Aktivist gegen AbtreibungsgegnerInnen: „Klobürsten-Bischof“ vor Gericht
Thorsten Herget muss sich in Frankfurt vor Gericht verantworten: Er protestierte als Bischof verkleidet gegen „Lebensschützer“.
Mehrere Wochen lang waren 2018 Frauen auf dem Weg zur Konfliktberatung der Frankfurter Pro-Familia-Geschäftsstelle bedrängt worden. Im März wurde der heute 45-jährige Erzieher und Hobbyimker Herget erstmals auf die „Mahnwachen“ aufmerksam. Er habe damals spontan beschlossen, etwas dagegen zu unternehmen, sagt er.
Die Blaupause lieferte der Christopher Street Day: Für einen CSD-Umzug hatte Herget sich Jahre zuvor eine Soutane und ein schwarzes Priesterkäppchen gekauft. Als „falscher Bischof“, mit Klobürste statt Bischofsstab in der rechten und Regenbogenschal statt Stola in der linken Hand, trat er von da an vor der Beratungsstelle gegen die selbsternannten „LebensschützerInnen“ an.
„Das Lamm Gottes“
Teils gab er auch als Schaf verkleidet „das Lamm Gottes“, kroch auf allen Vieren um die Betenden, und malte rosa Herzchen auf das Pflaster. „Es war mir wichtig, Öffentlichkeit herzustellen, und das ist mir gelungen“, stellt Herget zufrieden fest. Nicht nur die betroffenen Frauen, sondern auch die MitarbeiterInnen der Beratungsstelle seien dort immerhin alltäglich mit Mordvorwürfen konfrontiert worden: „Da können sie noch so professionell sein, so etwas bleibt nicht ohne Wirkung“, sagt Herget.
Bald hatte er MitstreiterInnen, schließlich entstand eine Bewegung. Im Herbst 2018 organisierte ein breites „Bündnis für Frauenrechte“ täglich angemeldete Gegendemonstrationen. Frankfurts Ordnungsdezernent Markus Frank, CDU, hatte es zunächst abgelehnt, rund um die Beratungsstelle eine Bannmeile einzurichten, dafür fehle die rechtliche Grundlage.
Doch die hessischen Grünen griffen das Thema in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU auf. Innenminister Peter Beuth, CDU, erließ im August schließlich eine Anweisung, die es den Ordnungsämtern erlaubt, Demonstrationen gegen das Abtreibungsrecht aus dem Umfeld von Beratungsstellen und Arztpraxen zu verbannen. Die AktivistInnen der fundamentalistischen katholischen Gemeinde beten in diesem Herbst deshalb an der Bockenheimer Landstraße, einige Hundert Meter entfernt.
Thorsten Herget, falscher Bischof und Fundamentalisten-Gegner
Wegen „Nötigung“ waren die Ermittlungen gegen Herget aufgenommen worden, ein „Vergehen“ gegen das Versammlungsrecht“ blieb am Ende übrig. Als „Bischof“ hatte er auf dem Platz Rote-Beete-Saft ausgegossen und die Betenden mit einer Alarmsirene genervt. Er habe eine nicht verbotene Versammlung gestört und zu sprengen versucht und keine „akzeptable Distanz“ zu der genehmigten Mahnwache gehalten, heißt es in dem Strafbefehl.
Vor Gericht kämpft Herget jetzt für einen Freispruch: „Es gibt gegen mich weder einen konkreten Tatvorwurf noch eine konkrete Tat“, sagt er der taz: „Ich freue mich auf die Verhandlung; schließlich habe ich nur friedlich gegen die Drangsalierung der Frauen auf dem Weg zur Beratung protestiert“, sagt er.
Bei der Akteneinsicht stieß Herget indes auf eine brisante Information. In den Protokollen der Polizei, die Demonstrationen und Gegendemonstrationen überwachte, hielt ein Beamter fest, Herget sei in der Liste „GE/PMK-links“ aufgeführt, als linker Aktivist (P)olitisch (M)otivierter (K)riminalität.
„Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemandem Gewalt angetan“, empört sich Herget und fügt hinzu: „Zuletzt haben sogar mehrere Mitglieder des Frankfurter Magistrats zusammen mit mir demonstriert, das hätten die doch niemals gemacht, wenn ich ein linksradikaler Chaot wäre.“
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