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Aktivist über Holocaust-Gedenktag„Der Duft von Kölnisch Wasser“

Alltägliches ist nicht zu lösen von Erinnerung, sagt Hamze Bytyçi. Er ist Kurator einer Ausstellung zum Holocaust-Gedenktag für Sin­ti* und Roma*.

Denkmal für die von den Nazis ermordeten Sinti* und Roma* in Berlin Foto: Soeren Stache/dpa/picture alliance
Dinah Riese
Interview von Dinah Riese

taz: Herr Bytyçi, am 2. August 1944 ermordeten die Nazis die letzten verbliebenen Sin­ti* und Rom­a* im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Wie steht es um die Erinnerung an diesen Genozid heute, 79 Jahre später?

Hamze Bytyçi: Die aktuelle Lage erinnert mich an Zeiten, die ich nicht noch mal erleben will. Das klingt vielleicht polemisch. Aber die AfD hat gerade einen Rechtsradikalen zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gekürt, alle sprechen über die Brandmauer nach rechts, und ich muss sagen: Für die Sinti- und Roma-Community ist diese schon lange gefallen.

Jana Kießer
Im Interview: Hamze Bytyçi

41, ist Vorsitzender der Roma*-Selbstorganisation RomaTrial. Seit 2022 betreibt und kuratiert RomaTrial den Grünen Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin. Dort eröffnet am 2. August um 16 Uhr das Dynamic Memory Lab „Codes of Memory“ in Kooperation mit der Coalition for Pluralistic Public Discourse (CPPD).

Das reicht vom sogenannten Asylkompromiss 1993 über die Definition „sichere Herkunftsländer“, was sich explizit gegen Sin­ti* und Rom­a* vom Balkan richtete, bis heute, wo täglich auf brutale Art Menschen nach Moldau abgeschoben werden. Da sitzen weinende Mädchen, weil die Mutter an der Bushaltestelle abgepasst und abgeschoben wurde, oder minderjährige Kinder gehen den Behörden „verloren“.

Die Ampelregierung hat erstmals einen Antiziganismusbeauftragten eingesetzt. Ist das nicht auch ein gutes Zeichen?

Natürlich ist es gut, diesen Beauftragten zu haben. Mehmet Daimagüler ist absolut fähig und hat als Jurist mehrfach Hinterbliebene und Betroffene als Nebenkläger vertreten. Aber es ist vor allem eine symbolische Figur und ich hätte mir gewünscht, dass jemand aus der Community berufen wird.

Sie sind Kurator einer Ausstellung anlässlich des Europäischen Holocaust-Gedenktags für Sin­ti* und Roma*: Ein Dynamic Memory Lab mit dem Titel „Codes of Memory“. Was kann man sich darunter vorstellen?

Aus der Ausstellung Foto: RomaTrial

Wir wollen klarmachen, dass wir Teil dieser Gesellschaft sind, und zwar mit unseren Ritualen, Bräuchen und Codes. Das können ganz unterschiedliche Dinge sein – Gegenstände, Gerüche, Geschmäcker. Dinge, die essentiell mit der Geschichte, Kultur und den Erfahrungen der Community zu tun haben.

Können Sie ein paar Beispiele nennen?

Wir haben in der Ausstellung Hajmalije, kleine dreieickige Ornamente mit Leder oder Stoff, die Sinnsprüche zum Schutz vor Verwünschung beinhalten. Oder Hufeisen: Meine Großeltern waren wie viele unserer Menschen Schmiede. Menschen haben Gerüche beigetragen, die für sie etwas symbolisieren. Sei es der Duft von Kölnisch Wasser, den der nach Westeuropa migrierte Onkel ausströmte, oder der nach Weichspüler, der für mich persönlich ein Gefühl von Angekommensein ausstrahlt. Es geht um Bräuche und Überlieferung – schneide niemals deine Nägel bei Sonnenuntergang, nimm keine Steine mit in geschlossene Räume.

Aufbau des Dynamic Memory Lab „Codes of Memory“ Foto: RomaTrial

Jetzt ist, was jemand mit einem Duft verbindet, ja hochindividuell. Wie passt das in den Kontext kollektiver Erinnerung?

Es passt, weil man uns immer wieder kollektiv stereotypisiert. Wir wollen zeigen, dass es eben nicht die Sin­ti* oder die Ro­ma* gibt. Das Alltägliche ist auch nicht loszulösen von der Erinnerung an den Genozid: Aber glauben wie der, dass schwarze Katzen von rechts Unglück bringen, verbindet – gleichzeitig ist dieses Warnen unserer Großeltern vor Unglück und Gefahr Ausdruck einer Generation, die nie offen über ihr Trauma gesprochen, es aber immer mit sich getragen hat.

Der Holocaust-Überlebende Zoni Weisz sagt oft: „Unbekannt macht unbeliebt.“ Insofern ist das Dynamic Memory Lab auch eine Einladung zum Austausch: Be­su­che­r*in­nen können ihrerseits ihre Codes of Memory beisteuern, sie aufschreiben oder ein Video aufnehmen. So können Menschen sich näherkommen, kennenlernen, die Codes der anderen schätzen lernen.

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