Agrarwissenschaftlerin über Landfrauen: „Töchter erben den Hof nur selten“
Landfrauen sind sozial kaum abgesichert, aber oft zufrieden mit ihrem Leben. Das hat eine Studie des Braunschweiger Thünen-Instituts ergeben.
taz: Frau von Davier, Sie forschen seit Jahren über Landfrauen. Herrscht immer noch das Klischee von der Bäuerin mit Gummistiefeln und Schürze vor?
Zazie von Davier: Diese Klischees sind überholt. Die 14 „grünen“ landwirtschaftlichen Berufe sind breit gefächert, von der Hauswirtschafterin bis zur Pferdewirtin oder Winzerin. Sie sind für Frauen gerade wegen der Naturnähe und der ökologischen Dimension zunehmend attraktiv, wie der Anteil der ausgebildeten Frauen in Landwirtschaftsberufen von 24 Prozent im Jahr 2020 belegt – fast eine Verdoppelung gegenüber 2005.
Liegt das an der guten Bezahlung?
Nein. 2007 habe ich für meine Promotion über Leistungslöhne in der Landwirtschaft Betriebsleiterinnen landwirtschaftlicher Lohnarbeitsbetriebe, aber auch Arbeitnehmerinnen in Landwirtschaftsbetrieben befragt. Die Entlohnung war in der aktuell durchgeführten nicht der Fokus, aber dennoch ein Thema. Bei den weiblichen Familienarbeitskräften wurde deutlich, dass Frauen viel „unbezahlte“, weniger sichtbare Arbeit in Haushalt und Familie leisten. Bei den weiblichen Angestellten gab es Hinweise, dass sie häufiger in der Tierhaltung arbeiten und dieser Bereich möglicherweise schlechter bezahlt wird als Arbeiten im Ackerbau. Ob ein Gender-Pay-Gap in der Landwirtschaft besteht, müsste noch weiter untersucht werden.
Und welchen Fokus hatte Ihre aktuelle Studie?
„Die Lebenssituation von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland – eine sozio-ökonomische Analyse“ war das Thema. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat das Thünen-Institut und die Universität Göttingen damit beauftragt. Es ist die erste bundesweite Untersuchung hierzu seit über 30 Jahren.
Was haben Sie untersucht?
Es geht um die Lebenssituation von Frauen in landwirtschaftlichen Betrieben. Wir haben die Studie zusammen mit dem Lehrstuhl für Soziologie Ländlicher Räume der Universität Göttingen erarbeitet und in Kooperation mit dem Deutschen Landfrauenverband. Dessen Kontakte eröffneten uns den Zugang zu den Aussagen und Erfahrungen der Landfrauen.
49, Landwirtin und promovierte Agrarwissenschaftlerin, forscht am Thünen-Institut für Betriebswirtschaft in Braunschweig.
Der Landfrauenverband hat bundesweit 450.000 Mitglieder, davon 1.000 allein in Hamburg. Was sind das für Frauen?
Nicht alle Frauen sind noch in der Landwirtschaft tätig. Das sind moderne, selbstbewusste Frauen mit hoher Arbeitsbelastung. Trotz oft fehlender Planungssicherheit sind die Studienteilnehmerinnen mit ihrem Leben überwiegend sehr zufrieden, weil die Arbeit auf dem eigenen Hof, das Aufwachsen der Kinder, die ländliche Wohnlage sowie der Umgang mit Tieren und Natur als unglaublich positiv empfunden werden.
Wie sind Sie vorgegangen, um Daten zu gewinnen?
Zwischen 2020 und 2022 haben wir bundesweit über 7.000 Frauen von landwirtschaftlichen Betrieben befragt sowie elf regionale Workshops und 60 narrativ-biografische Interviews geführt.
Was haben Ihre Befragungen ergeben?
Auf dem Land gehen betriebliche Arbeit, Hausarbeit und Sorgearbeit Hand in Hand, weil es sich meist um Familienbetriebe handelt. Frauen haben immer viel gearbeitet auf landwirtschaftlichen Betrieben und vielfältige Aufgaben bewältigt. Die landwirtschaftlichen Familien haben deshalb häufig ein Arbeitsethos, bei dem der Betrieb zuerst kommt, wenig Urlaub gemacht wird und wenig Freizeit bleibt. Doch gerade Frauen, die selbst nicht vom Hof stammen, stellen diese Lebensweise zunehmend infrage. Angesichts der Rollenvielfalt insbesondere in familienbäuerlichen Betrieben müssen Überlastungen reduziert werden.
Spiegelt sich das Arbeitsethos der Frauen auch in den Besitzverhältnissen?
Nur jeder neunte Betrieb wird von einer Frau geleitet. Bei der vorgesehenen Hofnachfolge liegt der Frauenanteil bei rund 18 Prozent. Es bewegt sich etwas bei der weiblichen Hofnachfolge und Betriebsleitung, aber es geht langsam voran.
Landwirtschaftlicher Besitz bleibt also Männersache?
Die Zugangsbarrieren haben sich bestätigt: Bei der innerfamiliären Hofnachfolge läuft es meist auf den Sohn hinaus. Wir hatten den Eindruck, dass die Töchter oft gar nicht gefragt werden. Wir haben vielfach veraltete Geschlechterbilder und traditionelle Vererbungsweisen angetroffen. Dass Frauen in seltenen Fällen den Hof erben, ist das eine. Das andere ist, dass Existenzgründungen in der Landwirtschaft sehr kapitalintensiv und daher nur sehr schwer umsetzbar sind.
Wie steht es um die soziale Absicherung der Landfrauen?
31 Prozent der Befragten fühlen sich nicht ausreichend fürs Alter abgesichert, 26 Prozent konnten dazu überhaupt keine Angaben machen. Das muss sich ändern und verbessern.
Wie ließe sich das ändern?
Unsere Studie bekam im Kreis des landwirtschaftlichen Berufstands hohe Aufmerksamkeit, wurde medial stark wahrgenommen. Sie kann gewiss Anstoß geben, damit in Familien darüber gesprochen wird, was sich ändern müsste. Die Studie hat viele Annahmen bestätigt, sie hat aber auch verdeutlicht, wie wichtig die Geschlechtergerechtigkeit ist. Es wäre hilfreich, wenn die Agrarstatistik die Besitzverhältnisse in der Landwirtschaft abbilden würde. Da wollen die Landfrauen weiter dranbleiben. Erst kürzlich hat die Landwirtschaftliche Rentenbank ein neues Förderprogramm aufgelegt, das auf Existenzgründungen und Hofübernahmen von Frauen in der Landwirtschaft zielt. Das sind wichtige Schritte.
Was kann die Politik, die die Studie in Auftrag gab, nun tun?
Wir haben die Resultate im zuständigen Bundestagsausschuss vorgestellt und dort, ebenso wie im BMEL, viel Resonanz gefunden. Das Thünen-Institut ist eine wissenschaftlich unabhängige Forschungseinrichtung an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Die Politik kann das Thema der sozialen Absicherung stark machen und dazu informieren oder sie kann die Altersbegrenzung bei Förderprogrammen ändern, die sich meist an Jungunternehmerinnen oder Menschen unter 40 Jahren richten. Bei der Hofnachfolge hingegen geht es um familiäre, persönliche Entscheidungen. Da kann die Politik nicht allzu viel machen. Der Wandel der Rollenbilder vollzieht sich eben sehr langsam.
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