Aktivismus von Taylor Swift: Alles nur Kalkül?
Die US-Pop-Sängerin Taylor Swift zeigt sich mit ihrem neuen Album „Lover“ kämpferisch wie eh und je. Warum eckt sie damit so an?
Schon mal darüber nachgedacht, warum es Taylor Swift keinem außer ihren Fans recht machen kann? Eventuell liegt es daran, dass sie eine Frau ist. Eine höchst erfolgreiche Frau mit 50 Millionen verkauften Alben und 10 Grammys. Als Musiker hätte sie die meisten Menschen vermutlich immens beeindruckt, als Musikerin nicht. Diesen Verdacht äußert die 29-Jährige jedenfalls auf ihrer neuen Platte „Lover“ in dem Song „The Man“.
Zeilen wie „And I’m so sick of them coming at me again / 'cause if I was a man, then I’d be the man“ sprechen mit feministischer Rhetorik Bände. Nicht zu vergessen: Bevor die #MeToo-Bewegung überhaupt aus der Taufe gehoben wurde, brachte Taylor Swift einen Radio-DJ wegen sexueller Belästigung vor Gericht. Sie gewann den Prozess.
In Bezug auf ihre Persönlichkeitsrechte gab sie sich stets kämpferisch. Sie denkt ernsthaft darüber nach, ihre alten Songs neu aufzunehmen, nachdem Justin Biebers Manager Scooter Brown ihre frühere Plattenfirma Big Machine inklusive der Rechte für ihre ersten sechs Alben erworben hat. Mit politischen Aussagen hielt sie sich dagegen lange zurück. Erst 2018 solidarisierte sie sich via Instagram mit der LGBTQ-Gemeinschaft.
Da drängte es sich fast schon auf, diese Unterstützung nochmals in einem Lied zu manifestieren. Für den Dreh ihres grellen „You need to calm down“-Videos lud Taylor Swift weltbekannte Lesben, Schwule, Transgender und Dragqueens an den Set ein, um zu beweisen, dass sie auf der richtigen Seite steht. Sogleich hagelte es Buhrufe. Reines Kalkül vermuteten einige Vertreter*innen der nichtheterosexuellen Szene. Inwieweit das berechtigt ist, muss wohl jeder für sich entscheiden.
Eine gute Dosis Trump-Kritik
Trotz dieser Debatte kann man Taylor Swift eines nicht absprechen: ihre Songschreiber-Qualitäten. Liebhaber*innen von raffinierten Wort- und Gedankenspielen kommen bei der Sängerin voll auf ihre Kosten. In dem Stück „You need to calm down“ heißt es: „And I’m just like, damn, it’s 7AM / Say it in the street, that’s a knock-out / But you say it in a tweet, it’s a cop-out“. Wer will, entdeckt in diesen Sätzen eine gute Dosis Trump-Kritik.
„Soon you’ll get better“ wiederum nimmt Bezug auf die Krebserkrankung von Taylor Swifts Mutter. Mit dieser Nummer demonstriert sie mit den Dixie Chicks, dass ihre Wurzeln im Country liegen. Die übrigen Titel kreisen meist um die Liebe. Zur Erinnerung: Taylor Swift baut gern Auszüge aus ihren Tagebüchern in ihre Songs ein. Dazu vermengt sie melodischen Elektropop, Herzschlag-Beats und Handclaps.
Bei „False God“ trumpft ein Saxofon auf, während Taylor Swift eine komplizierte Beziehung verhandelt. „London Boy“ erzählt von ihrem Lebensgefährten, dem britischen Schauspieler Joe Alwyn. Das Intro für diesen Titel sprechen niemand Geringeres als die beiden Darsteller Idris Elba und James Corden. „Me!“ dreht sich um Selbstliebe, im Clip dazu inszeniert sich Taylor Swift an der Seite des Panic!-at-the-Disco-Frontmanns Brendon Uri in Pastelltönen wie eine blonde Barbiepuppe im Wunderland.
Fans sind gespalten
Eigentlich ist das keine Todsünde. Weil nicht wenige Fans ihre letzte Platte „Reputation“ zu dunkel fanden, bringt die Sängerin jetzt einfach wieder mehr Farbe aufs Tableau. Sie wolle sich, tut sie im Vorwort ihres Booklets kund, nur noch von Dingen definieren lassen, die sie liebe. Nicht von dem, was sie hasse. Also entschuldigt sie sich in „The Afterglow“ kurzerhand bei ihrem Partner dafür, dass sie in ihrer Beziehung hier und da überreagiert. Sie sei halt nun mal so, Schwamm drüber.
Ihre Anhänger schätzen sie für solche aus dem Leben gegriffenen Geschichten. Andere sind genervt, wenn sie ewig die komplette Gefühlspalette vom Verliebtsein bis zur Trennung auslotet. Sie nennen Taylor Swift „banal“. Dabei würde ihre Ehrlichkeit einem Mann, der in seinen Songs mit ganz persönlichen Erlebnissen jongliert, wohl als Sensibilität ausgelegt werden.
Wirklich vorwerfen kann man Taylor Swift im Grunde nur ihre musikalische Einfalt. Erwartbar bewegen sich alle Songs im Mainstream – mal mit R’n’B-Anleihen, mal mit Americana-Elementen. Ein bisschen mehr Extravaganz hätte sich die Amerikanerin ruhig trauen dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland