unterbrochen, um zur COP nach Chile zu segeln. Wie war Ihre Reaktion als die Absage kam?
Wir haben vor allem Solidarität mit den Menschen in Chile. Wir haben die Nachricht bekommen, dass die Unruhen offenbar in einen Bürger:innenkrieg umschlagen. Aber natürlich: Damit haben wir nicht gerechnet. Wir hatten andere Pläne. Es ist ungünstig, aber steht nicht in der Dimension mit dem, was dort vorgeht.
Trotz Absage: Stehen Sie noch hinter der Reise?
Ja. Wir sind an Bord, um einen Plan zu erstellen, wie man nachhaltig reisen kann. Das Interesse ist nicht verschwunden. Wir sehen den Einfluss, den wir haben. Vielleicht gerade jetzt. Die Nachricht wird dadurch nur noch lauter, noch mehr gehört.
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