Aktivist Henning Jeschke vor Gericht: Leider nicht verurteilt

Der Klimaaktivist Henning Jeschke muss sich vor einem Lübecker Gericht wegen einer Flughafenblockade verantworten. Er ist unzufrieden mit dem Ausgang.

Klimaaktivist Henning Jeschke und UnterstützerInnen vor dem Lübecker Amtsgericht mit Bannern

Jeschkes UnterstützerInnen während seines Prozess vor dem Amtsgericht Foto: Friederike Grabitz

LÜBECK taz | Am Morgen des 17. August 2020 geht Henning Jeschke auf das Rollfeld des Lübecker Regionalflughafens, wo die allererste Maschine der beiden neuen Fluglinien nach Süddeutschland bereitsteht. Er ist einer von drei AktivistInnen, die ein Ticket gekauft haben – mit dem Ziel, den Start des Fliegers zu verhindern.

Der 20-Jährige benetzt seine Hände mit Sekundenkleber und presst sie auf den Rumpf des Flugzeuges. Ein Passagier sieht das und reißt ihn zu Boden, bevor der Kleber fest werden kann. Jeschke wird in Gewahrsam genommen, die Maschine startet mit 50 Minuten Verspätung.

Danach bekam Jeschke, der letzten Herbst durch seinen „Hungerstreik der letzten Generation“ in Berlin bekannt wurde, Post vom Anwalt des Flughafenbesitzers Winfried Stöcker: Der hatte ihn wegen Sachbeschädigung und gefährlichen Eingriffs in den Flugverkehr angezeigt. Die Anzeige hatte keinen Erfolg. Ein Vorwurf der Staatsanwaltschaft schaffte es dennoch vor Gericht: Am Montag musste sich Jeschke vor dem Amtsgericht Lübeck wegen Nötigung während der Flughafenblockade verantworten.

Vor einer Außenstelle des Gerichts haben knapp zwanzig AktivistInnen schon am frühen Morgen eine Mahnwache aufgebaut, dann warten sie mit ihren Bannern in der Kälte auf das Ende der Verhandlung. Wegen der Coronaregeln darf nur Jeschkes Freund Dennis Salis in den Gerichtssaal.

Notstand nicht gleich Notfall – zumindest juristisch gesehen

Nach einer guten Dreiviertelstunde kommt er heraus und verkündet, dass das Verfahren eingestellt worden sei. Er sei „fassungslos“, sagt er: „Der Richter fragte, wie Henning in Kauf nehmen kann, dass Beteiligte für den Prozess mit dem Auto anreisen – das sei klimaschädigend.“ Über die Klimabilanz von Kurzstreckenflügen sei nicht gesprochen worden.

Jeschke selbst ist auch unzufrieden mit dem Ausgang. Er hat den Eindruck, das Gericht habe sich mit der Einstellung des Verfahrens „herausgewunden: Sie hätten mich entweder verurteilen oder freisprechen sollen.“

„Henning Jeschke muss jetzt keine Konsequenzen tragen, aber das war nicht unser Ziel“, sagt Jeschkes Verteidiger Mathis Bönte. „Unser Ziel war, dass sich das Gericht auch mit dem Klimanotstand auseinandersetzt.“

Der Präsident des Lübecker Amtsgerichts Carsten Löbbert verteidigt das: „So sympathisch das Anliegen der Klimaaktivisten auch ist, rechtfertigt es nicht ihren Notstandsbegriff.“ Ein Freispruch mit dieser Argumentation sei aus juristischer Sicht nicht möglich gewesen. Bei einem Notfall sei es erlaubt, ein Flugzeug am Abheben zu hindern, „aber nur bei einer konkret bevorstehenden Gefährdung, wenn er etwa gewusst hätte, dass es gleich nach dem Start abstürzen wird“. Der Klimanotstand sei keine akute Gefährdung in diesem Sinne.

Die Aufarbeitung der Aktion ist für Jeschke abgeschlossen. Doch vielleicht ist es nicht sein letzter Prozess: Mit anderen AktivistInnen unterstützt er derzeit unter anderem Autobahnblockaden in Norddeutschland. Die Beteiligten fordern ein Gesetz zur Rettung von Lebensmitteln und eine ökologische Reform der Landwirtschaft.

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