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Aktionsprogramm Natürlicher KlimaschutzMilliarden für feuchte Moore

Bundesumweltminister Carsten Schneider hat Vorschläge für mehr Klimaschutz durch gesunde Natur vorgelegt. Was drin steht – und was daran neu ist.

Für die Wiedervernässung von Mooren wie diesem hier in Niedersachsen hatte die Ampelregierung noch ehrgeizigere Ziele Foto: Erhard Nerger/imago

Berlin taz | „Ich will, dass Wälder, Moore und Böden wieder zu Verbündeten beim Klimaschutz werden.“ Der Satz stammt von Carsten Schneider, der über viele Umwege Umweltminister in der aktuellen schwarz-roten Koalition geworden ist. An diesem Montag legte der SPD-Politiker einen „Vorschlag für den Beitrag der Natur zum Klimaschutz“ an das Bundeskabinett vor. Ziel in den aktuellen Haushaltsverhandlungen sei, „den Beitrag der Natur zum Klimaschutz zukunftsfest“ zu machen.

Dabei waren Wälder, Moore und Böden wohl nie „Verbündete beim Klimaschutz“ – sie schützen das Klima in gesundem Zustand ohnehin. Erst durch grenzenloses Abholzen, Trockenlegen für landwirtschaftliche Nutzflächen und das Versiegeln der Böden haben die Menschen die Erhitzung der Erdatmosphäre befeuert und zur Lebensbedrohung gemacht.

Beispielsweise um Moore geht es jetzt in Schneiders Vorschlag: Die binden weltweit mehr Treibhausgase als alle Wälder zusammen. Im 18. Jahrhundert begannen Menschen hierzulande aber, diese Biotope trocken zu legen, um landwirtschaftliche Nutzflächen zu gewinnen. Dadurch wurde den Jahrtausende alten Torfschichten Luftsauerstoff zugeführt, der dieses Material zersetzte und so Millionen Tonnen Treibhausgase zusätzlich verursachte.

Ein Problem, dass besonders in Norddeutschland signifikant ist: In Mecklenburg-Vorpommern ist beispielsweise nicht die Industrie, nicht die Wohnraumbeheizung oder der Verkehr Hauptquelle für klimaschädliche Treibhausgasemissionen, sondern die trocken gelegten Moore.

Schneider will mit Geld gegensteuern

Es geht auch um Beton auf der Ackerkrume: Ursprünglich hatte die Bundesregierung geplant, den täglichen Zuwachs von zubetonierten Siedlungs- und Verkehrsflächen bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar zu reduzieren. Derzeit werden jedoch immer noch jeden Tag 51 Hektar Boden asphaltiert, betoniert – und das verursacht zusätzliche Treibhausgase.

Schneiders Vorschläge enthalten nun die Bereitstellung von Geldern, um gegenzusteuern: Er fordert in den laufenden Haushaltsverhandlungen über die kommenden Jahre 4 Milliarden Euro. Der Bundesumweltminister will „neue Wertschöpfungsketten für Moor-Produkte“ voranbringen, beispielsweise „Moor-Photovoltaik“. Auch der Waldumbau „hin zu stabilen Mischwäldern“ soll finanziert werden – das Waldsterben der letzten Jahre hat dazu geführt, dass die Bäume Deutschlands mehr Treibhausgase abgeben, als sie bislang speichern konnten.

Die geplanten Mittel sind ein Trostpflaster

Sven Selbert, Nabu

„Die geplanten Mittel sind ein Trostpflaster“, sagt Sven Selbert, Waldexperte beim Naturschutzbund Nabu. Immerhin seien die Pläne des Umweltministers „ein guter Schritt“ in einer Regierung, die bislang beim Klimaschutz nichts geliefert habe. „Das Geld soll aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen“, sagt Selbert der taz. Bislang habe schwarz-rot daraus nur Maßnahmen finanziert, die die Klimakrise verschärfen.

Aber: „Die Nationale Moorschutzstrategie der Ampel hatte sich zum Ziel gesetzt, jährlich 5 Millionen Tonnen Treibhausgase aus der Wiedervernässung einzusparen“, sagt Tobias Witte vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND). „Der jetzige Entwurf sieht nur noch 2,5 Millionen Tonnen jährlich vor.“

Steffi Lemke hatte Aktionsprogramm aufgelegt

Tatsächlich ist an Schneiders Vorschlägen an das Bundekabinett nichts neu. Vorgängerin Steffi Lemke (Bündnisgrüne) war als Bundesumweltministerin die Ressortzuständigkeit für den Klimaschutz entzogen worden, zugunsten des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck.

Lemke erlangte ein wenig Zuständigkeit zurück, indem sie das „Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz“ erfand. „Dafür gibt es ein 3,5 Milliarden Euro schweres Programm, das auch in der nächsten Legislaturperiode Bestand haben wird: Viele Maßnahmen sind über mehrere Jahre angelegt“, sagte Lemke, als sie noch Ministerin war.

Nachfolger Schneider ist zwar zuständig für Klimaschutz, über die Mittel dafür aus dem Klima- und Transformationsfonds verfügt aber Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Und die nutzt den Fonds beispielsweise, um fossiles Erdgas billiger zu machen – statt Klimaschutz zu betreiben.

Dabei wäre ein Umsteuern im Sinne Schneiders dringend notwendig, wie der jüngste Umweltzustandsbericht der Europäischen Umweltagentur zeigt: Demnach befinden sich mehr als 80 Prozent der geschützten Lebensräume innerhalb der EU in schlechtem Zustand. In Deutschland würden fast ein Drittel der Grundwasser-Leiter die gesetzlichen Standards nicht erfüllen, „vor allem wegen der Nitrat- und Phosphorverschmutzung“, wie die europäische Umweltbehörde EEA erklärte. Der Zustand von Bächen und Seen – also der Oberflächengewässer – sei „noch schlechter“.

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