Aktion gegen neuen Berliner Flughafen: Direktflug in die Klimakrise?

Eine Gruppe Pinguine namens „Am Boden bleiben“ plant eine Aktion des zivilen Ungehorsams. Ziel: Die Eröffnung des BER am 31. Oktober zu verhindern.

Pinguine zeichneten für die jahrelang verhinderte Eröffnung des Flughafens verantwortlich Foto: Christian Mang, Warming Stripe: showyourstripes.info

BERLIN taz | Corona holte die Luftfahrt auf den Boden. Davor befand sie sich auf einem Höhenflug auf Kosten des Klimas. Der zivile Flugverkehr ist schon jetzt laut Umweltbundesamt für fünf bis acht Prozent der menschengemachten Klimaerhitzung verantwortlich. 2,4 Prozent gehen auf die Kappe des CO2, den Rest verursachen Stickoxide, Wasserstoff und weitere Effekte. Die Industrie plant für die nächsten zwei Jahrzehnte eine Verdopplung der Flugkilometer und Flugzeuge, inklusive über tausend erweiterte oder neue Flughäfen.

Darunter der Flughafen Berlin Brandenburg. Die ursprünglich für den 30. Oktober 2011 geplante Eröffnung des BER ist – nach kleineren Zwischenfällen und circa siebenmaliger Verschiebung – für den 31. Oktober 2020 angesetzt. Im letzten Jahr verbreitete sich das Bekennervideo einer Gruppe von Pinguinen namens „Am Boden bleiben“. Sie zeichneten sich für die jahrelang verhinderte Eröffnung des Flughafens verantwortlich. Im Namen des Klimas sabotierten die „coolsten Vögel, die am Boden bleiben“, mehrmals die Baumaßnahmen, um eine Zunahme der Emissionen zu verhindern …

In Wahrheit mussten die Pinguine für die zu kurzen Rolltreppen, die planlose Kabelverlegung, marode Elektronik, die sich nicht öffnenden Brandschutztüren und die täglich versenkten Steuergelder keinen Finger rühren.

Was aber spätestens jetzt aktiv verhindert werden muss: eine reibungslose Eröffnung des Flughafens. Die Pinguine planen eine Massenaktion zivilen Ungehorsams, um „den BER auf Eis zu legen“.

Die Autorin Lena Goldschopf freut sich auf die nächste Aktion von „Am Boden bleiben“.

Weitere Infos: www.ambodenbleiben.de

„Flug-Shaming“ ist nicht zielführend

Dabei geht es nicht darum, einzelne Passagiere zu blockieren. Der Klimagerechtigkeitsgruppe geht es mit der Aktion vielmehr darum, öffentlichkeitswirksam einer ungerechten und klimaschädlichen Indus­trie die Absage zu erteilen. Das „Flug-Shaming“ sehen sie als wenig zielführend. Dass scheinbar gut gebildete, umweltbewusste Grünwähler*innen die sind, die am meisten fliegen, zeigt: Fliegen ist eine Frage von Klasse und „race“, und eine imperiale Lebensweise gäbe es nicht ohne die dahinterliegenden Strukturen, die Infrastrukturen und Gesetze, die den Flugverkehr stabilisieren.

In Deutschland erhalten die Fluglinien circa 13 Milliarden Euro Steuergelder jährlich durch eine fehlende Kerosin- und Mehrwertsteuer. Neun Milliarden bekam erst kürzlich die Lufthansa, und über sechs Milliarden verschluckt der BER bis zur Eröffnung. Profitieren tun davon wenige Konzerne und Vielflieger*innen. In Deutschland fliegen sieben Prozent der Menschen zehnmal oder häufiger pro Jahr. Die Mehrheit fliegt selten bis gar nicht: Weltweit saßen bisher über 80 Prozent der Menschen noch nie im Flieger.

Um den Flugverkehr effektiv reduzieren zu können, braucht es vor allem im globalen Norden eine andere Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsweise. Flugverkehr ist zentral für den globalisierten hypermobilen Kapitalismus. Zu ihm gehören Businessflüge ebenso wie Waren aus aller Welt, Massentourismus zur schnellen Entspannung vom stressigen Alltag und Militärluftfahrt zur Verteidigung einer neokolonialen Weltordnung.

„Wenn wir es nicht schaffen, den Kapitalismus mit seinem Wachstumszwang und seiner Hypermobilität zu überwinden, sind weder die Verhinderung der Klimakrise noch soziale Gerechtigkeit und Bewegungsfreiheit weltweit möglich“, heißt es in dem Aufruf von Am Boden bleiben. Ziel der Gruppe ist es, mit der Blockade des Flughafen BER die Absurdität neuer Fluginfrastruktur in Zeiten der Klimakrise und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten sichtbar zu machen und dazu beizutragen, dass die unbeabsichtigte Pause im Flugverkehr genutzt wird, einen Umbau hin zu einer klimagerechten Mobilität und Bewegungsfreiheit für alle zu gestalten.

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