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Afrikanische Politik im UkrainekriegDiplomatische Reisegeste

Gastkommentar von Alex Veit

Afrikanische Po­li­ti­ke­r taten die Ukraine lange als Bauernopfer ab. Ein Besuch in Kyjiw weist auf einen Wandel hin. Der erfolgte nicht ohne Druck.

Der ukrainischer Präsident Selenski und der südafrikanische Präsident Ramaphosa am 16. Juni in Kyjiw Foto: Valentyn Ogirenko/reuters

D ass die Friedensmission afrikanischer Staatschefs in der Ukraine und in Russland am vergangenen Wochenende viel erreichen würde, hatte kaum jemand erwartet. Und tatsächlich gab es am Ende wenig Konkretes zu berichten außer dem Versprechen aller Seiten, weiter im Gespräch zu bleiben.

Die Friedensreise der Staatschefs war vor allem eine diplomatische Geste: Die Bahnfahrt von Polen nach Kyjiw signalisierte die verspätete afrikanische Anerkennung der ukrainischen Perspektive. Lange hatten hochrangige Po­li­ti­ke­r:in­nen etwa aus Südafrika die Ukraine als bloßes Bauernopfer in einem größeren Konflikt zwischen Russland, China und dem Westen abgetan.

Im Februar 2022 verurteilten in der UN-Generalversammlung gerade mal 28 von 55 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union (AU) den russischen Überfall, während sich eine große Minderheit enthielt oder nicht zur Abstimmung erschien. Einige wenige Staaten lehnten die Resolution sogar ab und stellten sich damit offen an die Seite Russlands. Seit Februar 2022 hatte nur ein einziges afrikanisches Staatsoberhaupt Kyjiw besucht, aber viele andere sind nach Moskau gereist.

Putin reagierte unwirsch

Alex Veit

ist Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations. Er befasst sich mit europäisch-afrikanischen Beziehungen.

Die diplomatische Reisegeste versammelte nun gleich sieben hochrangige Politiker, um eine neue afrikanische Geschlossenheit zu vermitteln, und vielleicht auch um Wiedergutmachung für frühere Versäumnisse zu leisten. So reisten jetzt sowohl der derzeitige Vorsitzende der Afrikanischen Union (AU) und Präsident der Komoren, Azali Assoumani, und die Staatsoberhäupter und Vertreter von sechs weiteren afrikanischen Staaten nach Kyjiw.

Drei dieser Staaten – Südafrika, Republik Kongo und Uganda – haben sich bei den verschiedenen Abstimmungen in der UN-Generalversammlung konsequent enthalten. In Kyjiw und anschließend in St. Petersburg stellte die afrikanische Delegation nun jedoch einen 10-Punkte-Plan vor, in dem sie sich zur internationalen Norm der staatlichen Souveränität bekennt und diese Anerkennung auch von den Kriegsparteien einfordert. Entsprechend unwirsch reagierte Putin, der seinen Gästen ins Wort fiel, auf die Vorschläge.

Auch sonst hat die russische Seite viel dafür getan, die Besucher zu verprellen. Als diese gerade in Kyjiw angekommen waren, schoss das russische Militär mehrere Raketen auf das Stadtzentrum ab. Die afrikanische Delegation musste in einen Schutzraum flüchten. Während des anschließenden Treffens mit Putin in St. Petersburg stellte dieser klar, dass er das Schwarzmeer-Getreideabkommen im Juli auslaufen lassen will. Das Abkommen regelt die Ausfuhr ukrainischen Weizens. Durch den Wegfall des Abkommens würde die Ernährungssicherheit besonders in Nordafrika weiter eingeschränkt.

Nun ließe sich einwenden, dass eine siebenköpfige Gruppenreise für eine bloße Geste nicht nur einen übertriebenen Aufwand darstellt, sondern dass insbesondere Südafrika nicht aus freien Stücken zu der Einsicht gekommen ist, die eigene Haltung zum Krieg korrigieren zu müssen.

Die USA haben in den letzten Wochen deutlich gemacht, dass sie die Geduld mit der russlandfreundlichen Politik Pretorias verlieren: zunächst beschuldigte der US-Botschafter in Südafrika das Land, ein sanktioniertes russisches Schiff in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit Waffen beladen zu haben. Wenig später forderten Kongressabgeordnete, den Ausschluss Südafrikas aus dem lukrativen AGOA-Handelsabkommen zu prüfen, das Südafrika bevorzugten Zugang für seine Exportprodukte auf dem amerikanischen Markt gewährt.

Die USA haben deutlich gemacht, dass sie die Geduld mit der russlandfreundlichen Politik Pretorias verlieren

Manche fragten, warum Südafrika unter Druck gesetzt, während Indiens Staatschef in Washington besondere Ehre zuteil wird – obgleich die Russland-Politik beider Länder durchaus vergleichbar ist. Die Antwort liegt nahe: Südafrika ist das wirtschaftlich schwächste Glied des BRICS-Staatenbündnisses, zu dem neben Indien auch China, Russland und Brasilien gehören. Der amerikanische Druck wegen der südafrikanischen Russland-Politik zielt letztlich auf den großen Rivalen China und den Zusammenhalt des BRICS-Bündnisses.

Indirekte Verurteilung der Verbrechen Putins

Ohnehin steht Südafrika durch seine Gastgeberrolle beim nächsten BRICS-Gipfel Ende August in Johannesburg unter Druck. Die Entscheidung, ob und wie Putin am Gipfel teilnehmen kann, obwohl ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen ihn vorliegt, schiebt Pretoria seit Wochen vor sich her. Dass im afrikanischen 10-Punkte-Plan auch die Rückkehr der durch Russland entführten ukrainischen Kinder zu ihren Familien gefordert wird, stellt eine indirekte Verurteilung dieser Verbrechen Putins und eine Anerkennung der Begründung des Haftbefehls dar.

Europäische Hauptstädte reagierten unterschiedlich auf den Besuch. Selenski nahm sich Zeit für die afrikanischen Gäste, zeigte aber auch sein Unverständnis darüber, dass sie nach ihrem Besuch in Kyjiw nach St. Petersburg weiterreisten. Die polnische Regierung stichelte gegenüber Südafrika, indem sie mit Verweis auf fehlende Dokumente ein Flugzeug mitsamt Ramaphosas Leibwächtern und Journalisten in Warschau festhielt. Dass dadurch eine unabhängige südafrikanische mediale Berichterstattung verhindert wurde, nahm die rechtsgerichtete Regierung in Warschau in Kauf.

Westeuropäische Diplomat:innen, darunter die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, äußerten hingegen die Hoffnung, dass auf die afrikanische Geste weitere Schritte folgen. Zeigen wird sich dies als nächstes beim russisch-afrikanischen Gipfel, zu dem Putin Ende Juli eingeladen hat. Sollten viele afrikanische Staatsmänner dort erscheinen, ohne zuvor hochrangige Vertreter nach Kyjiw zu senden, bliebe die afrikanische Friedensinitiative nicht viel mehr als einen Wochenendausflug ins Kriegsgebiet. Können die afrikanischen Diplomaten jedoch akzeptable und praktikable Ideen für Verhandlungsansätze vorlegen, könnten sie in Zukunft eine Brückenfunktion zwischen Russland und der Ukraine übernehmen.

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Selenski "zeigte aber auch sein Unverständnis darüber, dass sie nach ihrem Besuch in Kyjiw nach St. Petersburg weiterreisten"

    Diese Aussage fasst leider sehr gut den Stellenwert von Diplomatie heutzutage zusammen.

  • Brasilien, China, Türkei, nun die afrikanischen Staaten: sie alle müssen feststellen, dass Putin nur seine eigenen Interessen verfolgt und sich nicht für die globalen Auswirkungen dieses Krieges interessiert. Ob das eine gute Voraussetzung für BRICS ist?

    • @DaBa:

      Dass Staaten Eigeninteressen verfolgen, ist nun wirklich keine neue Erkenntnis; aber das Interesse an den BRICS ist seit Beginn des Krieges deutlich gewachsen: mehrere Staaten, darunter wichtige wie Saudi-Arabien, Argentinien und Indonesien, bemühen sich um eine Mitgliedschaft; offenkundig ziehen die Regierungen des globalen Südens andere Konsequenzen als Sie.

      • @O.F.:

        Ja, offensichtlich. Das zeigt, dass unsere deutschen / europäischen Wertevorstellungen nicht geteilt werden. Das zeigt aber auch, dass global gesehen Menschenrechte und Staatensouveränität weniger gelten als wirtschaftliche und machtpolitische Eigeninteressen. Insofern bin ich gespannt, inwiefern sich BRICS etabliert. Momentan kommt es mir so vor, als ob die Hauptmotivation darin liegt, gegen die USA zu sein.

        • @DaBa:

          Inwieweit haben denn die BRICS andere Wertevorstellungen als wir zb im Jemen?

          Letztendlich verfolgen die meisten Länder ihre eigenen Interessen und die sind natürlich bei BRICS anders als die der USA.

        • @DaBa:

          Die Hauptmotivation besteht nicht darin "gegen die USA" zu sein, sondern sich einer amerikanisch-westlichen Hegemonie zu entziehen, in der die Interssen des globalen Südens wenig gezählt haben - genauso wenig wie westliche Werte und Menschenrechte.

          • @O.F.:

            Ich bin gespannt, ob nicht künftig chinesisch -hegemoniale Bestrebungen dominieren werden. Und Russland hat sich in der Vergangenheit auch nicht als Verfechter der Gleichberechtigung hervorgetan. Die ehemaligen Sowjetstaaten sprechen eher von Kolonialismus. Aber gut, spannende Zeiten. Es wird sich einiges ändern. Hoffen wir mal, dass sich die EU zusammen rauft und behaupten kann.

            • @DaBa:

              Ich bin mir ziemlich sicher, dass in Zukunft die Hegemonial-Bestrebungen anderer Staaten - insbesondere Chinas - eine gewichtige und ebenfalls wenig ruhmvolle Rolle spielen werden. Und wichtiger: ich gehe davon aus, dass man das auch in den Staaten weiß, die nun gerade in die BRICS drängen; aber gegenwärtig bietet sich eben eine Gelegenheit, einer oft als drückend empfundenen Abhängigkeit zu entkommen.